Donnersbergkreis Alzeys Bürgermeister Christoph Burkhard über Verbindungen zu Kirchheimbolanden

„Wie gelingt es uns als Kommunen, die Innenstädte attraktiv zu halten? Das ist eines der ganz wichtigen Themen“, sagt Christoph
»Wie gelingt es uns als Kommunen, die Innenstädte attraktiv zu halten? Das ist eines der ganz wichtigen Themen«, sagt Christoph Burkhard. Eines, das in Alzey wie in Kirchheimbolanden aktuell ist.

«Kirchheimbolanden.» Nicht selten fahren Menschen aus einigen Teilen des Donnersbergkreises nach Alzey zum Einkaufen oder Arbeiten, umgekehrt besuchen viele Alzeyer beispielsweise das Kibo-Bad. Zwischen den Städten Kirchheimbolanden und Alzey gibt es auch seit einiger Zeit Verbindungen. Wir haben den Alzeyer Bürgermeister Christoph Burkhard auf die Terrasse der Redaktion Kirchheimbolanden eingeladen und dort mit ihm über diese Verbindungen, gemeinsame Probleme, aber auch mögliche gemeinsame Projekte gesprochen.

Herr Burkhard, wären Sie gerne Stadtbürgermeister von Kirchheimbolanden?

Eigentlich nein. Der Unterschied zwischen Bürgermeister Burkhard und Stadtbürgermeister Klaus Hartmüller liegt darin, dass ich es professionell machen darf, dass es mein Beruf ist. Wenn man eine Stadtverwaltung leiten darf, gibt es zudem auch einiges an Zuständigkeiten mehr, was ich hab’. Das hat Klaus Hartmüller zum Beispiel mit VG-Bürgermeister Axel Haas zu teilen. Ich würde sagen, dass ich mehr Gestaltungsspielraum habe. Übrigens heißt es bei uns in Alzey nicht Stadtbürgermeister. Ich bin Bürgermeister. In Alzey wurde gerade gefeiert – das Festival „Da Capo“, in Kirchheimbolanden stehen mit Residenzfest und dem Festwochenende zum 650. Geburtstag der Stadt einige Feierlichkeiten an. Werden Sie da auch mal von Rheinhessen in die Pfalz reisen? Ich bin bei der 650-Jahrfeier zum Opernabend angemeldet. Zum Residenzfest komme ich nicht immer, das hängt von meinem Terminkalender ab. Wie oft sind Sie denn im Jahr in Kirchheimbolanden? Dadurch, dass ich südwestlich von Alzey aufgewachsen bin, fast an der Grenze zur Verbandsgemeinde Kirchheimbolanden, war der Bezug von uns Wahlheimern und auch den Freimersheimern nach Kirchheimbolanden traditionell schon enger gewesen als bei denjenigen, die vielleicht von Flonheim nach Kirchheimbolanden schauen. Es war schon immer so, dass wir früher Feste wie die Bierwoche besucht haben. Das hat sich für die Leute noch intensiviert, seitdem die Bahnverbindung wieder vorhanden ist. Alleine schon durch den gemeinsamen Energieversorger – noch ERP, bald EWR – gibt es Verbindungen zwischen den beiden Städten. Dann auch die Bereitschaftsdienstzentrale. Wo gibt es weitere? Die Wasserversorgung beispielsweise, wir haben Personenidentität im Museum. Karneths haben zwei Arbeitsverträge. Einen bei der Stadt Alzey, einen bei der Stadt Kirchheimbolanden. Ansonsten die ärztliche Versorgung. Es gibt viele Menschen aus Alzey, die besuchen Fachärzte in Kirchheimbolanden, die einen guten Ruf genießen. Ich weiß umgekehrt genauso, dass in anderen Bereichen der Kirchheimbolander nach Alzey kommt. Das ist schon sehr nah gewachsen. Die Verbindung ist ganz intensiv in Sachen Hallenbad. Wenn ich das Kirchheimbolandener Hallenbad ab und an mal besuche, ist das insofern interessant, dass ich genauso im Becken jedem guten Tag sagen muss wie im Alzeyer Freibad. Schon auf dem Parkplatz sieht man, dass die Hälfte der Autos AZ auf dem Nummernschild hat. Die Alzeyer fahren sehr gerne ins Kirchheimbolandener Hallenbad. Das zeigt, wie eng wir zusammengewachsen sind. Auch fährt