Kaiserslautern Es brodelt ganz gewaltig

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Silberhochzeit feiert in diesem Jahr die französische Jazzsängerin Cécile Verny mit ihrem Quartett. Da ist alles schon Routine. Sollte man meinen. Aber denkste! Im Cotton Club stellte die in Freiburg lebende Sängerin mit afrikanischen Wurzeln am Donnerstagabend ihr aktuelles Livealbum „Memory Land“ vor und überraschte dabei mit ganz neuen Sounds. Das Publikum war hin und weg.

Welch ein Sound! Welch eine Stimme! Dem Hörer läuft es kalt und heiß den Rücken runter. Im hautengen, knielangen, nachtblauen Kleid steht Verny vor dem Mikro und beginnt gleich mal aus voller Seele zu scatten. In beschwörend-expressiver Weise zelebriert sie ihren Eingangssong „I Would“ (von Bernd Heitzler), dass Zunge und Lippen nur so schnalzen. Einen Rückblick wolle sie geben über die 25 Jahre ihrer Bandgeschichte, verrät sie, die sie jetzt aber ganz neu interpretieren wolle. Der RHEINPFALZ vertraut sie an, dass sie niemals im Leben Gesangsunterricht gehabt habe. „Ich habe immer drauflos gesungen. Erst vor drei Jahren nahm ich Unterricht bei einer Gesangslehrerin in Dänemark. Diese Frau brachte mir ganz neue Ausdrucksweisen bei.“ Dieser neue Stil hat unglaublich viel Raum bekommen. In Balladen wie dem traumhaft schönen „How Do I Love Thee?“ ist ihre charismatische Stimme sanft und einschmeichelnd, in rockigen Stücken wie „No ID“ versteht sie schneidend ordentlich loszuröhren. Ihr stimmliches Repertoire ist grenzenlos. Neu gelernt hat sie ethnische Vocals aus Norwegen, Osteuropa oder Afrika. „Back to the roots“ könnte man sagen. Intensiv hat sie an richtigen Sounds gefeilt, Verhältnisse und Atmosphären verändert, und so ist ihr etwas ganz Besonderes gelungen. Verny schafft sich dabei Freiräume im Geiste der Tradition, revitalisiert den Jazz zu einem Powerpack voller Poesie, die in ihrem feinsinnigen Charme so einfach daherkommt. Und doch von so kulinarischer Wärme, von so diesseitiger Ursprünglichkeit ist, dass man vor ihr den Hut ziehen muss. Da wird ihre Stimme zum Instrument. Sie flüstert und schreit, singt samtweich und steigert sich bis zum exzessiven grellen Schrei, dann wiederum ist sie in sich gekehrt oder singt sich wie in „No ID“, das von Flucht und Vertreibung handelt, alles Leid der Welt von der Seele. Mit ihren Mitstreitern versteht sich Verny perfekt. Da werden von Andreas Erchinger (Tasten), Bernd Heitzler (Bass) und Lars Binder (Percussion) sanfte Impulse gesetzt, es dominiert die Kunst der Reduktion. Entschlackt von üppigem Beiwerk gibt es Passagen von purer Essenz. Die sparsam instrumentierten Stücke verbindet ein imaginärer Fluss, und doch brodelt, summt und zischt es zuweilen ganz gewaltig. Wobei jeder Einzelne durch seinen ganz individuellen Stil Punkte sammeln konnte. Die Zuhörer waren total begeistert und forderten eine Zugabe heraus.

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