Filmfestspiele Cannes Matt Damons größer Fehler

Ein Amerikaner in Marseille: Matt Damon in seinen neuen Film „Stillwater“.
Ein Amerikaner in Marseille: Matt Damon in seinen neuen Film »Stillwater«.

Sein neuer Film heißt „Stillwater“, so wie der Ort in den USA, von dem er aufbricht nach Marseille: Matt Damon. Aber darin erkennt man ihn nicht.

Er hat gut 10 Kilo zugelegt für die Rolle, trägt einen Vollbart, kariertes Hemd und Baseball-Kappe. Wie man sich einen Amerikaner in Europa vorstellt. Mit Regisseur Tom McCarthy hat er die Art des Oscars gemein, die er bekam.

Bill, ein arbeitsloser amerikanischer Arbeiter (Damon) kommt nach Marseille, weil dort seine Tochter (Abigail Breslin aus „Litte Miss Sunshine“) im Gefängnis sitzt. Die Studentin soll ihre Freundin und Liebhaberin Luna getötet haben, fünf Jahre sitzt sie schon, vier bleiben, aber sie beteuert ihre Unschuld. Ein Junge namens Akim habe sie getötet, doch von dem fehlt jede Spur. Bill sucht und findet ihn in Marseille genauso zufällig wie ein eine alleinstehende französische Mutter findet, die für ihn übersetzt, und deren Tochter, für die er zum Vaterersatz wird. Er bleibt in Marseille, sucht sich Arbeit und wird zum Kriminellen, um den Prozess seiner Tochter aufzurollen.

Das gelingt ihm, bessert aber das Verhältnis zu seiner Tochter, die ihn nicht mag, nicht wirklich. Anfangs sucht er ihre Nähe und will ihr helfen, aber dann muss er eine erschreckende Wahrheit entdecken. In einer Mischung aus europäischen Arthouse-Familien-Film und Thriller bewegt sich Damon als steifer und naiver Amerikaner durch die Stadt, er wirkt verloren. Erst seine Ersatzfamilie hilft ihm, sich in dem fremden Land langsam zurechtzufinden. Doch gibt es immer wieder Dinge, die ihn überraschen und die er nicht verstehen und akzeptieren kann. So zurückgenommen wie in „Stillwater“ sieht man Damon selten, wenn er immer wieder nur stoisch „Yes, Sir“ sagt. Aber natürlich gibt es auch Actionszenen.

„In dem Film gibt es viele Szenen, die kein Schauspielen erforderten“, meinte der 51-jährige Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent, der seinen Drehbuch-Oscar (1997) lange vor McCarthy (2016) hatte, lachend beim Publikumsgespräch. „Meine Rollen suche ich einzig und allein nach dem Regisseur aus. Wenn man mit guten Regisseuren arbeitet, die einen fordern, dann wird der Film gut und man lernt viel“, meint Damon.

Er muss es wissen, er spielte schon in 90 Filmen mit, unter Martin Scorsese, Oliver Stone. Gus Van Sant und gleich neunmal unter Steven Soderbergh (die „Ocean’s 11“-Filme). Dass ein amerikanischer A-Klasse-Schauspieler ohne Allüren so locker mit dem Publikum redet, und so geduldig und familiär Fragen beantwortet, gibt es selten. Auch, dass der ehemalige Harvard-Student über Geld spricht: Als Studenten hätten er und sein Freund Ben Affleck nur deshalb ein Apartment bekommen, weil sie dem Vermieter eine Ausgabe des US-Filmmagazins „Variety“ unter die Nase halten konnten, wo sie auf dem Titel waren mit der Überschrift: „Diese verrückten Unbekannten wollen in Hollywood ein Drehbuch verkaufen“. Die Endzwanziger schafften es, „Good Will Hunting“ wurde verfilmt, sie bekamen einen Oscar. Danach ging es aufwärts.

Spätestens seit den drei „Bourne“-Filmen (2002-2007) ist Damon ein Star. Und ein „Bourne“-Film war es auch, der ihn das finanziell lukrativste Angebot seines Lebens ablehnen ließ. „Wir waren gerade in der Postproduktion des zweiten „Bourne“-Films, als mir James Cameron das Angebot machte, die Hauptrolle in „Avatar“ zu spielen – für zehn Prozent der Einnahmen! Ich überlegte, sagte ab, weil ich nicht wusste, ob man mich in der Postproduktion brauchte, außerdem hatte ich schon einen anderen Film zugesagt.“ „Avatar“ spielte fast knapp Milliarden Dollar ein …

Damon, der nicht in Hollywood, sondern in Cambridge, einem Vorort von Boston, lebt, nimmt es heute gelassen. Er müsse nicht immer überall mitspielen, er habe seine Produktionsfirma gegründet, um andere Filme auf den Weg zu bringen, die ihm wichtig sind, „nicht mit dem Blick aufs Publikum, sondern weil ich sie mag“. Auch wenn er keine Regie-Ambitionen hat: „Wenn ein Schauspieler wie Robert de Niro in „Der gute Hirte“ auch Regie führt, dann kann er zwar andere führen, aber nicht sich selbst. Bei gemeinsamen Szenen habe ich ihn indirekt geführt. Und wenn er mir dann sagt, dass er mir vertraut, ist es das größte Lob, das man bekommen kann.“

Plaudert so locker wie mit dem Nachbarn: Matt Damon beim Publikumsgespräch in Cannes.
Plaudert so locker wie mit dem Nachbarn: Matt Damon beim Publikumsgespräch in Cannes.
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