Kreis Germersheim Entwässern mit dem Wiesenbeil

Edwin Hilsendegen (91 Jahre) zeigt wie mit Hilfe eines Wiesenbeils ein Graben gezogen wird.
Edwin Hilsendegen (91 Jahre) zeigt wie mit Hilfe eines Wiesenbeils ein Graben gezogen wird.

Ottersheim: Viele Teilnehmer hören bei Wanderung Wissenswertes über feuchte Wiesen. Der Storchennachwuchs wartet schon auf Regenwürmer. Die Interessengemeinschaft Queichwiesen will das Bewässerungsprojekt in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufnehmen lassen.

Mit so vielen Interessierten hatten die Veranstalter wohl nicht gerechnet und freuten sich um so mehr. Knapp 80 große und kleine, junge und ältere Menschen hatten sich am Sonntag bei der Neumühle versammelt, um gemeinsam mit Experten die Queichwiesen und das dort praktizierte Bewässerungssystem zu erkunden. Zur Einführung erzählte Hermann-Josef Schwab aus Bellheim Wissenswertes über die historischen Hintergründe. So erfuhr man beispielsweise, dass es Steinwehre erst ab dem 17. Jahrhundert gab. Vorher wurden sie aus Holz gefertigt. Auch das Wasserrecht galt es bereits in vergangenen Zeiten zu beachten. Nicht überall durften Wehre gebaut und Mühlen betrieben werden. Die Regulierung ging so weit, dass den Bauern die Mühle, in die sie ihre Ernte abliefern durften, vorgeschrieben wurde. Und dann ging es rein ins nasse Vergnügen. Der Zeitpunkt der Wanderung war so gewählt worden, dass die Queichwiesen in diesem Abschnitt unter Wasser standen. So konnten die Besucher zum einen gleich an Ort und Stelle sehen, was da gemacht wird. Zum anderen hatten die Kinder einen Riesenspaß. Es dauert nicht lange, da waren alle nass bis auf die Haut und strahlten über beide Backen. Peter Keller, Leiter des Naturschutzgroßprojekts Bienwald, erzählte beim nächsten Haltepunkt über die Besonderheiten der Pflanzen- und Tierwelt, die sich an die zeitweise Überflutung ihres Lebensraums angepasst haben. „Dass die Wurzeln mal ein paar Tage komplett im Wasser stehen müssen die Pflanzen aushalten“, so Keller. „Etliche Namen geben auch einen Hinweis auf den Standort wie etwa der Wasserfenchel oder die Sumpfdotterblume“. Im Sommer und Herbst dagegen müssen die Pflanzen oft mit extremer Trockenheit klar kommen. „Da reißt der Boden mitunter richtig auf“. Auf den auch wechselfeuchte Wiesen genannten Flächen fühlen sich Vögel wie der Storch, die Bekassine oder der Brachvogel wohl. Die Überflutungen im Frühjahr treiben beispielsweise Erdbewohner wie den Regenwurm aus dem Boden. Bestes Aufzuchtfutter für den frisch geschlüpften Storchennachwuchs, der größere Nahrung noch nicht schlucken kann, weiß Keller. Über 60 Storchenpaare gibt es rund um die Queich. Mehr als noch vor ein paar Jahren in ganz Rheinland-Pfalz gezählt wurden. Für die Landwirtschaft war die Wiesenbewässerung von besonderer Bedeutung, wurde dadurch doch für ausreichend Futter des Milchviehs und der Zugtiere gesorgt, wusste Johannes Roth aus Offenbach zu berichten. „Für die Landwirte in früherer Zeit war jeder Fuhre Futter wichtig“. Der Mist wurde für die Düngung der Äcker verwendet. Je mehr Futter man also von den Wiesen ernten konnte, desto besser die Voraussetzungen für Ackerbau und damit das Einkommen der Bauernfamilien. An der letzten Station der Queichwiesenwanderung wartete Edwin Hilsendegen auf die Gruppe. Der 91-Jährige, Vater des IG Queichwiesen-Vorsitzenden Pirmin Hilsendegen, hatte eine Senke entdeckt, die entwässert werden sollte. Dazu hatte er neben einem Wiesenspaten auch ein bedrohlich aussehendes Wiesenbeil mitgebracht. Mit geübten Stichen und Schlägen entstand in kurzer Zeit ein zuvor genau abgesteckter, V-förmiger Graben, der das überschüssige Wasser zur Queich leitete. „Zu einer guten Bewässerung, gehört auch eine funktionierende Entwässerung“, erläuterte Pirmin Hilsendegen dazu. Er setzt sich zusammen mit den Mitgliedern der IG Queichwiesen dafür ein, das Bewässerungsprojekt ins bundesweite Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe aufnehmen zu lassen.

Das Wasser läuft, die Besucher freuen sich.
Das Wasser läuft, die Besucher freuen sich.
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