Bad Dürkheim Bericht über Wurstmarkt-Wallfahrt anno dazumal
Die Eindrücke bei der „Wallfahrt“ zum Wurstmarkt zu Papier gebracht hat im Jahr 1860 ein Autor der „Palatina“, dem belletristischen Beiblatt der „Pfälzer Zeitung“, wo er unter dem Titel „Ein Tag auf dem Wurstmarkt“ erschien und ein schönes Stimmungsbild jener Zeit vermittelt.
Das Wetter besserte sich an jenem Tag im September 1860 bald wieder und schon setzte der Zustrom der „Pilger“ auf der großen Vogelwiese bei der Saline ein, wo sich die Zeltreihen schnell füllten und man sich nur „mit Mühe“ – wie berichtet wird – einen Weg durch die Massen bahnen konnte: „Das ist ein Treiben, Rennen und Jagen, Schieben und Geschoben werden!“
„Von draller Bauerndirne zu pfälzischer Lady“
Das bunte Bild bot aber zugleich auch Gelegenheit, Sprache, Trachten, Sitten und Gewohnheiten des „pfälzischen Volkes“ kennenzulernen, denn mit Bauern, Bürgern, Beamten und dem „weiblichen Geschlecht, von der schmucken, drallen Bauerndirne bis zur feinen pfälzischen Lady“ war ein repräsentativer Querschnitt durch die Gesellschaft gegeben.
Vielfältig wie die Wurstmarktbesucher selbst war auch deren äußeres Erscheinungsbild, das Traditionen, soziale Stellung und die Mode der Zeit widerspiegelte. „Und was soll ich von den Trachten sagen? Die Nebelkappe [Zweispitz] und der Dreimaster [Dreispitz] bis hin zum Calabreser, Garibaldi und stolzen Angstrohr, die weiße Haube mit dem Pfannkuchendeckel bis zum kuriosen Amazonenhut mit wallender Hahnenfeder und dem kleinen Genickhütchen, die weder vorn noch hinten aufsitzen, sondern mit Nadel an den Kopf befestigt werden: all dies findet sich in seltenen Exemplaren vor“.
Besucher in „Kamisol“, „Rock“ und Frack zu sehen
Ebenso waren das aus der Mode des 18. Jahrhunderts stammende „Kamisol“ (eine ärmellose Weste) und dazu der typische „Rock“ zu sehen, deren Träger sich ungezwungen neben dem eleganten Frack bewegten, während die einfachen Baumwollkleider der „Jungfrauen vom Lande“ einen augenfälligen Kontrast zu der „oben wespentaillenartigen, unten durch die Stahlreife der Krinoline ins Unendliche aufgedonnerten Gestalt der städtischen Damen“ bildeten.
Kaum vertreten waren dagegen die Dürkheimer Kurgäste, die an ihrer „feinen, noblen Kleidung“ erkennbar waren, wie auch an ihren „teilnahmslosen, herben Gesichtern“, wobei sich der Autor des Beitrags fragte, ob dies am Anblick des Treibens der Massen lag oder an der Qualität der „diesjährigen Trauben“, die man ihnen während der „Traubenkur“ verabreichte.
Dichtes Gedränge und ohrenbetäubender Lärm
An italienischen Kaffeebuden, Leber- und Knackwurstständen vorbei ging es dahin, wo sich die Massen am dichtesten drängten und ein ohrenbetäubender Lärm herrschte, denn hier gab es echte Raritäten zu schauen, wie etwa ein „zinnoberroter Herkules“, den selbst zwei Gäule nicht vom Baumstamm wegziehen konnten, den er umfasst hielt.
Im „Circus Schlegel“ wurden die Schlachten Napoleons dargestellt, sodass die Besucher hinter der Leinwand unversehens auf den „italienischen Kriegsschauplatz“ traten. Weitere Wurstmarkt-Attraktionen waren eine Reitschule und ein „Seelöwe aus dem Eismeer“ mit 28 Fangzähnen, den niemand Geringeres als der berühmte Kapitän Cook im Jahr zuvor von einer seiner Reisen mitgebracht haben sollte. Angesichts so vieler Attraktionen plagte den Autor bald der Hunger und er begab sich in die „Schick’sche Bretterhütte“, wo er sich eine saure Bratwurst mit Sauerkraut nebst einem „guten Schöppchen Dürkheimer“ einverleibte, während sich sein Nachbar mit einer kalten Leberwurst und neuem Birnenwein den Magen füllte.
„Im Dunkeln sieht man Pärchen wandeln“
Über die besonderen Stimmung auf dem Wurstmarkt heißt es: „Ohne Unterschied des Standes und des Geschlechtes sitzen die Pfälzer an den lose gezimmerten Brettertischen dichtgedrängt zusammen. Freunde, die sich Jahre lang nicht mehr sahen, tauschen Gruß und Handschlag und verplaudern vergnügte Stunden; wer weiß, wann und wo sie sich wiedersehen? Wo man hinblickt, überall ungeschminkte Freude, herzliches Entgegenkommen [...] Die Musik spielt deutsche Volksweisen, in welche die Anwesenden öfters einfallen. Hell klingen die Gläser, immer fröhlicher kreisen sie in der Runde, die Köpfe werden wärmer, von den Lippen fließen die Worte feuriger: die Stunden verrauschen, und ehe wir uns umsehen, ist's Abend geworden und die Trennungsstunde herausgekommen. Noch einmal werden die Gläser gefüllt und geleert bis zum Grunde, und mit einem Gruße auf fröhliches Wiedersehen übers Jahr trennen sich die Freunde. In den entfernteren Budenreihen ist es stille geworden: im Dunkeln sieht man hie und da ein Pärchen wandeln, die Brust voll Liebesglut, oder einen Biedermann einsam die Straße ziehen, halbverständliche Verwünschungen über das schlechte Pflaster ausstoßend“.