Klassik-Album Idylle: Liebeslieder von Charpentier bis Barbara mit Lea Desandre und Thomas Dunford

Meistert den Balanceakt zwischen barocker Hirtenfantasie und modernem Chanson mit Bravour: Lea Desandre.
Meistert den Balanceakt zwischen barocker Hirtenfantasie und modernem Chanson mit Bravour: Lea Desandre.

Wenn Lieder aus der Zeit des Sonnenkönigs auf die delikate Mélodie der Belle Époque und des Fin de Siècle treffen und sich in diese Melange auch noch zwei französische Chansons von 1962 schleichen, kann man fast sicher sein, dass diese beiden ihre Finger im Spiel haben: Thomas Dunford und Lea Desandre.

Der französische Lautenist und die Mezzosopranistin, die ursprünglich Balletttänzerin werden wollte, lieben solche unorthodoxen Kombinationen. In ihren Programmen wird das Erwartbare oft punktuell unterlaufen, um auf diese Weise zu erhellen, wie die musikalischen Epochen ineinandergreifen, wie nah das zeitlich Ferne klingen kann, sobald man den Kontext variiert.

Zusammen mit anderen Protagonisten einer erfrischend jungen Alte-Musik-Szene in Frankreich, darunter der Cembalist Jean Rondeau und Geiger Théotime Langlois de Swarte, bilden Desandre und Dunford das Ensemble Jupiter, das mittlerweile drei Alben mit Barockmusik zwischen Vivaldi und Händel vorgelegt hat. Hier nun allerdings agieren Sängerin und Lautenspieler in intimer Duo-Konstellation für ein Konzeptalbum, das, über die Jahrhunderte hinweg, dem „Idyllischen“ nachspürt.

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Liebelei im Walde

Dem Thema entsprechend ist in den französischen Liedtexten viel vom Wald die Rede. Aber da dieser spätestens seit den barocken Schäferspielen auch immer Kulisse erotischer Begegnungen war, geht es natürlich und hauptsächlich um die Liebe. Barockes weltliches Liedgut, entstanden für den Hof von König Ludwig XIV., bildet die Basis des Albums.

Famoser Begleiter und Arrangeur: Thomas Dunford.
Famoser Begleiter und Arrangeur: Thomas Dunford.

Schon mit den ersten Takten des ersten Gesangs – er stammt von einem hinlänglich unbekannten Komponisten namens Honoré d’Ambruys – entrücken Desandre und Dunford den Hörer in die arkadische Sphäre zärtlicher Hirten, in „die süße Stille unseres Waldes“. Marc-Antoine Charpentier (1643-1704), von dem man sonst allenfalls das „Te Deum“ kennt, weil diesem die Eurovisionshymne entnommen wurde, ist mit mehreren kunstvoll gesetzten Liedern vertreten. Darunter besticht „Celle qui fait tout mon tourment“ durch einen Einstieg, bei dem Lea Desandres schlanker Mezzo zunächst unbegleitet, wunderschön, durch elegische Gefilde schwebt. Dann erst setzt die Laute ein und steigert das Tempo, aus der Elegie wird ein expressives Sinnbild der „folie“, der Narrheit aus Liebe. Auch Michel Lambert (1610-1697), ein älterer Zeitgenosse Charpentiers, kommt hier mehrfach zu Wort. Besonders intensiv und hörenswert: sein Klagelied „Ombre de mon amant“.

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Brückenschlag zu Hahn, Satie und Barbara

Dass Desandre und Dunford dieses entlegene barocke Repertoire raffiniert mit Gesängen von Jacques Offenbach, André Messager, Claude Debussy und Reynaldo Hahn durchwirken, macht indes den eigentlichen Reiz des Albums aus. Nehmen wir nur die beiden Hits des Proust-Freunds Hahn: „Néère“ und „À Chloris“. Durch die Umarbeitung des Klavierparts für Laute klingen sie nun erst recht wie Fortschreibungen der barocken Idyllen, klassizistisch, antikisierend, erlesen, vom edlen Staub der Melancholie patiniert – und von Desandre einfach himmlisch gesungen.

Wenn dazwischen dann auch noch Eric Saties minimalistische Klavierschlager aus den „Gnosiennes“ und den „Gymnopédies“ auf der Laute erklingen und Desandre Françoise Hardys Chanson „Le temps de l’amour“ und Barbaras „Dis, quand reviendras-tu?“ interpretiert, dann bleibt kein Zweifel: dieses Album ist schlicht und ergreifend bezaubernd.

Lea Desandre, Thomas Dunford: »Idylle«, Erato/Warner Classics/Parlophone Records, ET: 13.10.2023

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