Frankenthal Helden von der traurigen Gestalt

Sechs Menschen in einem Boot: Und alles geht schief, gerade im zwischenmenschlichen Bereich angesichts miteinander verflochtener Affären. Mit „Sextett“ von Michael Pertwee führt der Theaterkreis Bobenheim-Roxheim unter Regie von Siegfried Kralik die Zuschauer auf eine höchst vergnügliche Jachtreise durchs Mittelmeer. Am Samstagabend feierte das Stück im ausverkauften Hoftheater Hasch-Masch Premiere.

Sextett: Der Titel ist durchaus etwas anzüglich zu verstehen. Und in anderem Sinn wirkt er als Erweiterung des Begriffs Duell, denn irgendwann geht jeder auf den anderen los. Dabei war eigentlich ein Jachturlaub unter sechs Freunden geplant. Doch erstens kann man sich auf engstem Raum mit der Zeit ziemlich auf die Nerven gehen. Zweitens läuft von Anfang an nicht alles wie vorgesehen: Roger, der Jachtbesitzer, muss sich damit abfinden, dass sich Lisa, seine Ex-Frau, selbst einlädt; sein Freund Philipp kommt nicht mit Ehefrau, sondern mit seiner neuesten Eroberung, einer jungen kessen Biene; und Dennis, ein Kollege Rogers, entpuppt sich als ausgesprochen dämlicher Tollpatsch. Und drittens kommen sich in dieser Konstellation alle möglichen erotischen Affären in die Quere. Pertwees „Sextett“ zählt zu den meistgespielten Komödien der Gegenwart und ist in der Tat ausgesprochen witzig. Und zwar auf sehr intelligente Weise: Indem die Figuren nicht von Grund auf als lustig angelegt sind, sondern als scheiternde Individuen von recht trauriger Gestalt. Roger protzt mit seiner Jacht, wird aber ziemlich nervös, als seine Ehefrau und Valerie, die Frau von Dennis, gleichzeitig auf dem Boot erscheinen. Philipp spielt den sarkastischen Scherzkeks, versucht aber vor allem seine Midlife-Crisis mit ein bisschen blondem Frischfleisch erträglich zu gestalten. Lisa, Rogers Ex, schwelgt in dekadenter Faulheit und frühstückt am liebsten Wodka. Valerie sieht sich als große Liebende, ist aber nicht nur mit ihren hausbackenen Klischee-Redewendungen vor allem eine Nervensäge. Mit den Regeln, die Kapitän Roger aufgestellt hat, ist es jedenfalls nicht weit her: Statt um Rücksicht, Hilfsbereitschaft und Sauberkeit geht es alsbald vor allem um Rivalitäten, Eifersucht und Untreue. 40 Jahre besteht der 1975 gegründete Theaterkreis Bobenheim-Roxheim in diesem Jahr; und an diesem Stück verdeutlicht sich beispielhaft, wie professionell dieses Laientheater inzwischen agiert. Das Bühnenstück ist meisterhaft gestaltet und bietet einen Einblick ins Jachtinnere mit Salon, angrenzender enger Koje und darüber dem Deck. Die Inszenierung ist äußerst präzise, das Timing jedes Gags stimmt ebenso wie das Gespür für die Figuren, die in ihren abgewrackten Lebenssituationen so witzig sind. Die Darsteller spielen vollkommen natürlich, mit kleinen, leisen Gesten, mit subtiler Mimik. Sie bewegen sich ganz organisch im Bühnenraum. Szenen mit parallel gezeigten Handlungen in verschiedenen Teilen der Bühne sind perfekt aufeinander abgestimmt und gehen nahtlos ineinander über. Der Theaterkreis Bobenheim-Roxheim steht so manchem Berufstheater in nichts nach. Und natürlich ist das Stück ideal ausgesucht: Pertwee arrangiert seine Figurenkonstellation spannend, rückt den Ironiker Philipp mit flotten Sprüchen in den Vordergrund sowie Dennis, der dauernd stolpert und ständig etwas kaputt macht – vernachlässigt dabei die anderen Figuren in keiner Weise, lässt ihnen nur etwas mehr Zeit, ihre kleinen Geheimnisse und großen Sehnsüchte Gestalt werden zu lassen. Zwischen angebrannten hartgekochten Eiern und schwarz gerösteten Würsten wird das Essen allmählich knapp; Kontaktlinsen werden verschluckt, das Beiboot zerstört, zwischendurch unglaublich schlechte Gedichte einer verzweifelten Ehefrau verlesen. Und was Dennis mit der Bratpfanne macht, wird hier lieber nicht beschrieben. Dass sich in dieser Gemengelage alles zum Guten wendet, ist mehr als zweifelhaft. Sicher ist nur: Wenn eine Torte auf den Tisch gestellt wird, dann muss sie auch irgendwann irgendwie verwendet werden.

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