Kaiserslautern Größer, schärfer, höher aufgelöst

„Tatort“ ist Pflichtprogramm: „Vor allem im Winter, wenn es draußen so richtig mies ist.“ Erst die Dauerbrenner-Serie Lindenstraße, dann noch rasch die Fallers, Landes-Nachrichten folgen, darauf die Tagesschau, Punkt 20.15 Uhr der Kult-Krimi. Christa Fuchs’ anheimelnder Sonntagabend-Plan für die dunkle Jahreszeit klingt gar nicht übel. Und dürfte wohl kaum einzigartig sein. Horst Cherdron allerdings kann sich dafür nicht erwärmen: „Ich hab’ überhaupt keine Zeit für sowas.“ Er liegt, während die Tatort-Ermittler zuverlässig und vorhersehbar ihre Fälle lösen, bereits in der Falle, muss er doch am Montagmorgen pünktlich in die Schule. Auch Katja Kreischer schaut kaum mal fern. „Es gibt Wichtigeres – ich bin da raus.“ Andreas Hammer guckt allenfalls Fußball, auch mal einen Thriller, gönnt sich ein unbeschwertes Sonntags-Zapping. Sie alle aber besitzen, wie auch Bernd Mischler, immerhin einen Fernseher. So wie (fast) alle Deutschen. Die schauen angeblich durchschnittlich 221 Minuten pro Tag in die Röhre – oder besser: auf den Elektronen- oder Plasma-Bildschirm. In 95 Prozent aller Haushalte steht zumindest ein Gerät. „Bei vielen sind es aber mehr. Im Wohn- und Schlafzimmer, im Bügelzimmer“, weiß Christa Fuchs aus Hütschenhausen. Sie kennt sich mit Fernsehern aus. Von Berufs wegen, arbeitet sie doch im Elektro-Fachgeschäft von Ehemann Peter in Bruchmühlbach-Miesau mit. Größer, kontrastreicher, schärfer, höher auflösend – das sei heute gefragt. Die technische Entwicklung sei rasant, so verkürzten sich die Rhythmen der Neuanschaffung merklich. Dem Fachhandel nutze das wenig, allenfalls der Internet-Handel profitiere davon, ist Fuchs’ Erfahrung. Meist auf messerscharf abbildenden Bildschirmen schauen überwiegend die Älteren fern. Denn inzwischen nutzen 16- bis 24-Jährige das Internet schon häufiger als das Fernsehen. Adrian Jakubowicz kann das bestätigen. „Nein, Fernsehen spielt nicht wirklich mehr eine Rolle“, sagt der 16-Jährige aus Steinwenden-Weltersbach. Für ihn nicht, auch nicht für seine Schulkameraden und Freunde. Sie sind abgewandert. Videoplattformen im Internet erlauben heute den Luxus, aus einem viel größeren Angebot auszuwählen, zum anderen gerade dann zu schauen, wann man eben Lust oder Zeit hat. An vorgegebene Programme ist niemand mehr gebunden, die Programmzeitschrift hat praktisch ausgedient; heute wird „gestreamt“. Dieser Effekt kann sich positiv auf die Gemeinschaft auswirken: „Heute fehlt keiner mehr im Training wegen eines Fernsehfilms“, so die Erfahrung von Andreas Hammer. Der Chef des Fußballvereins Kindsbach trainiert eine Juniorenmannschaft. 15-, 16-jährige Jungs, die allenfalls Spiele der Champions League in Echtzeit verfolgen, ansonsten aber kaum mehr zeitgebunden fernsehen. Hammers Sohn Jeremy, ein Comedy-Fan, schaut zwar schon mal mit seiner Mutter zusammen einen Horrorfilm, wie Hammer lachend bekundet. Aber Freizeit am Fernsehprogramm ausrichten? Das war gestern. Internet macht’s möglich. Eher noch schauen die nicht mehr ganz jungen Mitbürger auf Sendezeiten. Aber wohl ebenfalls nicht mehr allzu lange. „Die heute 60-Jährigen sind mit Smartphone und Laptop unterwegs“, sagt Bernd Mischler. Dem wird Rechnung getragen, sogar bei der Planung von Seniorenwohnungen. Mischler ist Leiter des DRK-Wohn- und Dienstleistungszentrums in Weilerbach. Dort ist ein Fernsehanschluss natürlich Standard. Mehr zurzeit noch nicht – anders als in neueren Häusern. Laut Mischler verfügen die ebenfalls vom DRK-Kreisverband Kaiserslautern-Land getragenen Seniorenzentren in Queidersbach und in Ramstein-Miesenbach über einen mit dem obligatorischen Fernsehanschluss verbundenen Internetzugang in allen Wohnräumen. Surfen via Flachbild-TV hat in den Wohnzimmern Einzug gehalten, in denen die Deutschen durchschnittlich im Jahre 1992 noch 158 Minuten pro Tag das Fernsehprogramm nutzten, der tägliche Konsum bis 2014 auf vier Stunden angestiegen ist. Die Kurve aber sinkt seit dem Jahr 2007. Auch Kinder schauen weniger, entdecken das Medium Internet. „Mein siebenjähriger Enkel guckt ,Löwenzahn‘ und ,Die Sendung mit der Maus‘. Ich denke aber nicht, dass das noch allzu viele andere auch tun“, sagt Horst Cherdron. Der Ramsteiner ist Leiter der Grundschule Mackenbach. „Da kommt schon mal ein Achtjähriger und sagt: ,Ich hab’ am Freitag einen Laptop gekriegt – und habe am Samstag und Sonntag nur gespielt‘“, weiß Cherdron aus Erfahrung. Fernsehen sei nicht mehr das Nonplusultra, nicht mehr Kindervergnügen Nummer eins. Ein gewisser Einfluss sei jedoch noch auszumachen, ist die Erfahrung von Katja Kreischer. „Auch wir Erzieherinnen lernen da Neues. Ich habe hier erst von Elsa erfahren“, sagt die Leiterin der Janusz-Korczak-Kindertagesstätte in Weilerbach amüsiert. Bei den Mädels sei „Eiskönigin Elsa“ ein Hype. Die Disney-Figur ist via Fernsehen zur Berühmtheit gelangt. Und die Kinder schauten eben zu Hause schon noch fern – während allerdings im Kindergarten selbst kein Fernseher zu finden ist. Berieseln und Kinder durch den Fernseher ruhig zu stellen, das sei kein adäquates pädagogisches Konzept, findet Kreischer.

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