Frankenthal Nagelproben

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Im Schaufenster: ein Nagel. Ein ungewöhnlich großer Nagel. Gar nicht hässlich. Und schön gerahmt. „Früher hatten wir auch den Hammer“, erzählt Helmut Steuer, Seniorchef der gleichnamigen Kunsthandlung in der Wormser Fußgängerzone. Im Ladeninneren weitere Nagelproben: die bekannten Prägungen mit Büttenpapier. Arbeiten von Günther Uecker hängen hier dicht an dicht – zusammen mit Zeugnissen seiner beiden Mitstreiter in der Düsseldorfer Künstlergruppe Zero: Otto Piene und Heinz Mack. Am Freitag wurde die Ausstellung eröffnet.

„Diese Häufung von Uecker-Arbeiten in einem Laden ist sensationell“, sagt Steuer. Sein Sohn Matthias hat die Ausstellung zusammengetragen. Viele habe er von Kollegen bekommen, andere aus einer Sammlung, die aufgelöst wurde, wieder andere habe er vom ersten Verleger der Künstler loseisen können, und auch drei oder vier Scheidungswaisen seien dabei. „In der Zusammenstellung gibt es die Bilder nur hier.“ Jedes Jahr bringt sich die Wormser Kunsthandlung mit einer besonderen Präsentation ins Gespräch. Im vergangenen Jahr zeigte sie – allerdings im Heylshof als Ausweichquartier mit Renommee – Arbeiten von Markus Lüpertz, dem früheren Rektor der Kunstakademie Düsseldorf, der sich gerne als Enfant terrible in Szene setzt. Solche Aktionen müsse er machen, um dem allgemeinen Galeriensterben von der Schippe zu springen. „Früher sind die Leute gekommen: ,Wir wollen ein Bild, und das soll auch noch schön sein.’“, erzählt Helmut Steuer. Solche „Feld-, Wald- und Wiesenbilder“ würden auch jetzt noch verkauft. Und auch goldene Kommunionskerzen, wie sie eine Kundin im Laden gerade nachfragt. „Keine Angst, wir schließen nicht“, haben die Steuers auf ein Schild ins Schaufenster geschrieben, als sie den Laden leer räumten für die große Zero-Schau. Denn gleich hätten sich besorgte Passanten erkundigt, ob denn auch eins der letzten Wormser Traditionsgeschäfte, das seit 90 Jahren besteht, jetzt schließe. „Wir müssen es nur bis unter die letzten Kunsthandlungen schaffen, die überleben“, sagt der Seniorchef. Dann lasse es sich sicher gut leben. Noch muss er hin und wieder etwas wagen, um die Leute anzulocken. Immerhin verlangten die Künstler eine Ankaufsgarantie für ein gewisses Kontingent, erzählt Steuer. Doch trotz der hohen Kosten für Versicherung und Transport würden sich solche große Aktionen auch lohnen. „Lüpertz haben wir ordentlich was verkauft“, verrät der Seniorchef. Auch an manchen Bildern Ueckers kleben jetzt schon rote Punkte. Steuer nimmt sein Metier, in dem die Preise unberechenbar schwanken, mit Gelassenheit und Humor. Viele der Arbeiten, die jetzt in der Kunsthandlung hängen, habe er vor vielen Jahren schon einmal angeboten für ein paar Hundert Euro. Damals habe sie kaum jemand haben wollen. Jetzt muss man mehrere Tausend Euro hinblättern – die großformatige Prägung „Feld“ von 2006 kostet stolze 50.000 Euro. Dass Ueckers Bronzeplastik „Hammerschlag“, ein Klumpen Metall mit dem Abdruck eines Hammers, so Furore gemacht hat, quittiert Steuer mit Kopfschütteln. Zero bestand nur von 1958 bis 1966 – alle Ausstellungsstücke bei Steuer entstanden danach, als jeder der drei Künstler eigene Wege ging, bis in die 70er-Jahre auch recht erfolgreich. Der erneute Boom kam vor allem nach der großen Retrospektive im Guggenheim Museum New York und im Martin-Gropius-Bau in Berlin. „Von Uecker habe ich gedacht, dass er vielleicht gar nicht in unsere Zeit passt mit seinen weißen, meditativen Arbeiten.“ Abdrücke von Nägeln, die in Mustern arrangiert wurden, haben sich in befeuchtetes Büttenpapier gedrückt. Da gibt es eine Welle und Strudel, Strukturen wie Weizenfelder, die im Wind wogen, Reihungen. Ein Quartett, „Opus liber“, sei selten als komplette Serie zu sehen. „Für Heini Schneider“ lautet die Widmung auf einer solcher Prägung. Das sei der Kunsthandwerker in der Schweiz, der die Arbeiten nach Ueckers Angaben anfertige, erklärt Steuer. Farbenprächtig stechen aus diesem weißen Meer der Striche und Punkte die Arbeiten von Heinz Mack und Otto Piene heraus, darunter viele Siebdrucke wie Macks „Blaue Rotation“ oder Pienes „Zwei kleine Löcher gebrannt“ mit einem nach innen sich verdichtenden dunkelroten Nebel. Aber es gibt auch Pastelle wie Macks „Großes Grünes“ mit flirrenden Übergängen von Blau, Grün und Gelb. Und sogar Anflüge von Gegenständlichem wie in Pienes Zyklopen-Augen. Info Ausstellung Zero vom 8. April bis 1. Mai in der Wormser Kunsthandlung Steuer, Kämmererstraße 41.

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