Kaiserslautern Der Ursprung liegt in Westpreußen

Wolfgang Behrendt-Henn will seinen Betrieb an einen Jungmeister übergeben.
Wolfgang Behrendt-Henn will seinen Betrieb an einen Jungmeister übergeben.

Wolfgang Behrendt-Henn, ein sympathischer Mann von Mitte 70, muss ein wenig schmunzeln, wenn er von der Historie seiner Firma erzählt. Und lässt den Schreiberling, der vor ihm in dem kleinen Büro in der Zollamtstraße 62 sitzt, einige Male staunen. Welch eine Unternehmensgeschichte!

Doch fangen wir mal ganz vorne an. Vor 131 Jahren. In der Stadt Elbing im damaligen Westpreußen macht sich ein gewisser Richard Behrendt als Dachdecker selbstständig. Er muss ein tüchtiger Handwerker gewesen sein, denn binnen weniger Jahre beschäftigte der zum Obermeister der Dachdecker-Innung aufgestiegene Behrendt 40 bis 50 Mitarbeiter. Eine für die damaligen Verhältnisse um die Jahrhundertwende enorme Zahl. Richards Sohn Richard Helmut trat in die beruflichen Fußstapfen des Vaters und sorgte für reichlich Nachwuchs: zehn Kinder. Von denen erlernten vier Buben das Dachdecker-Handwerk. Zwei stürzten vom Dach und erlitten tödliche Verletzungen. Als Kriegsvertriebene siedelten die Behrendts in Kaiserslautern an. Richard, der Sohn von Richard Helmut, nahm den Vater auf und arbeitete bei der Firma Voegeli. Und fand sein privates Glück: Er ehelichte Erna Henn, deren Mann, einst Polstermeister bei Betten-Ziegler, nicht aus dem Krieg heimgekehrt war. Henn war der Vater des heutigen Firmeninhabers, deshalb dessen Nachname Wolfgang Behrendt-Henn. Doch zurück zu jenen Nachkriegsjahren: Wolfgang war zweieinhalb Jahre alt, als der Vater fiel; er lernte ihn nie richtig kennen. Richard adoptierte den kleinen Wolfgang, der heute schmunzelnd erzählt, dass „es wohl bei der Mutter und seinem Stiefvater gefunkt hat, als dieser das Dach in deren Haus repariert hat“. Richard konnte den Betrieb offiziell erst 1951 übernehmen, nachdem er die Meisterprüfung bestanden hatte. Und er erwies sich als ungemein engagierter, korrekter und fleißiger Handwerker mit einer Frau an seiner Seite, die tatkräftig mithalf, das Unternehmen aufzubauen. Wolfgang nennt ein Beispiel: ,,Mit einem Handkarren voller Ziegeln sind sie zum Beispiel auf eine Baustelle nach Hohenecken gefahren. Und die Mutter hat dort die Ziegel zum Vater aufs Dach hochgeworfen.“ Und ergänzt lächelnd: „Das erste Firmenfahrzeug war ein Fahrrad.“ Dass das Leben in den Aufbaujahren und danach für Richard nur aus Arbeit bestand, verdeutlicht ein Satz seines Stiefsohnes: „Der Vater war nie in Urlaub.“ Wolfgang Behrendt-Henn hatte ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Stiefvater, das auch durch einen kurzzeitig geäußerten Berufswunsch des Filius („ich wäre gerne Innenarchitekt geworden“) nicht getrübt wurde. Die Eltern hatten den Handelsschul-Absolventen „geschickt in den elterlichen Betrieb gelenkt“ (O-Ton Wolfgang). Wie das damals auch üblich war, der Nachwuchs fügte sich. Ohne Murren, denn zwischenzeitlich hatte er Gefallen an dem Dachdecker-Handwerk gefunden. 1969 absolvierte er die Meisterprüfung. Wolfgang Behrendt-Henn gehört zu den Handwerkern, die sich um ihren Berufsstand intensiv Gedanken machen. Acht Jahre war er Obermeister der Innung und folgte seinem Stiefvater, der dieses Amt zwölf Jahre mit Enthusiasmus bekleidet hatte. Der aktuelle Inhaber, der seinen Betrieb auf zwei Mitarbeiter von einst über zehn reduziert hat, erwähnt nicht ohne Stolz: „Von den neun Lehrlingen, die ich ausgebildet habe, sind sechs selbstständig Meister geworden.“ Und er ergänzt: „Seit der Betrieb existiert, musste noch kein Prozess geführt werden.“ Er verweist auch auf schwarze Schafe in der Branche, die als „Dach- und Fassadenhaie“ vor rund 30 Jahren ihr Unwesen getrieben und manche Hausbesitzer um sehr viel Geld erleichtert haben. Heuer ist für einen Dachdecker, wenn er einen Betrieb aufmacht, ein Meisterbrief Pflicht. Der bald 75-Jährige sieht seinen Berufsstand für die Zukunft existenziell gesichert. Weil Dachdecker und Bauspengler eben immer benötigt werden. Die Zahl der Betriebe wächst ständig. Und er erklärt: „In manch anderen Handwerksberufen versucht sich der eine oder andere als Heimwerker. In unserem Beruf ist das kaum möglich. Wer steigt schon gerne aufs Dach und arbeitet dort oben.“ Und die Zukunft seiner Firma? Da bahnt sich das Ende an. Wolfgang Behrendt-Henn sagt es ohne Bitterkeit: „Meine beiden Enkel, Tim (22) und Florian (25), haben ebenso wenig Interesse, wie mein Sohn Yanick (25) aus zweiter Ehe mit meiner Frau Viviane Pierre.“ Eine Ausnahme machte in dieser Hinsicht seine Tochter Meike (48), die sich einst zur Dachdeckerin ausbilden ließ und laut dem Vater auch sehr viel Begabung in diesen Beruf mitbrachte. Nach zwei Kindern sagte sie jedoch der zeitaufwendigen und körperlich anstrengenden Tätigkeit ade und ließ sich zur Altenpflegerin umschulen. So schultern er und seine aus Frankreich stammende Frau, die als Geschäftsführerin fungiert und die Bürotätigkeit erledigt, den Ablauf des Handwerkbetriebs, der, und darauf verweist Berendt-Henn nicht ohne Stolz „zwischen 280 und 300 Stammkunden hat“. Das Ende einer Ära naht also. Inzwischen hat sich der ehemalige Innungs-Obermeister mit dem Gedanken angefreundet, eventuell noch in diesem Jahr an einen bisher noch nicht gefundenen engagierten Jungmeister den Betrieb zu übergeben. Den letzten Anstoß dazu gab wohl ein Herzinfarkt vor zwei Jahren. Auch wenn ihm der Abschied vom langen Berufsleben nicht leicht fällt, freut er sich auf den Ruhestand, auf Besuche mit seiner Frau in deren Heimat Südfrankreich und zu seinen Schwiegereltern, die in Paris leben. Und wenn er in Kaiserslautern oder in der Umgebung mal spazieren geht, kann er an den Häusern, auf deren Dächern er irgendwann einmal gearbeitet hat, „in aufrechtem Gang“ (Behrendt-Henn) vorbeigehen. Weil er stets saubere und korrekte Arbeit abgeliefert hat.

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