Kaiserslautern Vor 200 Jahren: Als es Westpfälzer nach Brasilien zog

Einblick in eine neue Welt: Roberto Jaguaribe Gomes de Mattos (links) sieht sich die Exponate mit einer VR Brille an.
Einblick in eine neue Welt: Roberto Jaguaribe Gomes de Mattos (links) sieht sich die Exponate mit einer VR Brille an.

Vor 200 Jahren verließen Bürger aus der Westpfalz und dem Hunsrück ihre Heimat gen Brasilien. Seit Sonntag erinnert die Ausstellung „Neuland“ im Wadgasserhof des Stadtmuseums daran. Die Auswanderung war der Beginn einer langen Geschichte, in der sich Menschen aus Deutschland nach Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens aufmachten.

Die Stuhlreihen in der Scheune des Theodor-Zink-Museums waren gut gefüllt, als die städtische Beigeordnete Anja Pfeiffer an den Sommer 1824 erinnerte. Damals machten sich deutsche Siedler von Hamburg aus mit dem Schiff in Richtung Brasilien auf. Pfeiffer erinnerte daran, dass es Leopoldine, die erste Kaiserin des unabhängigen Brasiliens gewesen sei, die Auswanderer nach Sao Leopoldo zur Besiedlung des Landes angeworben hatte. „Für die Aussiedler muss es Neuland in jeder Beziehung gewesen sein, ihr Leben in Brasilien in Einklang zu bringen“, sagte sie. Heute formiere sich portugiesisches und brasilianisches Leben in Kaiserslautern, so die Beigeordnete mit Blick auf ein lokales und überregionales Begleitprogramm zur Ausstellung.

Jürgen Hardeck, Staatssekretär des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration, räumte eine Bildungslücke ein: Er habe nur von Auswanderern nach Nordamerika gewusst. Mut und Hoffnung in ein neues und besseres Leben hätten die Auswanderer vor Augen gehabt, als sie in den Süden Brasiliens aufgebrochen seien. Briefe und persönliche Geschichten ließen ihre Erfahrungen heute lebendig werden.

Parallelen zwischen Brasilien und Deutschland

Wie die Menschen in der Region von Unwetter heimgesucht werden, seien auch die Bewohner im Süden Brasiliens davon betroffen. Gleichzeitig zeigten Spendenaktionen eine große Hilfsbereitschaft. Weiter betonte Hardeck, ein Ankommen von Fremden sei nicht immer unproblematisch und konfliktfrei. Menschen, die heute ihre Heimat verließen würden eher als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet, merkte er an.

Roberto Jaquaribe Gomes de Mattos, der brasilianische Botschafter in Deutschland, sprach vom 200. Jahrestag als einem Meilenstein in der Beziehung zwischen Brasilien und Deutschland. Die deutschen Einwanderer hätten eine wichtige Rolle bei Brasiliens Entwicklung gespielt. Beiträge der Einwanderer und ihrer Nachkommen seien in Wissenschaft und Technik, in Kultur und der Politik sichtbar. „Zwei Präsidenten Brasiliens haben deutschen Ursprung“, berichtete er. Die deutschen Einwanderer seien ein erster Schritt im internationalen Integrationsprozess gewesen. Der müsse weiter vertieft werden.

Perspektivwechsel: Heute ist Deutschland das Ziel für Zuwanderer

„Heute ist Deutschland das Land für Zuwanderer. Und es wird mehr werden, weil Flüchtlinge nicht in ihrer Heimat leben können“, sprach Klaus Weichel, stellvertretender Vorsitzender des Bezirkstages Pfalz, auch davon, dass dies schnell zur Überforderung bei der Integration führen könne. Ohne asylrechtliche Wartezeiten habe sich die bäuerliche Bevölkerung der Pfalz damals in die USA und nach Brasilien aufgemacht. Als Gründe nannte er ein starkes Bevölkerungswachstum und wenig Nahrung. Dass die Auswanderer in ihrer neuen Heimat sesshaft geworden seien, daran erinnerten heute noch Volksfeste mit „Kerwe-Charakter“. Interessenten empfahl Weichel einen Blick in die große Auswandererkartei des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde, an der Roland Paul, der verstorbene Leiter der Einrichtung des Bezirksverbandes, große Verdienste habe.

Fotoausstellung in der Fruchthalle schlägt Brücke zur Ausstellung

„Es war ein Traum vieler Menschen vor 200 Jahren, in Brasilien ein besseres Leben zu beginnen“, sagte Bernd Klesmann, der Leiter des Stadtmuseums. Als technologische Pionierleistung bezeichnete er sechs 3D-Modelle der Ausstellung, die mithilfe einer virtuellen Brille einen Einblick in das Siedlerleben der Westpfälzer in Brasilien geben. Der Beitrag stammt vom Fachbereich Virtual Design der Hochschule Kaiserslautern.

Stimmungsvoller als mit „Mas Que Nada“ einem brasilianischen Bosanova, hätten Bernhard Vanecek (Posaune) und Freddie Punstein (Sousaphon) die Ausstellung nicht eröffnen können. Ebenso passend der Schlussakkord mit dem Titel „Pfälzer Prärie“.

Vom Stadtmuseum aus zog es viele Besucher in die Fruchthalle. Dorthin hatte Kulturreferatsleiter Christoph Dammann zu einer Fotoausstellung geladen. In ihren Arbeiten haben Marina Klink, Jörg Heieck und Ray Albuquerque Momentaufnahmen von Natur, Landleben und Menschen in Brasilien festgehalten.

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