Frankenthal Stürmisch und aufwühlend

Es muss nicht immer Klassik sein, wenn vier Musiker sich zu einem Streichquartett zusammentun. Das haben sich vier Stipendiaten der Villa Musica gesagt und das Vision String Quartett gegründet. Im Congress Forum Frankenthal spielten die jungen Künstler erst Klassisches, dann Jazziges. Und auch der Neue im Quartett, Sander Stuart, zeigte, dass er bestens zu dem Ensemble passt.

„Es ist so furchtbar – so was hab’ ich noch nie gemacht“, wurde ein Running Gag des Abends. Der Neuling mit der Bratsche soll es gesagt haben, als er sich in nur einer Woche das Konzertprogramm draufschaffen sollte, berichtet Jakob Encke, der die erste Geige spielt. Und Encke zitierte in seiner Moderation des Programms den Spruch des neuen Kollegen gerne. Los ging es mit dem Erlkönig. Franz Schubert hat Goethes Gedicht vertont – und fiel damit erst einmal auf die Nase. Er war 18 Jahre alt und noch völlig unbekannt. Der Verlag lehnte die Komposition ab mit der Begründung, es sei eine „Anfängerarbeit“. Geschrieben hat Schubert das Stück für Singstimme und Klavier, für das Streichquartett hat Jakob Encke das Werk arrangiert. Sehr schön wurden dabei die verschiedenen Ebenen der Musik deutlich: Wir hörten im Lauf des Cellos, gespielt von Leonhard Disselhorst, den rasenden Galopp, mit dem der Vater reitet. Die Geigen, neben Encke auf der zweiten Violine Daniel Stoll, legten ein dramatisches Tremolo vor. Im weiteren Verlauf ahmten sie die Stimmen des Kindes, des Vaters und des Erlkönigs nach. Es fiel auf, wie energisch und zupackend das Quartett klang. Bis auf das Cello spielten auch alle im Stehen – vielleicht ließ das eine andere, stärkere körperliche Energie zu. Zum Ende des Erlkönigs entwickelte das Quartett noch eine dramatische Steigerung. Das Ende des wilden Ritts ist ja bekannt: Der Vater mit dem Kind im Arm kommt an – das Kind ist tot. Der Tod spielt auch eine Rolle bei Felix Mendelssohn-Bartholdys Streichquartett f-Moll, Opus 80. Er schrieb es nach dem Tod seiner Schwester Fanny. Dramatisch und geradezu erschütternd beginnt der erste Satz. Das lag dem Quartett. Auch die großen Gesten und widerstreitenden Gefühle im weiteren Verlauf wirkten bei den Vieren überzeugend. Der dritte Satz klang ruhig, hier entwickelten die Musiker einen innigen Klang. Der abschließende Satz wurde noch einmal stürmisch und aufwühlend – das Publikum reagierte mit Bravo-Rufen. Zum zweiten Teil des Konzerts erschienen die Musiker in betont legerer Kleidung. Das stand etwas im Kontrast zu den anspruchsvollen Arrangements, die nun folgten. Der alte Beatles-Hit „Come Together“ bekam einiges an Würze. Das Stück selbst ist an die Bluesform angelehnt und folglich harmonisch nicht anspruchsvoll. Aber die Streicher verstanden es, spannungsvolle Akkorderweiterungen einzubauen und mit verschiedenen Effekten wie Glissando und Pizzicato ihren Parts Pfiff zu geben. Auch der Umgang mit Gershwins „Fascinating Rhythm“ war originell und eigenständig. Da wurde das Thema gut arrangiert und rhythmisch interessant weitergeführt. Schön, dass dann auch Improvisationen folgten – das kommt bei den meisten klassisch ausgebildeten Musikern nämlich etwas zu kurz. „For The Birds“ klang dann etwas nach Gypsy-Jazz, auch solche Farben beherrschen die Künstler. Das Ensemble gründeten die Musiker 2012. Ihr Ziel ist es, nicht nur klassische Kammermusik zu spielen, sondern auch Jazz verschiedener Stilrichtungen. Der Brückenschlag ist gelungen, das zeigte dieses Konzert. Man darf gespannt sein, wie das Vision String Quartett sich weiter entwickeln wird. (ghx)

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