Kaiserslautern Volle Hütte
Viel Schweißgeruch, viele Papierschnipsel, viele Sonnenbrillen-im-Dunkeln-Träger: Zum dritten Mal hat sich die Völklinger Hütte bei Saarbrücken in der Nacht von Samstag auf Sonntag in eine riesige Freiluftdisco verwandelt. Tausende Fans elektronischer Musik tanzten zu dem, was gefeierte DJs auflegten – sogar mit Staubwedel und Schwimmnudel.
Mit der Völklinger Hütte hat das Saarland eine Sehenswürdigkeit, die sich mit dem Titel Weltkulturerbe schmücken darf. Wenn man so was schon vor der Haustür hat und für ein Festival nutzen darf, braucht man als Veranstalter nur noch ein gutes Line-up. Wie man so eines auf die Beine stellt, das beweisen die Electro-Magnetic-Macher nun schon zum dritten Mal. Ausverkauft. 10.000 Leute feiern zwischen Hochöfen, Waggons, Stahltreppen, Schornsteinen, Rohren und sonstigem Metall die Großveranstaltung, die vor zwei Jahren zum „Besten neuen Festival Europas“ gekürt wurde. Auch eine kleine Änderung gibt’s: Extra für die lange Nacht wurde eine App programmiert, die einen durch das Industriedenkmal navigiert, sollte man mal die Orientierung verlieren, weil man vielleicht ein Bierchen zu viel gekippt hat. Die Tanzflächen heißen Roheisenkanal, Schrottgleis, Erzplatz, Schrägaufzug, Handwerkergasse. Das hört sich nicht nur nach „Lärm“ an, sondern nimmt auch Bezug auf die Geschichte des 1873 gegründeten und 1986 stillgelegten Eisenwerks. Wo einst über 100 Jahre lang Eisen verhüttet wurde, drehen nun 50 Künstler an ihren Platten und Reglern. Von Dubstep über House bis hin zu Minimal – im Baudenkmal wird jeder Elektro-Fan glücklich. Das Duo Luccaluka aus Saarbrücken liefert harmonische Beats mit etwas Gesang. Dazu kann man richtig gut tanzen – sogar mit einem Staubwedel und einer Schwimmnudel, an deren Ende ein plüschiger Spongebob thront, wie ein Mann, wohl Mitte 30, unter Beweis stellt. Ein weiteres Musikpärchen, Andhim aus Köln, hat Super-House im Angebot. So bezeichnen Simon Haehnel und Tobias Müller ihre eigenen Produktionen und die Remixe, die sie für andere machen. Und das kommt an – auch im Roheisenkanal. Überall ist Staub, überall ist Schweißgeruch. Dicht an dicht stampfen Tausende vor der Hauptbühne auf den stellenweise geschotterten Boden. Zu den mal elegischen, mal aggressiv pumpenden Tech-House-Klängen von Moguai gibt’s jede Menge Großraumdisco-Effekthascherei. Flammen, Kunstnebel, Papierschnipselregen, Laserstrahlen und noch mehr Flammen. Interessanter – wenngleich weniger massentauglich – ist das, was die beiden Jungs von Aka Aka im Anschluss machen: Sie drehen an den Reglern, während Gastmusiker Thalstroem auf seiner Trompete spielt. Das Ergebnis: eine melodische Mischung aus Minimal und Pop, die im Kopf bleibt. Zugpferd ist dieses Jahr Kalkbrenner. Nicht der Paul, sondern der Fritz. Und der weiß genauso wie sein etwas bekannterer und vier Jahre älterer Bruder, wie man Tausende junge und jung gebliebene Leute weit nach Mitternacht bei der Stange hält. Keine 24 Stunden zuvor legte er noch auf dem Melt!-Festival in Sachsen-Anhalt auf. Und jetzt versorgt er – ohne Ermüdungserscheinungen – seine Fans im Saarland mit House-Songs. Dass es zwischen 3 und 4 Uhr am Sonntagmorgen immer mal wieder regnet, ist den meisten vor der größten Bühne schnuppe. Alle Hände gehen in die Luft. Erst recht bei einer extra langen Version des Hits „Sky and Sand“, der von Paul produziert und von Fritz Kalkbrenner mit Text und Gesang versehen wurde. Verliebte küssen sich. Die Nacht endet mit Gänsehaut.