man aus Alzeyer Sicht gerne zum Schillerhain zum Wandern. Umgekehrt fahren Menschen aus einigen Teilen des Donnersbergkreises gerne nach Alzey zum Einkaufen. Das werden Sie auch schon festgestellt haben, oder? Ich sehe auf den Parkplätzen sehr viele KIB-Kennzeichen. Und ich stelle auch fest, dass wir im Bereich der Beschäftigten sehr viele Menschen haben, die aus dem Donnersbergkreis kommen. Auch bei uns bei der Stadtverwaltung haben wir vermehrt Kollegen aus dem Donnersbergkreis. Die Alzeyer gehen zum Arbeiten nach Mainz, die Mainzer nach Frankfurt und so verschiebt sich das alles. Wir kriegen auf dem Arbeitsmarkt im Alzeyer Raum unsere offenen Stellen nicht mehr alle besetzt. Auffällig ist, dass sich im Alzeyer Industriegebiet einiges tut, jüngst unter anderem der Neubau eines Toom-Baumarktes. Das wird Sie als Bürgermeister freuen. Über die Ansiedlung von Toom haben wir uns sehr gefreut, denn durch die Insolvenz von Praktiker hatten wir in dem Bereich schon Bedarf, den wir auf Dauer decken wollen. Ansonsten gilt: Einzelhandel in Industriegebieten sollte eigentlich die Ausnahme sein. Jetzt muss man aber auch wissen, das Alzeyer Industriegebiet geht eigentlich auf Karl-Heinz Kipp, den Gründer von Massa, zurück. Er hatte vorher das Hochhaus in der Innenstadt bespielt. Da gab es Verkehrschaos. Also hat man mit ihm gemeinsam Anfang der 70er Jahre das Industriegebiet entwickelt. Man hatte aber auch den Plan, außer dem Bereich Massa sollen sich drumherum Industriebetriebe ansiedeln. Das hat sich nicht hundertprozentig erfolgreich entwickelt. Es wurde immer mehr Einzelhandel angesiedelt, beispielsweise Fachmärkte, viele Unternehmen, die auch Umsatz generieren, den wir eigentlich gerne in der Innenstadt hätten. Vor sieben, acht Jahren haben wir umgeswitcht. Wir haben ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept beschlossen, was den Einzelhandel im Industriegebiet bremst. Funktioniert das? Das Bremsen von Ansiedlungen im Industriegebiet ja. In der Innenstadt tun wir uns bei Ansiedlungen sehr schwer. Es gibt bei uns auch kritische Stimmen, die sagen, der Branchenmix in der Innenstadt ist nicht mehr da. Eine Entwicklung, die Sie in anderen Städten aber auch haben. Ja. Historische Städte haben auch historische Häuser. Die historischen Häuser haben historisch kleine Verkaufsflächen. Ich darf mich da nicht wundern, dass es in Alzey viele Brillengeschäfte, Juweliere, Handy- und Dönerläden gibt. Da kann ich über einen Flächenumsatz von 50 Quadratmetern noch meinen Lebensunterhalt verdienen. Wenn ich meine, ich könnte auf 50 Quadratmetern einen Drogeriemarkt eröffnen – den wir uns von Herzen wünschen würden in der Innenstadt, nachdem Schlecker zugemacht hatte –, kriege ich das auf kleinen Flächen nicht verwirklicht. Dann ist auch noch die historische Struktur der Häuser. Ein Beispiel: Unten war der Schuhmacherladen, mitten im Geschäft gehen die Treppen hoch in die Privaträume. Wie soll das funktionieren ohne einen riesigen Umbau, dass ich die Geschäftsräume von den Wohnräumen trenne? An der Situation haben wir zu knabbern. Es haben sich zudem die Einkaufsgewohnheiten kolossal gewandelt durch Internet. Da gibt es einen gewaltigen Strukturwandel. Was kann man da tun? Wir versuchen die Innenstadt zu beleben, haben ein Innenstadtentwicklungskonzept. Nicht nur der Verkehrsverein unterhält sich unter sich, wir geben fachliche Begleitung an die Hand, die wir extern einkaufen. Wir führen Gesprächsrunden, wie wir die Stadt voranbringen können. Wir haben ein Veranstaltungsmanagement