Donnersbergkreis Milchbauern unter Druck

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46 Cent – diesen Preis verlangen große Supermarktketten und Discounter derzeit für einen Liter H-Vollmilch. Was den Verbraucher erfreut, ist allerdings zum Leid der Milchbauern geworden: Für sie ist der Erzeugerpreis für Rohmilch auf bis zu 17 Cent gefallen. Viele Höfe sind in ihrer Existenz bedroht. Auch bei Landwirten im Donnersbergkreis ist das zu spüren.

„Die Erlöse decken inzwischen nicht einmal mehr die Produktionskosten für die Milch!“, sagt Steffen Schreck vom Felsbergerhof bei Imsweiler. Der 26-jährige Landwirt bewirtschaftet den Hof in vierter Generation mit seiner Mutter und der 80-jährigen Großmutter. Auch seine zukünftige Ehefrau Maike Brendel hilft mit. Aufhören kommt für die Familie nicht in Frage. „Wir rücken halt noch enger zusammen“, so Schreck. Seine Überlebensstrategie: „Vor kurzem haben wir die Kühe auf die Weide getrieben. Wir sorgen dafür, dass es unseren Tieren gut geht, denn mit ihnen verdienen wir unser Geld. Geht es dem Vieh gut, geht es uns ebenfalls gut.“ Seine 125 Milchkühe bekommen überwiegend Futter aus eigenem konventionellen Anbau: Mais- und Grassilage, Weizen- und Gerstenschrot, Heu und Stroh. Hinzugekauft werden Kraft-, Mineral- und Kälberfutter, Rapsschrot und Salz. Um vor allem Lohnkosten für Fremdarbeiter einzusparen, hat die Familie in der letzten Zeit den Viehbestand gesenkt. „Damit eine Kuh ständig Milch liefert, muss sie jährlich einmal kalben. Das frisch gesetzte Kalb wird ein bis zwei Tage von der Mutter gesäugt. Dann wird es entwöhnt und erhält noch einige Tage die besonders nährstoffreiche Biestmilch der Mutter aus dem Nuckeleimer“, erklärt Schreck. Erst danach wird die Milch an die Molkerei Hochwald verkauft – derzeit für 26 Cent pro Liter. Der Landwirt befürchtet, dass der Preis weiter fallen wird. Geplante Investitionen stellt er daher zurück. Veredelungsprodukte wie Butter, Joghurt und Käse werden auf dem Felsbergerhof nicht hergestellt. „Dafür bleibt uns keine Zeit“, bedauert Schreck. Von der Politik ist er enttäuscht. „Die Autoindustrie und andere Branchen werden mit Millionengeschenken gefördert, den Milchbauern hingegen bietet man Kredite an, die aber wieder zurückgezahlt werden müssen“, äußert er verärgert und fügt an, dass Steuererleichterungen sinnvoller wären. „Wir erwarten von den Verantwortlichen, dass sie die Grundlagen für faire Milchpreise schaffen“, ergänzt Maike Brendel. Den Verbrauchern rät sie, beim Kauf von Milcherzeugnissen auf die Produktstempel der Verpackungen zu achten. Große Markennamen seien keine Garantie für angemessene Erzeugerpreise. Dass derzeit mit Milch nichts zu verdienen sei, gibt Henrik Schönberger aus Lohnsfeld zu. Und der 21-jährige Jungbauer wird noch deutlicher: „Wenn die Milchpreise weiter nach unten gehen, können wir das Buch zuschlagen“, sagt er und meint damit die Aufgabe der Milchviehhaltung. Auch die Schönbergers führen den Hof als Familienbetrieb mit konventionellem Anbau. 65 Milchkühe halten sie derzeit. Zur besseren Auslastung haben sie den Bestand 2015 um 25 Kühe aufgestockt. Auch die Schönbergers bieten keine Veredelungsprodukte an, erwägen aber, am Hof einen Frischmilch-Automaten aufzustellen. Weitere Investitionen seien derzeit nicht möglich, bedauert Henrik Schönberger. Er hofft aber, dass die Milchpreise bald wieder steigen. Einen anderen Weg haben Anette und Hartmut Risser aus Kerzenheim gewählt. Sie haben sich mit ihrem Biohof unabhängig gemacht von der Molkerei und den allgemeinen Milchpreisen. Die Milch ihrer derzeit 15 Kühe, deren Milchleistung geringer ist als die der Kühe aus konventioneller Landwirtschaft, wird ausschließlich in den eigenen Räumen be- und verarbeitet. Sowohl Frischmilch als auch daraus hergestellte Produkte wie Buttermilch, Butter, Sahne, Joghurt, Quark und Camembert werden im eigenen Hofladen und über andere Hof- und Naturkostläden vertrieben. Bei den Rissers kostet der Liter Bio-Frischmilch einen Euro ab Hof. Entgegen der allgemeinen Milchpreisentwicklung blieb dieser Preis stabil. „Wir können und müssen diesen Preis halten“, sagt Anette Risser. Die Chefin rechtfertigt den Preis mit hohen staatlichen Auflagen und teuren Investitionen für die Erzeugung von Bioprodukten sowie Lohnkosten. „Biobetriebe haben eine andere Wertschöpfung, als die konventionelle Landwirtschaft“, erläutert Risser, die weiß: „Leider wird es den seit 1989 existierenden Biohof in der nächsten Generation nicht mehr geben. Keines unserer beiden Kinder sieht seine Zukunft in der Landwirtschaft.“ Für Eberhard Hartelt aus Göllheim, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, liegt die Ursache für die gesunkenen Milchpreise nicht in Deutschland, sondern auf dem Weltmarkt. Weggebrochenen Absatzmärkten, insbesondere durch das Russlandembargo und die schwächelnde chinesische Wirtschaft, stehe ein weltweites Überangebot an Milch und Milcherzeugnissen gegenüber, das in der EU durch den Wegfall der Milchquote im vergangenen Jahr noch verstärkt wurde. Diese Situation werde von den wenigen großen Milchaufkäufern hierzulande „gnadenlos“ ausgenutzt. „Es ist unbegreiflich, dass mittlerweile ein Liter Milch weniger kostet als eine Flasche Mineralwasser“, findet Hartelt. „Wenn die Produktionskosten nicht mehr durch die Verkaufserlöse gedeckt werden, hat das dramatische Auswirkung auf die Erzeuger. Viele Bauern sind inzwischen in ihrer Existenz bedroht. Auch in unserer Region wird das einen gewaltigen Strukturwandel nach sich ziehen, da vom Wegfall der Milchviehhaltung auch die Grünlandbewirtschaftung betroffen ist“, so der Bauernpräsident, der selbst kein Milchvieh mehr hält. Hartelt weist auch auf das Ungleichgewicht am nationalen Markt hin, wo vielen Milcherzeugern fünf aufkaufende Großunternehmen gegenüberstehen. Eine Lösung sieht er in einer gemeinsamen Verkaufsplattform auf der Angebotsseite. Auch fordert er die Molkereien zur Mitwirkung an mengenbegrenzenden Maßnahmen auf, die vom Staat mit Liquiditätshilfen und Steuererleichterungen für die Bauern zu begleiten wären, aber auch mit direkten Entlastungen, etwa bei der Sozialversicherung oder beim Diesel.

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