Kaiserslautern Frühling in seinen Facetten

Großes Aufgebot: das Sinfonieorchester des Landkreises und der Uni-Chor unter Christian Weidt.
Großes Aufgebot: das Sinfonieorchester des Landkreises und der Uni-Chor unter Christian Weidt.

Der Landkreis Kaiserslautern kann stolz sein auf sein Sinfonieorchester. Unter dem Motto „Frühlingsfreud’ – Frühlingsleid“ bot das SOKL zusammen mit dem Chor der Technischen Universität Darmstadt unter Leitung von Christian Weidt am Sonntag in der fast ausverkauften Fruchthalle starke programmatische Musik und imponierte mit eindrucksvollen musikalischen Bildern. Nahezu 200 Musiker standen dabei auf der Bühne. Viel mehr hätten nicht darauf gepasst.

Seine starke Handschrift zeigte Weidt bereits im ersten Satz (Der Frühling kehrt zurück) aus der Symphonie Nr. 8 „Frühlingsklänge“ von Joachim Raff, der im 19. Jahrhundert einer der bedeutendsten Komponisten war. Dunkel klingende Celli steigen langsam und bedächtig wie aus dem Nichts empor. Aus dem Pianissimo heraus wächst das Orchester in stetigem Crescendo zu voller Klangpracht. Man spürt förmlich, wie die Knospen aufspringen, ja sogar explodieren und sich zu herrlichen Blüten entfalten. Ein differenziertes Stimmengeflecht, das der Dirigent sehr schön herausarbeitet. Die perfekt geplante Form erstrahlt in vollem Licht. Das Spiel des Orchesters ist reich an Klangfarben und Assoziationen und verbindet Eleganz und Schmissigkeit mit einer zielbetonten Prägung. Das ist ein intellektuelles Vergnügen mit feurigem Temperament. In puncto Klangkultur, Ensemblespiel und Flexibilität agiert das Orchester vorbildlich. Eine staunen machende Kunst aus einer sicheren, energischen Hand: klar in der Disposition und Dramaturgie, klanglich differenziert, deutlich in der Struktur, kontrastreich. Und wo nötig, auch dramatisch und anpackend, wie in dem Höllentempo des furiosen Finales. Aus dem Pianissimo heraus crescendiert auch die „Frühlingsbotschaft“, op. 35, des Dänen Niels W. Gade (1817 bis 1890), bevor der Chor der TU Darmstadt (Einstudierung: Jan Schumacher) sich über dem Orchester zu mächtigem Gesang aufschwingt. Die klangliche Homogenität zwischen den beiden Ensembles ist berückend, die Intonationsreinheit bis in extreme Lagen und ins Pianissimo atemberaubend. Animiert und kontrastreich ist auch das Orchester, wobei immer wieder der Hornist mit makellosem Ton herausragt. Ein meisterhaftes Frühlingsraunen weht durch Alexander Glasunows „Frühling“, op. 34, das der Russe im Alter von 25 Jahren komponiert hat. Das Frühlings-Frühwerk verrät nicht nur einen sensiblen Komponisten, sondern auch einen sensiblen Dirigenten. Seine Meisterschaft lässt das Orchester aufblühen. Da ist nicht nur frisches Grün und Blumenduft musikalisch wahrzunehmen. Über weite Strecken kommt es leicht und duftig daher, die Holzbläser sind das ein und andere Mal als trillernde und zwitschernde Vögel durchzuhören. Mit Glöckchen meldet sich der Frühling an, und wer genau hinhört, kann sogar das Gras wachsen hören. Das ist ein geschäftiges Quietschen und Austauschen von Tönen. Man fühlt sich von einem ganzen Strom von Klängen übergossen, wobei sich Flöten, Klarinette, die Piccoloflöte, Xylophon und immer wieder das exzellente Horn und die ziselierenden Streicher sich gegenseitig zu übertreffen suchen. Mit rhythmischer Spannkraft und leuchtenden Farben realisiert Weidt auch den „Chor der Landsleute“ aus Smetanas „Die verkaufte Braut“. Das Stimmengeflecht zwischen Chor und Orchester bleibt auf allen Ebenen gegenwärtig, nicht zuletzt, weil an allen Pulten höchst lebendig gespielt wird, temperamentvoll mitreißend, frisch und locker in den Koloraturen, wortdeutlich und mit Ausdruckskraft der Chor, der sich vom Orchester nicht unterkriegen lässt. Edward Elgars „The Black Knight“ (Der schwarze Ritter) liegt der Ballade von Ludwig Uhland zugrunde und ist eines der frühen bedeutenden Chorwerke des Engländers. Unterstützt vom Orchester übernimmt der Chor hier sämtliche Hauptrollen inklusive der Handlungsschilderung und Dialoge. Das Stück erzählt, wie der Tod in Gestalt eines Ritters die Pfingstfeierlichkeiten stört und Unglück über ein Königreich bringt. Die gut halbstündige Kantate (1893) ist eine Tour de Force für die Gestaltungskraft von Chor und Orchester und bietet ein packendes Konzerterlebnis. Gespenstisch im Pianissimo stellt sich der unheimliche Gast, von tiefen Klarinettentönen begleitet, vor. Tiefe Bläser (Tuba und Posaunen) und tiefe Streicher intonieren das Motiv des schwarzen Ritters. Chor und Streicherstaccati deuten den Ritt und das Gestampfe der Hufe an. Mit wuchtigen chromatischen Abwärtsbewegungen unterstreicht der Chor das Erbeben der Burginsassen, schreit plötzlich heraus, dass der Königssohn mit dem ersten Stoß aus dem Sattel gehoben wird und fällt in ein schockierendes Piano. Süß, betörend, verführerisch und bedrohlich klingt die Oboe beim Tanz des Todes mit der Königstochter. Nervöse Streicher weisen darauf hin, dass bei dem Fest etwas nicht stimmt. Gruselig, schaurig, finster endet die Kantate schier im Nichts verhauchend, um schließlich vollends im Ton zu ersterben. Grandios. Opulent dargeboten wie ein spannender Abenteuerfilm. Stürmische Begeisterung für eine absolute Höchstleistung von allen Beteiligten, die sie mit der Zugabe (ein Ausschnitt aus Elgars „From Bavarian Highlands“) noch einmal steigern.

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