Kandel/Germering Angebliche „Kuppel-Aktivitäten“ des Kandeler VG-Bürgermeister sind üble Nachrede

AfD-gesteuerte Demo von „Kandel ist überall“ Anfang März 2018: Hinter dem Transparent (zweite von links) die Initiatorin Christi
AfD-gesteuerte Demo von »Kandel ist überall« Anfang März 2018: Hinter dem Transparent (zweite von links) die Initiatorin Christina Baum (AfD-MdL, Wahlkreis Main-Tauber), rechts neben ihr Myriam Kern (Ex-AfD-Stadträtin, Landau)

Dass Politiker beleidigt und bedroht werden, kommt immer öfter vor. Gestiegen ist aber auch die Zahl derer, die sich wehren. Auch der Kandeler Verbandsbürgermeister Volker Poß (SPD) hatte im Zusammenhang mit der AfD-gesteuerten Demo im März 2018 Anzeige wegen übler Nachrede erstattet. Eine Sprecherin des Bündnisses „Kandel ist überall“ wurde jetzt verurteilt.

Die frühere Kreisvorsitzende der AfD Dachau-Fürstenfeldbruck (bis März 2017), Elisabeth Amon (65), Künstlername Linda Amon, war Pressesprecherin des Bündnisses „Kandel ist überall“. In Kandel ist die ehemalige Bildzeitungs-Journalistin im Januar 2018 als Demo-Rednerin aufgetreten.

Vors Fürstenfeldbrucker Amtsgericht gebracht hat die Journalistin eine Äußerung im Sozialen Netzwerk Facebook im März 2018. In Kandel hatte im Dezember 2017 ein aus Afghanistan geflüchteter junger Mann seine 15-jährige Ex-Freundin erstochen. Der Fall schlug hohe Wellen: Rechtsextreme und rechtspopulistische Gruppierungen reisten zu Demonstrationen nach Kandel.

Rücktritt gefordert

Die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum rief zur Gründung des Bündnisses „Kandel ist überall“ auf. Als Pressesprecherin dieser Gruppierung schrieb Amon: „Wir fordern den überfälligen Rücktritt der Bürgermeister Tielebörger und Poß. Vor allem letzterer hatte mit seinen Kuppel-Aktivitäten, bei denen minderjährige Mädchen erwachsenen Einwanderern zugeführt wurden, zur Verschärfung der Situation und letztlich ihrer Eskalation beigetragen.“

Stumm auf der Anklagebank

Amon saß nun stumm auf der Anklagebank. Weder äußerte sie sich zu ihren Vorwürfen auf Facebook, noch machte sie Angaben zu ihrer Person. Die Staatsanwältin hatte aber keinerlei Zweifel, dass die Angeklagte die Zeilen verfasst hatte. Im Impressum der Mitteilung seien ihr Name und ihre Anschrift zu lesen.

Freispruch gefordert

Ihr Rechtsanwalt bestritt auch nicht, dass seine Mandantin die Zeilen verfasst hatte. Er war aber überzeugt: Ein Bürgermeister als öffentlicher Amtsträger dürfe kritisiert werden. „Das muss ausgehalten werden im Rahmen der Meinungsfreiheit“. Ansonsten wäre dies das Ende der Meinungsfreiheit, betonte der Anwalt in seinem Plädoyer. Er forderte den Freispruch seiner Mandantin.

Die Staatsanwältin und der Richter waren aber anderer Auffassung. Allein der Begriff „zugeführt“, verletze den Rahmen der zulässigen Äußerung. Er vermittle den Eindruck, dass junge Mädchen den Flüchtlingen ausgeliefert waren, betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.

Meinungsfreiheit überschritten

Auch der Richter war überzeugt: Der Bereich der Meinungsfreiheit wurde überschritten. Die Angeklagte habe falsche Tatsachen behauptet, mit dem Ziel, Poß herabzusetzen. Er hatte nämlich erläutert, welche Zusammenkünfte von einheimischen Kandeler Bürgern und Flüchtlingen es tatsächlich gegeben hatte. Er habe Räume zur Begegnung zur Verfügung gestellt, damit Asylsuchende, deren Betreuer und andere Interessierte sich austauschen können.

2000 Euro Geldstrafe

Amon wurde schließlich verurteilt. Sie muss wegen übler Nachrede eine Geldstrafe von 2000 Euro (50 Tagessätze zu je 40 Euro) bezahlen. Amon ist nicht die erste AfD-Politkerin, die für ihre Hetze im Netz grade stehen muss. So wurde im Jahr 2017 bereits die saarländische AfD-Politikerin Jeanette Ihme wegen Volksverhetzung verurteilt, die sie auf Facebook öffentlich gemacht hatte.

Kommentar:

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!

Von Andreas Lapos

Einen Bürgermeister, der sich um Flüchtlinge kümmert, mit Kuppelei-Vorwürfen auf eine Ebene mit Frauenhändlern und Zuhältern zu stellen: Das ist keine Meinung, da liegt das Gericht vollkommen richtig.

Das ist nicht nur dummer Quatsch, der viel über die Filme verrät, die im Kopfkino derer laufen, die ihn verbreiten.

Das ist vor allem niederträchtig: Gegen solch haltloses Gerede können sich die Betroffenen nur schwer wehren. Aber sie müssen es trotzdem tun. Denn das einzige was hilft, ist Strafe.

Vielleicht werden die enthemmten Schwätzer aus dem Schaden ja klug und lernen, ihre Meinung so zu formulieren, dass man darüber reden kann.

Dann können auch die Debatten beispielsweise über die (dringend notwendige) Zuwanderung endlich stattfinden, deren Ausbleiben von den gleichen Leuten immer wieder beklagt wird.

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