Donnersbergkreis „Kopf hoch“ zu Odysseus’ Wohl

Sarah Funk beim Üben mit den Jungen und Mädchen.
Sarah Funk beim Üben mit den Jungen und Mädchen.

«KIRCHHEIMBOLANDEN.» „Kopf hoch“ ermuntert Sarah Funk die Schülergruppe. Zunächst einmal meint die ausgebildete Sopranistin und Gesangspädagogin mit Master-Abschluss Operngesang damit eine so lockere wie selbstbewusste Körperhaltung der sieben Mädchen und Jungen, die sich an diesem Mittag wieder einmal zum Proben mit ihr im Keller der Georg-von-Neumayer-Schule versammelt haben. Kopf hoch: Das heißt, den Gesang nicht auf den Fußboden, sondern geradewegs und aufrecht von der Bühne ins Publikum zu senden. Heißt, dem Atem freie Bahn zu geben, die Töne in klarer Sprache fließen und mit Gefühl schwingen zu lassen. So wie es für ihr großes gemeinsames Projekt nötig ist, eine Musiktheater-Performance nach Claudio Monteverdis 1640 in Venedig uraufgeführter Oper „Die Heimkehr des Odysseus“. Am 31. August soll sie in der Kirchheimbolander Stadthalle und danach noch einmal im Weierhof-Gymnasium erklingen mit professionellen Sängern und Musikern. Und eben zehn Kindern von der dritten bis zur zehnten Klasse aus der Realschule plus, alle mit Migrationshintergrund. Es ist Lydia Thorn Wickerts zweites integratives Kunstprojekt in Kirchheimbolanden, für das sie wiederum großzügige Geldgeber gewann. Und wieder ist es, nach dem 1665 veröffentlichten und 2017 unter Regie von Hansgünther Heyme einstudierten Barockstück „Agrippina“ des Daniel Casper von Hohenstein, eine Hochleistungs-Aufgabe, die Kinder zweifelsohne an Grenzen führt. Aber so würde das die promovierte Pädagogin, die in außergewöhnlicher Forderung die allerbeste Förderung sieht, natürlich nicht stehen lassen. Die Praxis scheint ihr Recht zu geben. Bei allen bisherigen Übungen und Exkursionen waren die Mädchen und Jungen, die sich freiwillig für das Opernprojekt gemeldet hatten, mit Eifer, Geduld, Wissbegier und bewundernswerter Disziplin dabei – im Fall der Fälle mütterlich umsorgt von der Kulturmanagerin. Kurz nach 13 Uhr an diesem Montag, unmittelbar nach dem letzten Klingelzeichen, füllt sich der Probenraum im Keller. Fast nahtlos an den Unterricht geht es weiter. Nur die drei syrischen Schwestern, die sonst mit dabei sind, fahren nach Hause, sie setzen im islamischen Fastenmonat aus. Für alle anderen, die nun – und insgesamt in fünf Lektionen – noch zwei Stunden Atem- und sonstige Lockerungsübungen, gemeinsamen und Sologesang vor sich haben, hat Thorn Wickert Brezeln und Getränke zur Stärkung eingekauft. Aber erst einmal kommt Sarah Funk zum Zug, die aus Grünstadt stammt, an der Musikhochschule Hannover studiert hat und mit Mann und Baby heute als freie Sängerin in Eisenberg-Steinborn lebt. Schnell hat die 30-Jährige in ihrer fröhlichen Art, mit ihrem kraftvollen, ansteckenden Lachen die Zuneigung der Mädchen und Jungen gewonnen – aber auch an Respekt ihr gegenüber ist kein Mangel. Kräftiges Strecken, um die Lungen mit Luft zu füllen, steht am Anfang, das Ausatmen mit einem langgedehnten „f“-Laut, auf- und abschwellende Sirenentöne und Triller folgen, diverse andere Lockerungsübungen für Muskulatur, Stimmbänder und Kiefer, ehe alle das bekannte Lied vom „Bruder Jakob“ anstimmen. Na ja, der eine oder andere falsche Brummer ist da schon noch zu hören. Aber dass das nicht so bleibt, dafür ist die Stimmbildnerin ja da, und die lacht in die Runde: „Ich gebe nicht auf, ihr schafft das.“ Ein bisschen Inbrunst ist ihr allemal lieber als Verzagtheit: „Habt keine Angst, dass ihr mich beim Singen anspuckt, ich bin Sängerin, ich bin das gewöhnt!“ Noch intensiver wird der Wille, aus jedem das Beste herauszuholen, im Einzelunterricht mit jedem Kind spürbar. Denn es geht eben nicht nur ums „Technische“, nämlich den am Klavier vorgegebenen Ton exakt zu treffen. Es geht auch darum, Selbstzweifel zu besiegen, der Aufgabe doch nicht gewachsen zu sein, den Mädchen und Jungen buchstäblich neue Töne zu entlocken. Selbstbewusstsein zu stärken, junge Menschen gemeinsam an einer schweren Aufgabe mit Freude wachsen und am Ende mit Beifall belohnt zu sehen, ist Thorn Wickert vermittels eines solchen Projektes wichtig. Dass Wissen, aber auch Sinnlichkeit vermittelnde Kultur-Arbeit für gelingende Integration essentielle Bedeutung hat, Heraustreten aus engen Kreisen und manchmal auch aus Isolation ermöglicht, davon ist sie ohnehin fest überzeugt. Im multinationalen Profi-Kreis der Sängerinnen und Sänger sowie des vom musikalischen Leiter Felix Schönherr geleiteten kleinen Barock-Ensembles werden sich die Schülerinnen und Schüler ebenfalls gut aufgehoben fühlen. Gemeinsame Gesangssprache wird Italienisch sein – noch eine Herausforderung. Eine gekürzte Opernversion hat die aus Kirchheimbolanden stammende Regisseurin Aileen Schneider bereits fertiggestellt. Worin der Part der Kinder genau besteht, ist noch nicht abschließend umrissen. „Aber wir werden auf alles vorbereitet sein“, verspricht Lydia Thorn Wickert. Auf jeden Fall werden sich die Kinder demnächst schon mal in den Klang des Italienischen einsingen, ehe im Juli die großen Proben mit allen Beteiligten beginnen. Bis dahin und danach mit einem zweiten Unterrichts-Intervall bis zur Premiere wird Sarah Funk (nicht zu verwechseln mit der Pädagogin und Pianistin gleichen Namens aus Kirchheimbolanden!) noch einiges an freundlich-konsequenter Ermutigung spenden müssen, aber sicher auch Lob verteilen können. „Kopf hoch“ eben.

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