Donnersbergkreis Teil 4: Noch einen Soja-Latte, bitte!

Weichmeier nippte an seinem dritten Soja-Latte. Er hatte Rückenschmerzen, und sein Kopf fühlte sich ein bisschen an wie in Watte gepackt. Das lag sicher weniger an der Beule, die er sich beim Aufschlagen seines Kopfes auf den Schreibtisch zugezogen hatte, als vielmehr an der durchwachten Nacht im Heimatmuseum. Erst gegen sechs Uhr hatte ihn die Putzfrau aus seinem unfreiwilligen Gefängnis befreit. Dem Gesichtsausdruck und dem kurzen Aufschrei nach zu urteilen, war die Dame über seinen Anblick weniger erfreut gewesen, als er umgekehrt. Nachdem sie aus ihrer Ohnmacht wieder erwacht war, konnte ihr Weichmeier allerdings glaubhaft versichern, dass er wirklich weder Gespenst noch Einbrecher sei. Auf dem kleinen Tisch im Café Kernel lagen vor Weichmeier nicht nur Notizzettel und Bücher, sondern auch sein Birnen-Pad. Auch das war ein Geschenk von Dörthe gewesen – im Gegensatz zum ollen Wisch-Phone leuchtete Weichmeier der Nutzen dieser technischen Errungenschaft allerdings absolut ein. Nicht nur, dass er damit seine Lieblings-Krimis (unter anderem alle 66 Bände von Agatha Christie) ständig verfügbar hatte, er nutzte die kleine Kamera auf der Rückseite samt einer gewissen „Scan-App“ auch mittlerweile mit Vorliebe für seine Recherchen. So hatte er auch in der vergangenen Nacht Seite um Seite der alten Dokumente mit dieser Scan-App abfotografiert und in seinem Birnen-Pad gespeichert. Jetzt konnte er bequem jede Zeile vergrößern und in aller Ruhe studieren. Die Kellnerin brachte einen weiteren Soja-Latte, in den Weichmeier sofort drei gehäufte Löffel Zucker kippte. Mittlerweile wusste er, dass es sich bei den Aufzeichnungen aus dem Heimatmuseum um Notizen und Abschriften von Briefen handelte, die den Besuch von keinem Geringeren als Wolfgang Amadeus Mozart 1778 in der Kleinen Residenz schilderten. Natürlich wusste Weichmeier von der Stippvisite des berühmten Komponisten. Als Kirchheimbolander kam man ja quasi gar nicht daran vorbei. Mozartorgel, Mozartbrunnen, Mozart hier und Mozart da. Weichmeier hatte den Kult nie so richtig verstanden. Er hatte als Polizist mehr als 30 Jahre deutlich mehr für das Allgemeinwohl beigetragen als dieses Wunderkind, dem man huldigte, nur weil es einmal zwei Minuten auf der verstimmten Orgel geklimpert hatte. Warum hatte eigentlich noch niemand für ihn einen Brunnen gebaut? Die Aufzeichnungen hatten dennoch sein Interesse geweckt. Seine untrügliche Spürnase hatte Witterung aufgenommen. Irgendetwas steckte zwischen diesen Zeilen, da war sich der Hauptkommissar a.D. sicher... „Ach, Herr Weichmeier, wieder fleißig?“ Weichmeier schreckte von seinem Birnen-Pad hoch. Vor ihm stand Rabea Litt, Lokalreporterin des hiesigen Provinzblattes. Im Schlepptau hatte sie ihren Terrier Franz, der anscheinend gerade im Begriff war, sein Bein an der Pralinenvitrine zu heben. „Franz! Aus!“, zischte Litt, um sich sofort wieder Weichmeier zu widmen: „Ach, Sie haben ja auch so ein schickes neues Birnen-Pad. Toll, diese moderne Technik. Wir haben in der Redaktion ja jetzt auch so ein Teil. Total schick. Haben Sie schon unsere neue RHEINPFALZ-App geladen? Damit können Sie jetzt die Ausgabe digital lesen.“ „Das hat mir gerade noch gefehlt“, brummte Weichmeier, während er überlegte, wie er die neugierige Reporterin möglichst schnell wieder los werden könnte. „Eben, eben. Was lesen Sie denn da? Gibt es etwas Neues? Franz, aus!“ Weichmeier wollte gerade Luft holen, um ausweichend zu antworten, doch er hielt inne und lenkte stattdessen mit einem breiten Grinsen die Aufmerksamkeit der Reporterin auf die Auslage mit den handbemalten Schokoweihnachtsmännern. Eine gelbe Pfütze zeichnete sich dort auf dem hellen Teppichboden ab. Fortsetzung folgt Gelingt es Weichmeier, die neugierige Reporterin abzuschütteln, und was steht denn nun in den Mozart-Briefen?

x