Kirchheimbolanden Zum Abschluss des Orgelsommers wird Mozarts Requiem aufgeführt

Ein Großteil der Sängerinnen und Sänger hat bereits 2006 bei der Aufführung mitgewirkt: Bezirkskantor Martin Reitzig (vorne) bei
Ein Großteil der Sängerinnen und Sänger hat bereits 2006 bei der Aufführung mitgewirkt: Bezirkskantor Martin Reitzig (vorne) bei einer der Chorproben im Dietrich-Bonhoeffer-Haus.

Der Kirchheimbolandener Orgelsommer 2022 geht zu Ende. Am Tag der Deutschen Einheit führt die Bezirkskantorei Kirchheimbolanden-Winnweiler in der Paulskirche Mozarts Requiem auf. Ein Besuch bei den Proben und ein Blick auf das anspruchsvolle Werk.

Es summt und brummt wie in einem Bienenschwarm an diesem Nachmittag im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Kirchheimbolanden: Trotz einiger coronabedingter Absagen kann Bezirkskantor Martin Reitzig, der das Mozart-Requiem mit der Bezirkskantorei Kirchheimbolanden-Winnweiler für das Konzert am 3. Oktober einstudiert, nach und nach zehn Frauenstimmen und sieben Männerstimmen instruieren und auf das monumentale Großereignis, den Abschluss des diesjährigen Orgelsommers, einstimmen.

Solche außergewöhnlichen Konzertereignisse haben auch überregional Echo ausgelöst, und so haben sich aus benachbarten Regionen für Generalprobe und Aufführung noch weitere Verstärkungen angesagt, um gegen Orchester und Solistenquartett klanglich zu bestehen.

Hochkonzentriertes, detailliertes Arbeiten

Jetzt heißt es aber erst einmal: Ankommen und gleich reinkommen in den Zauber dieser genialen Musik. So lautet Reitzigs Maxime, die er zuerst mit Atem- und Entspannungsübungen füllt. Dann geht er zum Singen von Vokalisen über, Singen auf Vokale oder Wortsilben, die in Sequenzen vorgetragen werden. Diese ergeben etwa Dreiklangsmotivik und werden dynamisch entwickelt. Beim Durchgehen der Partitur erweist sich Reitzig als exzellenter Pianist, der mit gekonnten Vor- und Zwischenspielen den Orchesterpart ersetzt und bei chorischen Partien einfühlsam begleitet und bei Bedarf auch mal führt.

Jeder Satz hat seinen eigenen Charakter, der zweite ist beispielsweise eine Chorfuge, und es zeigt sich, dass die Stimmgruppen (Sopran, Alt, Tenor und Bass) ihre Einsätze bereits sicher finden und auch gesangstechnische Geschmeidigkeit und Sicherheit zeigen.

Zur Sicherheit wird wiederholt

Dennoch lässt Reitzig zur Sicherheit heikle Passagen mehrmals wiederholen, und man spürt beim Zuhören: Das gibt noch mehr Routine und Selbstvertrauen. Niemand muss einzeln vorsingen, auch das Vortragen von Einzelstimmen wird vermieden.

Besonders bei der Chorfuge gelingt Reitzig eine Gratwanderung: Mehrfaches Wiederholen vertieft und strapaziert auch die Stimmbänder – da sind Pausen zur Entspannung oder nur kurze Abschnitte angesagt. Im folgenden homophonen Satz (Dies irae) ist die Reinheit der Intonation gefragt, insgesamt geht es ihm um die Koordination und Synchronisation aller Stimmen. Man spürt, hier wird hochkonzentriert, detailliert und intensiv wie akribisch alles durchleuchtet, nichts läuft nur durch, alles wird analysiert und erklärt.

Termin

Die Aufführung des Requiems von Mozart findet am Montag, 3. Oktober, 17 Uhr, in der Paulskirche in Kirchheimbolanden statt. Karten gibt es an der Abendkasse oder im Vorverkauf bei der Buchhandlung Sattler, Schloßstraße 10, der Sparkasse Donnersberg, Vorstadt 41, dem protestantischen Verwaltungsamt, Amtsstraße 7, Telefon 06352 706700, und online bei reservix.de.

Zur Sache: Mozart, sein Requiem und die Stadt Kirchheimbolanden

Um die Entstehung von Mozarts Requiem ranken sich Anekdoten und Spekulationen, da der Komponist dieses Auftragswerk nicht selbst komplett vollenden konnte. Er starb mit 36 Jahren an einer fieberhaften Infektion. Selbst um seinen Tod gab es Gerüchte, von Vergiftung und Verschwörung war die Rede, und im Hinblick auf das Requiem wurde argwöhnt, er habe seine eigene Totenmesse komponiert.

Dagegen wird von Zeitzeugen von einem Boten als Auftraggeber berichtet, der nach derzeitigen Erkenntnissen von Franz Graf von Walsegg-Stuppach geschickt wurde. Mozart selbst ging von einem anonymen Auftraggeber aus, der ihn mit fürstlichen Vorauszahlungen zu Höchstleistungen im Wettlauf mit Krankheit und Tod anstachelte. Weiterhin gaben der Mozartforschung die Sätze selbst Rätsel auf: Was stammt aus der Feder von Mozart? Was wurde auf Initiative der Witwe Konstanze vom beauftragten damaligen Komponisten Joseph Eybler instrumentiert und an Stimmen ergänzt und was von Mozart-Schüler Franz Xaver Süßmayr komplettiert?

Süßmayr-Fassung wird aufgeführt

Bezirkskantor Martin Reitzig kennt die Dispute und greift dennoch entschlossen auf diese Fassung zurück: Weil, so seine Überzeugung, Süßmayr Zeitgenosse und musikalischer Begleiter der Familie war und Mozart mit ihm Teile durchgesprochen und durchgespielt hatte. Kirchheimbolanden hat ohnehin ein besonderes Verhältnis zum Wiener Klassiker, da Mozart 1778 auf der Orgel der Paulskirche konzertierte und auch angeblich einiges komponierte. Die Stadt ist seit einigen Jahren Mitglied im Verein Europäische Mozartwege. Die heutige Stummorgel wurde zweimal von den Firmen Steinmeyer und Oberlinger renoviert und teilweise erweitert, dennoch wurde der Spieltisch, der von Mozart genutzt wurde, aufbewahrt und die Orgel hat den Beinamen Mozart-Orgel erhalten.

Auch das Requiem hat hier eine eigene Aufführungstradition: 1956 wurde es vom damaligen Landeskirchenmusikdirektor Adolf Graf und der Jugendkantorei, 2006 zum 250. Geburtstag von Mozart durch den jetzigen Kantor aufgeführt und war wieder für 2020 geplant, musste jedoch wegen Corona verschoben werden. Noch etwa die Hälfte der Vokalisten von 2006 sind heute dabei, was mit ein Grund war, das anspruchsvolle Werk erneut aufzuführen. Dessen Genialität, die geheimnisumwitterten Begleitumstände und die besondere Beziehung der Stadt zu Mozart lassen Reitzig auf eine Sogwirkung bei Mitwirkenden und Publikum hoffen. Mit Mozarts Krönungsmesse hatte Reitzig zu seinem Einstand 1988 in einer damals überfüllten Paulskirche sein bisher nachhaltigstes Erlebnis und rechnet auch beim Requiem mit großem Besucherinteresse.

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