Donnersbergkreis Angriff auf die 62,70

Hürden überwinden – und dies möglichst schnell: Elena Hartmann aus Börrstadt beim Training in Kaiserslautern.
Hürden überwinden – und dies möglichst schnell: Elena Hartmann aus Börrstadt beim Training in Kaiserslautern.

«Börrstadt.» „War es jetzt besser?“ Mit großen Augen mustert Elena Hartmann ihren Trainer, wartet gespannt, was er sagt, scheint alles aufzusaugen. Konzentriert nickt sie, kaut auf ihrer Lippe, verarbeitet und spurtet sofort wieder zum Start, um es nochmal besser zu machen. Die 17-jährige Hürdenläuferin weiß, was sie will: Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm über 400 Meter das Beste rausholen – und alles besser machen als in Wetzlar.

Wetzlar, die Deutsche Meisterschaft der U23 am 15. Juli 2019, ist für die Börrstadterin, die für den 1. FC Kaiserslautern startet, der Inbegriff dafür, wie es nicht laufen sollte. „Ich war relativ langsam, war vom Kopf her nicht bereit zu kämpfen, bin es von Anfang an zu lasch angegangen, konnte nicht das laufen, was ich mir vorgenommen hatte.“ 65,16 Sekunden brauchte sie für die 400 Meter Hürden im Halbfinale. Ihre Bestleistung liegt bei 62,70. Dass sie die jüngste Teilnehmerin war, wie ihr Trainer einwirft, zählt für sie nicht als Entschuldigung. „Der Kopf ist der größte Gegner“ „Ich bin zufrieden, wenn ich merke, dass ich alles gegeben habe. Das zählt mehr als die Platzierung. Der Kopf ist der größte Gegner, mehr als der Körper“, sagt sie, arbeitet gerade im mentalen Bereich sehr viel, tut aber auch körperlich alles, um besser zu werden. Viermal die Woche trainiert sie mit den Leichtathleten des 1. FC Kaiserslautern, macht sich dafür von Börrstadt nach der Schule mit dem Zug auf den Weg, oft fährt sie auch ihre Mutter, die in Enkenbach arbeitet. Allein selbst fahren darf sie erst in ein paar Monaten. Zum Lernen kann sie die Zeit im Auto wenig nutzen. „Da kann ich mich nicht so gut konzentrieren. Ich lerne mehr in den Freistunden. Da geht das besser.“ Manchmal lernt sie im Zug, aber meistens liest sie, um abzuschalten. Zuerst Voltigieren und Akrobatik Viel Zeit für sich hat sie ohnehin nicht, aber das stört die Leichtathletin nicht, die früh wusste, dass ihr Bewegung Spaß macht. Mit Voltigieren und Akrobatik hat alles angefangen. „Weil ich so klein bin, musste ich bei der Akrobatik immer nach oben.“ Sie lernte, den Körper zu beherrschen und sich durchzusetzen. Irgendwann machte sie bei Straßenläufen mit, merkte, dass sie das gerne machte, ging mit elf Jahren mit einer Klassenkameradin zum TV Wartenberg-Rohrbach. Trainierte gern, wurde schnell besser. Und war bald an einem Punkt, an dem sie merkte, dass sie neue Impulse braucht. Der kleine Platz, die kleine Halle, wenig disziplinspezifisches Training. Sie lief damals auch 800 Meter. Auf einem Kaderlehrgang lernte Elena Hartmann Jochen Allebrand kennen, der als Referent beim Kurs war. Sie trainierte einmal die Woche bei ihm in Kaiserslautern. Und war froh, als ihr damaliger Heimtrainer ihr half, den Absprung zu schaffen. „Er hat gesagt, er kann mir auf der Ebene nicht mehr weiterhelfen.“ Hartmann ist ihm dankbar dafür. Sie wechselte nach Kaiserslautern. Es passt beim FCK in jeder Hinsicht Seit vier Jahren ist sie jetzt beim FCK und glücklich im Verein, mit dem Team dort, den Trainern. „Es passt in jeder Hinsicht. Und ich habe mich sehr verbessert. Ohne die neuen Ideen wäre ich nie so gut geworden.