Kaiserslautern Zwischen Isolde und Daphne

91-71159817.jpg

Vom zaghaften Testballon avancierten die Treppenhauskonzerte der Apostelkirche inzwischen zu einer etablierten Sommerferien-Einrichtung. Der dort wirkende Presbyter und Musiker Holger Haase zeigte mit mutigen Soloprogrammen, dass solche Initiativen mit Publikumsresonanz belohnt werden, wenn sie in fundierten Ein- und Hinführungen vorbereitet werden. Dabei bietet Haase in diesem Jahr sogar jeweils eine abendliche Wiederholung um 19.30 Uhr an. Am Montag ging’s los.

Nach den Klangbeispielen der Kammermusik zauberte Haase jetzt erstmals ein kurioses Kleinod aus dem sprichwörtlichen Hut: Wer Richard Wagners bombastische Orchesterklänge kennt, war erstaunt, dass in der Oper „Tristan und Isolde“ im dritten Aufzug inmitten solcher orchestraler Opulenz eine elegische Ruhepassage eingearbeitet ist. Im bukolischen „Hirtenreigen“ beschreibt das Englischhorn, wie Tristan tödlich verwundet unter einer Linde liegt. Eine melancholische Kantilene im mäßig langsamen, fast schon schleppenden Tempo wurde von Haase in ausdrucksvollsten Linien und in superber tonlicher Ausgewogenheit bei sicherer Tonansprache zelebriert. Und zwar in den passenden, pastosen Klangfarben im verhaltenen Piano, was dem stattlichen Englischhorn noble Zurückhaltung auferlegte und Haases ausgereifte Tonbildung forderte. Die Dramatik eines Bühnengeschehens oder einer beschriebenen Begebenheit bildete auch bei dem zweiten Werk die kompositorische Grundlage: Zum ersten Mal entdeckte Holger Haase mit Grete von Zieritz eine Komponistin des 20. Jahrhunderts für sein interpretatorisches Anliegen, Raritäten zu präsentieren. Zwischen Wagners Solo für Englischhorn (um 1860 komponiert) und deren Monodram für Oboe d’ amore (von 1975) liegen rund 100 Jahre, und das hörte man. Obwohl Wagner mit seinem berühmten Tristan-Akkord schon den Rahmen der klassischen Dur-Moll-Tonalität sprengte, bewegte sich die deutsch-österreichische Komponistin und Spezialistin für Bläser-Solowerke auf noch freierem tonalen, harmonischen und rhythmisch-metrisch ungebundeneren Feld: Dem Solowerk für Oboe ist ein Begleittext zugeordnet, aus dem hervorgeht, wie einst ein verheirateter König die Frau eines Marquis begehrte und ihn für seinen Verzicht reiche Belohnung versprach. Das traurige Ende dieses Werbens setzte die Komponistin in schillernde, hochdramatische Töne, die in jähen Ausbrüchen und plötzlichen Stimmungswechseln die Spannung des Geschehens ausdeuten. Vor allem im Dialog des Königs mit dem Marquis drückt der Oboenpart zwei rivalisierende Klangwelten treffend aus. Die klanglichen und idiomatischen Möglichkeiten kennt und nutzt die Komponistin vortrefflich. Die Aulodie für Oboe solo von Gerhard Braun basiert auf dem Daphne-Mythos und behandelt das komplexe Thema um Daphnes Nachstellungen durch Apollon. Zitate aus der Musik von Strauss und eigene kompositorische Deutungen fließen bei Braun als Konglomerat zusammen. Spätromantische, lyrische Stellen werden durchsetzt mit experimenteller Spieltechnik und fantasieartig freier Gestaltungsweise. Dies verlangte dem Interpreten alles Erdenkliche an Charakterisierung und Stilisierung ab, wobei Haase trotz höchster Anforderungen durch die nötige Klarheit und Ruhe überzeugte. Einmal mehr erwischte Haase für seine Konzertreihe schweißtreibende Temperaturen und spielte dennoch alles souverän ohne jegliche Ermüdungserscheinungen. Respekt! Konzerte Heute und Freitag wird die Reihe um 12 und 19.30 Uhr in der Apostelkirche fortgesetzt; Eintritt frei, Spenden erbeten.

x