bei der Stadt etabliert mit einer Fachfrau, die übrigens in Stetten wohnt (lacht). Wir betreiben professionelles Leerstandsmanagement. Wir machen sehr viel. Und wir betreiben schon seit über 40 Jahren Stadtsanierung in der Innenstadt mit Förderprogrammen von Bund und Land. Aber es bleibt dennoch nicht alles spurlos. Wir haben auch unsere Probleme in der Innenstadt. Was kann Alzey von Kirchheimbolanden lernen? Die Bürger in Alzey sagen das kostenlose Parken und die Pflege der Grünanlagen. Das wird in Alzey auch diskutiert. Warum muss ich in Alzey Parkgebühren zahlen? Ich sage dann, dass es 60 Cent die Stunde kostet. Für mich verkraftbar. Es hat Gründe, warum es in Kirchheimbolanden kostenlos geht und bei uns nicht. Wir nehmen die Gewinne vom Energieversorger und stecken sie ins Freibad. In Kirchheimbolanden ist man in der Situation, dass das Hallenbad der Verbandsgemeinde gehört. Die Stadt muss so die Gewinne nicht ins Hallenbad stecken. Umgekehrt: Was können die Kirchheimbolander von Alzey lernen? Weiß ich nicht. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Klaus Hartmüller. Ich betrachte ihn als Freund, wir pflegen einen sehr offenen Dialog. Da maße ich mir auch nicht an, Kirchheimbolanden Tipps geben zu müssen. Ich finde, die Stadt hat sich gewaltig gemausert. Umso kleiner die Stadt ist, umso schwieriger dürfte es aber sein eine Innenstadt am Leben zu halten. Was will Kirchheimbolanden machen, um dem Strukturwandel in der Fußgängerzone Herr zu werden? Wir sind mehr als doppelt so groß und haben unsere Schwierigkeiten. Wie gelingt es uns als Kommunen, die Innenstädte attraktiv zu halten? Das ist eines der ganz wichtigen Themen. Was hätten Sie gerne, was es in Kirchheimbolanden gibt? Die Menschen würden sich das Hallenbad wünschen. Ich mir auch, aber nicht das Defizit (lacht). Unser Freibad kostet die Stadt Alzey im Schnitt 800.000 Euro pro Jahr. Das gleichen wir über die Gewinne der ERP aus. Defizite bei den Bädern: Das ist überall in Deutschland, da können Sie machen, was Sie wollen. Wo wünschen Sie sich Kooperationen? Das Thema Bäder könnte eins für die Zukunft werden. In Alzey fährt direkt die Bahn am Bad vorbei. Problematisch, dass in Kirchheimbolanden der Bahnhof an einer ganz anderen Ecke ist als das Kibo-Bad. Man könnte in Alzey vielleicht sogar einen Bahnsteig am Schwimmbad machen. Ich bin generell für interkommunale Zusammenarbeit. Sonst ist meines Erachtens der Bereich öffentliche Infrastruktur kaum zu halten. Wir müssen Kräfte bündeln. Wir hatten in der Vergangenheit schon schöne Erfolge mit Kirchheimbolanden. Wenn sich in Sachen Kooperationen was Weiteres ergibt, sind wir beide sicher gerne bereit, darüber nachzudenken. Sie hatten vor zwei Jahren den Rheinland-Pfalz-Tag in Alzey. Würden Sie der Stadt Kirchheimbolanden empfehlen, sich zu bewerben? Ich traue es Kirchheimbolanden auf jeden Fall zu, dass die Stadt einen erfolgreichen Rheinland-Pfalz-Tag meistern würde. Das sind sehr fleißige Kollegen, die ich innerhalb von Kreis- und Verbandsgemeindeverwaltung kennengelernt habe. Sollte Kirchheimbolanden den Hut in den Ring werfen, wäre das eine prima Sache. Eins kann ich versprechen: Ich würde mich ins Zeug legen, dass wir als Stadt Alzey beim Umzug mitfahren dürften. | Interview: Sebastian Stollhof

„Ich finde, die Stadt hat sich gewaltig gemausert“, sagt Christoph Burkhard über Kirchheimbolanden.
»Ich finde, die Stadt hat sich gewaltig gemausert«, sagt Christoph Burkhard über Kirchheimbolanden.
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