“ Sie schwört auf Allebrands neue Trainingsmethode, der viel von neurozentrischen Übungen hält. Die Augen fixieren einen Punkt, durch bestimmte Bewegungen wird das Gleichgewichtsorgan im Innenohr angesprochen, das gibt dann Signale an den Körper. „Augenliegestützen zum Beispiel stabilisieren den Rumpf, danach ist die Technik gleich ganz anders“, schwärmt die 17-Jährige von den Methoden des Trainers. Der ganz froh ist, dass Kaiserslautern Landesstützpunkt für Leichtathletik geworden ist. Hartmann ist beeindruckt von den Anlagen, der Barbarossahalle mit der Tartanbahn und dem Kraftraum. Und sie freut sich, „dass alle in der Gruppe auf dem Niveau“ sind. „In den drei Wettkampfgruppen sind so viele gute Leute. Ich bin seit 2001 hier. Das gab es seitdem noch nicht“, sagt auch Trainer Allebrand. Wenn Elena Hartmann über die Hürden sprintet, schaut sie schon mal nach rechts und links und guckt sich von ihren Kollegen so manches ab. „Von Moritz Heene kann ich zum Beispiel was zur Frequenz lernen und wie flach er drüber geht. Bei mir ist da viel Platz“, schwärmt sie vom groß gewachsenen Athleten aus demselben Jahrgang, der sich über 100 Meter Hürden und Weitsprung für die DM qualifiziert hat. „Und Lara Hümke hat einen tollen Laufstil“, lobt sie die 100-Meter-Spezialistin, die ebenfalls in Wetzlar gestartet ist. Seit sie beim FCK ist, hat die Schülerin, die demnächst in die zwölfte Klasse kommt, viel gelernt: „Hürdentechnik, viele neue Trainingsmethoden, den Umgang mit Gewichten, viel Selbstständigkeit. Ich erkenne inzwischen, ob ein Lauf gut war. Ich kann mich jetzt vom Kopf mehr quälen“, sagt sie und ärgert sich wieder, dass das in Wetzlar nicht so geklappt hat. Dagegen lief letztes Jahr bei den Deutschen Meisterschaften alles glatt. Damals durfte sie noch bei der U18 starten. „Ich bin Achte geworden, bis ins A-Finale gekommen. Das war bis dahin mein Ziel. Ich habe aber nicht unbedingt geglaubt, dass es tatsächlich klappt.“ Treppchen wäre ein Traum In diesem Jahr definiert sie das Ziel ein bisschen anders. „Ich will es diesmal zumindest in den Livestream packen“, sagt sie augenzwinkernd. „Das letzte Mal hing der Livestream beim guten Vorlauf, und meine Mutter konnte mich nicht sehen. Und dann war ich so weit hinten, dass man mich gar nicht erkennen konnte.“ Was wirklich drin ist, kann sie schwer beurteilen. „Der Jahrgang letztes Jahr war ziemlich stark. Dieses Mal kenne ich noch nicht die nationalen Gegner.“ Einen Plan hat sie trotzdem: „Ich will wieder ins A-Finale kommen, da alles aus mir rausholen, was geht, gucken, wie weit ich nach vorne komme. Treppchen ist natürlich ein Traum, ich will nicht glauben, dass es klappt. Die ersten Fünf wären schon richtig gut. Und eine persönliche Bestleistung, mit der ich zeigen kann, was in mir steckt. Das Anfeuern auf der Zielgeraden, der Applaus, da rennt man noch mal schneller, man hat Druck, wenn eine neben mir ist, die besser ist“, sagt sie und spielt an dem inzwischen angegrauten Bändchen an ihrem Handgelenk. Ihr Einlassbändchen von der DM vor einem Jahr. Das hat sie nicht mehr abgelegt. „Jetzt kommt noch eins dazu“, sagt sie und strahlt. Die Börrstadterin hat sich viele Gedanken gemacht, wie dort alles besser laufen kann als in Wetzlar. „Ich habe mir einen Motivationstext geschrieben. Zur Erinnerung an das, was da passiert ist und was ich besser machen muss. Der kommt in die Tasche und den lese ich noch mal durch, wenn ich die Spikes anziehe“, sagt die 17-Jährige, die weiß, was sie will: Bei der DM so gut wie möglich sein. Und wenn’s klappt, die 62,70 knacken.

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