Bad Dürkheim Anspruchsvolle Musik und historische Briefe

Am Samstagabend las Gerrit Bräutigam beim Gitarrenfestival in Weisenheim am Berg aus Liebesbriefen berühmter Personen, dazu spie
Am Samstagabend las Gerrit Bräutigam beim Gitarrenfestival in Weisenheim am Berg aus Liebesbriefen berühmter Personen, dazu spielte Anika Hutschreuther Gitarre.

Das 22. Gitarrenfestival in Weisenheim am Berg begann am Freitag mit einem großartigen Duo-Konzert. Sören Golz und Ivan Danilov begeisterten die Zuhörer in der ehemaligen Synagoge mit Virtuosität, Präzision und Ausdruck. Am Samstag las Gerrit Bräutigam aus Liebesbriefen berühmter Persönlichkeiten, Anika Hutschreuther spielte dazu Gitarrenmusik verschiedener Epochen.

Gleich der Auftakt mit dem Duo Golz und Danilov am Freitag war von einer Qualität, die Maßstäbe setzt. Es sind immer gute Musiker, die Kurator Martin Müller in das Weindorf holt. Doch an diesem Abend blieb auch den verwöhnten Stammgästen die Spucke weg. Die jungen Musiker hatten ein außergewöhnlich anspruchsvolles Programm dabei. Ihr Vortrag war nicht nur von größter Virtuosität, sondern auch in Sachen Musikalität und Ausdruckskraft außerordentlich beeindruckend. „Duo ist die Königsklasse“, sagte Müller bei der Begrüßung. Was er damit meinte: Beim Duo müssen sich die beiden Partner ganz genau abstimmen, aber zugleich hört man in der kleinen Besetzung jede kleine Unstimmigkeit, die in größeren Ensembles nicht auffallen würde. Golz und Danilov haben auch bei der Zusammenstellung ihres Programms außergewöhnliche Ideen. Die beiden haben Joseph Haydns D-Dur Sonate (Hob. XVII:D1) für Hammerklavier für zwei Gitarren transkribiert. Das haben sie mit solchem Geschick gemacht, dass man das Werk für eine Originalkomposition für diese Besetzung halten könnte. Da werden Motive zwischen den Duopartnern hin- und hergereicht, da verzahnen sich melodische Linien und die beiden Gitarristen arbeiten mit Dynamik und Klangfarben. Daraus entsteht ein neuer musikalischer Blick auf Haydns Sonate und eine Interpretation, die begeistert. Vom Barock ging es in das 20. Jahrhundert. Sechs Stücke aus Béla Bartóks „Mikrokosmos“ haben Golz und Danilov ebenfalls selbst bearbeitet. Und auch hier gelang es ihnen überzeugend besondere Charakteristika der Gitarre in Klang und Dynamik einzusetzen. Da wird zum Beispiel eine Melodie ausschließlich mit Flageoletts gespielt, das sind Obertöne, die durch eine diffizile Anschlagstechnik erzeugt werden. Seine einzige Originalkomposition für Gitarren hat Tangokönig Astor Piazzolla geschrieben, nachdem er die Brüder Sérgio und Odair Assad spielen hörte, die einige seiner Stücke für sich arrangiert hatten. Davon war er so begeistert, dass er die Tango-Suite in drei Sätzen schrieb, die äußerst anspruchsvoll ist. Weit gefächerte Akkordbrechungen, die blitzschnell über das ganze Griffbrett fegen, müssen präzise und synchron gespielt werden. Golz und Danilov lieferten eine beeindruckende Interpretation. Die beiden Musiker sind erst Mitte 20, aber spielen mit einer reifen Souveränität. Ihre Klanggestaltung war feinstens aufeinander abgestimmt, Dynamik und Tempo gestalteten sie so, dass aus den zwei Gitarren ein gemeinsamer Klangkörper wird. Mit Manuel de Falas „Feuertanz“, die Transkription eines Orchesterwerks, als Zugabe fachten sie die Begeisterung der Zuhörer weiter an. Riesigen Applaus und Bravo-Rufe beantwortete das Duo mit einem beruhigenden letzten „Farewell“ von Sérgio Assad. „Ich küsse Dich Millionenmal“ hieß das Programm aus Musik und Rezitation von Anika Hutschreuther und Gerrit Bräutigam am Samstagabend. Die Gitarristin war schon einmal in Weisenheim zu Gast gewesen und hatte als Solistin bleibenden Eindruck hinterlassen. Unter den Texten waren Briefe gekrönter Häupter, wie der russischen Kaiserin Katharina II., die sich in einen Gardeoffizier verliebte, oder von Heinrich VIII., König von England, der Anne Boleyn seine Liebe bekundete und deswegen den Bruch mit dem Papst in Kauf nahm. Auch Briefe von Musikern gehörten dazu, etwa von Beethoven, der seiner „unsterblichen Geliebten“ schrieb und von Mozart, der seiner Constanze Zärtlichkeiten und Nonsens-Reime schickte. Die Briefe stellten viele Facetten der Liebe vor, die Musik dazu war offenbar nach emotionalem Gehalt und Stimmung ausgewählt. Spannend war dabei der große Bogen, den die Gitarristin spannte. Von der Lautenmusik John Dowlands aus dem 16. Jahrhundert über Astor Piazzolla und Filmmusik-Legende Ennio Morricone bis zu Zeitgenossen wie Andrew York. Die Gitarristin präsentierte ein breites Spektrum von Stilen und Klangfarben. Am Ende wurde ein Brief des 22-jährigen John Lennon, der mit den Beatles im Star Club in Hamburg spielte, vorgelesen. Dazu erklang der Beatles-Song „All you need is Love“, bei dem das Publikum mitsang. Klar gab es noch eine Zugabe: Ein Brief von Brecht und ein virtuoses Stück von York.

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