Kaiserslautern Glas und Beton: Die Antwort auf Götter und Ritter

20 Millionen Euro haben die Sanierung und der neue Anbau des Bayreuther Richard-Wagner-Museums gekostet. Eingeweiht wurde es zu Beginn der diesjährigen Festspiele mit viel politischer Prominenz. Der Neubau des Berliner Büros Staab-Architekten wurde zu Recht gefeiert. Vergessen war da schon, dass man eigentlich zwei Jahre zu spät dran war. Denn im Jubiläumsjahr 2013 standen die Besucher vor einer geschlossenen Baustelle.

Ausgerechnet braun. Bedrückend, beklemmend braun ist die Art-Déco-Vertäfelung im Untergeschoss des Siegfried-Wagner-Hauses. Der Sohn des Meisters hatte sein Domizil 1893 errichten lassen, seine Frau Winifred hat es immer wieder erweitert und ausgebaut. Das hier ist ideologisch vermintes Gelände, weshalb es auch nur schlüssig ist, dass in diesem links von der Villa Wahnfried stehenden Gebäude der ideologiegeschichtliche Teil des Wagner-Museumskomplexes untergebracht ist, während sich das Haupthaus mit Werk und Leben Richard Wagners beschäftigt und der neue Anbau die Aufführungsgeschichte der Festspiele mit Kostümen und Bühnenbildmodellen thematisiert. Auch Platz für Wechselausstellungen gibt es dort. Hier wird eigentlich nur das Haus selbst ausgestellt. Tatsächlich ein braunes Haus, schließlich war der Führer hier häufig zu Gast. In diesen Räumen muss es gewesen sein, wo die späteren Festspielleiter und Wagner-Enkel Wieland und Wolfgang bei Adolf Hitler auf dem Schoß saßen. Möbel gibt es keine, die Vertäfelung spricht für sich, und die eingebauten Video-Würfel, die wie Stolpersteine wirken und auf denen die Verstrickung der Familie Wagner und der Festspiele in die NS-Ideologie thematisiert wird. Einzig im Kaminzimmer, in dem Hans-Jürgen Syberberg in den 1970er Jahren jenes berühmte Interview mit Winifred Wagner aufgezeichnet hat, in dem sie sich immer noch zu Hitler bekannte, stehen noch Möbel. Bis zur Neueröffnung wurde es vom Museumsteam als Besprechungszimmer genutzt. Eine irgendwie gespenstische Vorstellung. Winifred Wagner ist der Unstern in der Familiengeschichte der Wagner-Dynastie. Unbelehrbar in ihrer Bewunderung für den Führer auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie sprach immer von „USA“, von „unserem seligen Adolf“, wenn sie sich mit Gesinnungsgenossen im Siegfried-Wagner-Haus zum Tee im Pavillon traf. Irgendwann wurde es ihrem Sohn Wieland, der sich mit seiner Familie ein Haus in die Wahnfried-Ruine hatte einbauen lassen, zu bunt. Er konnte die Mutter samt ihrer Altnazis nicht mehr sehen und ließ eine Mauer zwischen deren und seinem Haus errichten. Von den Spuren der Familie Wieland Wagners ist in Haus Wahnfried nichts mehr zu sehen. Bereits 1976, zum Festspieljubiläum, wurde das Haus im Haus abgerissen, um dem Zustand der Wahnfried-Erbauungszeit wieder näher zu kommen. Jetzt, nach der dreijährigen Sanierung, sieht Wahnfried wieder so aus wie zu Richard und Cosimas Zeiten. Was an Möbeln und Einrichtungsgegenständen die Bombardierung 1945 überlebt hat und wieder zu besorgen war, steht in dem Museum, etwa der Steinway, auf dem Wagner komponiert hat. Aufgrund von Fotos hat man auch die Standorte der restlichen Möbel ermittelt. Deren Form wurde nachgebaut und mit Hussen überzogen. So stehen sie nun quasi als Dummies in der Gegend herum. Nike Wagner, die auf dem von Katharina beherrschten Hügel eher ungern gesehene Wieland-Tochter, stellte sich denn auch in ihrer Rede bei der Eröffnungsfeier scherzhaft als Exponat zur Verfügung, um mehr Authentizität in Wahnfried zu erreichen. Ansonsten erinnert vieles in der Villa, in der Wagners „Wähnen Frieden fand“ an Reliquienschreine. Was vom Meister zu haben ist, sei es eine Haarlocke in einer Dose mit einem Bildnis Ludwig II., sei es seine Reisetasche oder einer seiner luxuriösen Samtanzüge, wird gezeigt und bereitet den Wagner-Jüngern aus aller Welt sicherlich wonnige Schauer. Der Musikinteressierte wird sich vor allem in der Schatzkammer wohlfühlen. Die ist unter dem Haus entstanden und stellt abwechselnd Originalpartituren aus. Zudem gibt es eine interaktive Partitur, mit deren Hilfe man nicht nur anhand von verschiedenen Tonbeispielen Motive, Tonarten und Klangfarben heraushören und -lesen kann, sondern sogar die einzelnen Instrumentengruppen eines Wagner-Orchesters. Bei den Aufnahmen mit dem Frankfurter Museumsorchester unter Sebastian Weigle hierfür wurde jeder einzelne Musiker mit einem eigenen Mikrofon versehen. Unterirdisch gelangt man von Wahnfried in den neuen Museumsanbau, der die Villa in Symmetrie zum Siegfried-Wagner-Haus auf der rechten Seite flankiert. Der Berliner Museumsarchitekt Volker Staab hat den in seiner Schlichtheit und Klarheit faszinierenden Bau so in das Parkgelände der Villa Wahnfried integriert, dass auch dessen Originalzustand wieder hergestellt werden konnte. Der von Glas und Beton dominierte Bau wirkt wie ein Kontrapunkt zu den emphatischen und überborden fantastischen Wagner-Welten, für die Wahnfried steht – wie ein Einspruch des Alltäglichen zur Ritter-, Mythen- und Götterwirklichkeit der Wagner-Partituren.

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