Donnersbergkreis Das zähe Ringen geht weiter

Und weiter geht’s, das eher zähe Ringen um Erkenntnisse, die von Belang sind für die strafrechtliche Würdigung. Doch hat Tag fünf im Zoar-Prozess neben überbordenden Details zur Erhellung des Dickichts auch einige Schlaglichter geliefert. Das hellste spielt zwar keine wesentliche Rolle bei der Frage nach Schuld oder Unschuld des ehemaligen Direktors Helmut Eckert. Doch beleuchtet es den Eifer, mit dem man sich beim Diakoniewerk daran gemacht hatte, die weitreichenden Vorwürfe zu zementieren. Das dafür gedachte Gutachten hat sich nun als millionenschwer erwiesen.

Eine Reihe weiterer Zeugen ist im voll besetzten Saal des Rockenhausener Amtsgerichts zu Wort gekommen. In dem umfangreichen Strafverfahren gilt es zu klären, ob sich der ehemalige Chef des Diakoniewerks der Untreue im größeren Stile schuldig gemacht hat. Eckert wird – wie berichtet – vorgeworfen, unter anderem Mitarbeiter für private Belange beschäftigt, Dinge für den eigenen Bedarf über Zoar gekauft beziehungsweise Kostenerstattung geltend gemacht, Grundstücke für die Ausübung seiner Jagdleidenschaft gepachtet und Dienstleistungs-Aufträge nach Gutdünken vergeben zu haben. 20 Punkte umfasst die Anklage. Mit den ihm vorgeworfenen Verfehlungen soll der im Frühjahr 2010 geschasste Direktor der Einrichtung einen finanziellen Schaden beschert haben, den die Staatsanwaltschaft auf rund 200.000 Euro beziffert. Was Eckerts ehemaliger Vorstandskollege Martin Bach am Prozesstag auch auf nachdrückliche Fragen der Vorsitzenden Richterin Cora Brunner nach eigenen Angaben nicht mehr gewusst hat, konnte nun eine Mitarbeiterin wie aus der Pistole geschossen beantworten: Eine runde Million habe die Sonderprüfung gekostet, erklärte die in der Finanzbuchhaltung beschäftigte Zoar-Mitarbeiterin auf Nachfrage von Eckert-Verteidiger Matthias Weihrauch. Das Gutachten der Prüfungsgesellschaft – das Bach in Auftrag gegeben habe – hätte viel weniger kostspielig ausfallen sollen, so nun die Zeugin. Doch habe sich die Tätigkeit der damit beschäftigten Prüfer immer länger hingezogen. Zoar-Mitarbeiter seien geraume Zeit schwer gefordert gewesen, hätten sich in Archiven tummeln und Unmengen an Papier sichten müssen, um Unterlagen und Belege herauszusuchen und bereitzustellen. Wie einer Protokoll-Notiz aus einer Verwaltungsrats-Sitzung zu entnehmen war, hatte sich die Führung des Diakoniewerks im Jahr 2010 entschieden, eine unabhängige und bislang mit Zoar-Angelegenheiten nicht betraute Gesellschaft für die Prüfung ins Boot zu holen. Gemäß des Protokolls war die Sorge um den ohnehin schon konstatierten Image-Schaden das Leitmotiv: Man wollte demnach vermeiden, sich auch noch dem Vorwurf auszusetzen, es solle etwas verschleiert werden. Und man wollte mit dem Sondergutachten „Vertrauen wiederherstellen“. Resultat: Um Eckerts mutmaßliche Verfehlungen zu dokumentierten, gab der nach dessen Zwangs-Abgang verbliebene Direktor Bach offenbar ein Gutachten in Auftrag, dessen Bearbeitung ausuferte, dessen Preis sich auf gut das Doppelte verteuerte und das im Ergebnis offenkundig schlampige Passagen und unhaltbare Behauptungen enthält. So zitiert der Bericht eine Behauptung von Eckerts damaliger Sekretärin. Sie soll gesagt haben, ein nach seinem altersbedingten Ausscheiden bei Zoar noch geringfügig Beschäftigter habe sich um nichts anderes gekümmert, als für Eckert den privaten Jagd-Aufseher zu geben. Das habe sie so ganz sicher nie gesagt, verwahrte sich jetzt die Zeugin gegen diese im Gutachten dokumentierte Behauptung. Zudem werde, wie der Verteidiger bemängelte, in dem Gutachten behauptet, kein Mensch an mitverantwortlicher Stelle habe von Eckerts Engagement im Lions-Club gewusst. Dass dies wohl allen bekannt gewesen sei, bestätigte hingegen die Zeugin. Zudem hatte ein Mitglied des Verwaltungsrats derselben Vereinigung angehört. Und jener Mann habe sich offensichtlich auch nicht sonderlich darüber gewundert, dass der an ihn gerichtete Lions-Schriftverkehr von der dienstlichen E-Mail-Adresse Eckerts kam. Dass das Sekretariat des Direktors Lions-Club-Geschäfte habe führen müssen, ist Teil des Vorwurfs, Eckert habe Zoar-Mitarbeiter für seine privaten Belange eingespannt. Indes – die Assistentin der Geschäftsführung hat vor Gericht ihren ehemaligen direkten Vorgesetzten erheblich belastet. Auch sie äußerte sich zum Zeitaufwand, den die Bewältigung privater Angelegenheiten des Chefs erfordert habe: Vier bis acht Stunden habe sie wöchentlich aufbringen müssen, um Eckerts Angelegenheiten zu regeln, Privat-Korrespondenz zu pflegen, Bankgeschäfte zu tätigen. Außerdem berichtete die Zeugin davon, dass Eckert Ende der 1990er Jahre einmal rund 89.000 D-Mark habe zurückzahlen müssen, weil er sich – mutmaßlich ohne entsprechende Absegnung des Aufsichtsgremiums – eine allzu üppige Erhöhung seines Gehalts genehmigt habe. Dies ist zwar nicht Gegenstand des Verfahrens, das sich auf Vorgänge zwischen 2005 und 2009 beschränkt. Es wirft allerdings ein Schlaglicht auf den Angeklagten. Auf die Frage des Verteidigers, wie viel sie denn selbst pro Stunde verdient habe – also auch in jenen Stunden, die sie für Arbeit in Privatdiensten Eckerts geopfert habe – wollte die Frau zunächst die Aussage verweigern. Als sie daraufhin auf ihre Zeugenpflicht und fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen wurde, kam es zum ersten bemerkenswerten Auftritt des bis dato stummen Rechtsbeistands, den Zoar seinen vor Gericht geladenen Beschäftigten auf jeweiligen Wunsch im Zeugenstand zur Seite setzt: Der Anwalt forderte allen Ernstes, bei der Erörterung des Stundenlohns der Zeugin die Öffentlichkeit auszuschließen. „Waaaas?“, erntete er bei der Richterin aber nur einen mit Kopfschütteln gepaarten Ausruf ungläubigen Staunens. Der Prozess wird am Mittwoch, 5. November, 9 Uhr, fortgesetzt.

x