Kaiserslautern Viel Spaß auch ohne Dirigenten

„Alle Jahre wieder“ verlegt das Pfalztheater das letzte Kammerkonzert des Jahres von der Werkstattbühne ins Große Haus, um dem immens großen Besucherandrang gerecht zu werden. Die als Adventskonzert konzipierte Veranstaltung bestand in der bewährten Kombination aus Musik, Lesung und szenischen Gags , wobei sich dennoch die stilistischen Schwerpunkte etwas verschoben.

„Gesetzt“ ist inzwischen der Schlagwerker Werner Brill, als Percussionist ebenso wie als verkleideter Weihnachtsmann, den er nicht nur verkörpert, sondern mit komödiantischem Talent auch spielt. Er sorgte für eine schöne Bescherung, als er die Musiker mit Glockenton zum Gabentisch herbeiklingelte und ihnen als Geschenk Blockflöten in verschiedenfarbiger Ausführung aushändigte. Wie die Kleinen im Kindergarten tröteten die Großen im ohrenbetäubendem Lärmen wild durcheinander, bis der Weihnachtsmann sie dirigierte und zu einem gemeinsam musizierten im Medley altbekannter Weihnachtslieder inspirierte. Auf dem ungewohnten Instrument faszinierten die zehn Streicher (sechs Violinen, zwei Bratschen sowie Cello und Kontrabass) dank spielerischer Flexibilität. Gesetzt und bewährt ist aber auch der Schauspieler Rainer Furch, der die Rezitation ausgewählter Weihnachtstexte vom Urgestein Geertje Nissen nahtlos übernommen hat, was bei dem Charme und Charisma seiner Vorgängerin eine wahre Kunst ist. Mit seiner eindringlichen und auf die Klimax zusteuernden Lesung arbeitete Furch mit hypnotisierender Wirkung ebenfalls die Quintessenz der Texte von Bertolt Brecht, Christina Kadel und Oscar Wilde heraus und charakterisierte die in den Geschichten vorkommende Personen. Das Streicher-Ensemble bildete zusammen mit dem Cembalisten Frank Kersting die grundsolide Basis für ein dieses Mal stilistisch abwechslungsreiches Musizieren aus verschiedenen Stilepochen. Die Tradition mit festlicher Barockmusik wurde zunächst mit Antonio Vivaldis Solokonzert für Piccolo-(Quer-)Flöte, Streicher und Basso Continuo gepflegt und fortgesetzt. Die Streicher agierten aus einer im Halbkreis angeordneten Position wie die legendären I-Musici di Roma; dabei ebenfalls ohne Dirigent, wobei Mari Kitamoto als inspirierende Primgeigerin für genaue Koordination der Striche und Einsätze sorgte, was in vollendeter Harmonie gelang. Ansonsten wies die in traumwandlerisch sicherer und atemberaubend brillanter Gestaltung auftrumpfende Solistin Laura Weiß den Pultkollegen jenen Grad an spielerischer Gelöstheit und schwereloser Eleganz zu, der Musik erst zu einem emotionalen Erlebnis macht. Dabei machte ihr Flötenpart eindringlich bewusst, dass hinter den glasklar ablaufenden Figurationen und anmutigen Trillerfiguren verborgene Motive durchschimmern, die hier zum Vorschein kamen. Eine Kunst, die auch der exzellente Continuo-Cellist Dieter Hehl beherrscht, der aus ostinaten Basslinien die melodische Substanz mit gestalterischem Nachdruck herausstellte. Eine weitere Lichtgestalt war die zweite Solistin, Harfenistin Konstanze Licht: Ihr Instrument gehört seit seiner Verbreitung vor mehr als 2000 Jahren vor unserer Zeitrechnung zu den ältesten und symbolträchtigsten. Und die Interpretin entdeckte in dem impressionistischen Klangbeispiel Debussys – den „Danses sacrée et profane“ für Harfe und Streicher – alle Facetten der denkbaren Klangfarben bei absolut souveräner und tadelloser Grifftechnik. Ein Orchester wie das des Pfalztheaters mit Erfahrung in allen Genres und Gattungen wie Oper, Operette, Musical, Ballett- und Filmmusik sowie Sinfonik und Kammermusik, wen wundert’s da, dass mit dem Weihnachts-Klassiker „Jingle Bells“ selbst eine verjazzte Version mit spielerischen Effekten nicht „vergeigt“ wurde, sondern ebenfalls richtungsweisend gelang. Und mit dem in klanglicher Homogenität und Expressivität schwelgenden Variationszyklus von Anton Arensky (über einem Thema von Tschaikowski) spielte das bestens disponierte Streicherensemble nochmals eindrucksvoll seine Stärken voll und ganz aus. Kann eine Aufführung ohne Dirigent noch mehr Spaß machen? (rhe)

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