INTERVIEW Jazz-Saxophonist Stefan Karl Schmid

In Mannheim Jazz-Professor: Stefan Karl Schmid.
In Mannheim Jazz-Professor: Stefan Karl Schmid.

Der Jazz-Saxophonist Stefan Karl Schmid ist in Grünstadt zur Schule gegangen, in Köln beheimatet und neuerdings Jazz-Professor in Mannheim. Außerdem hat er sein neues Album „Muse“ vorgestellt.

Herr Schmid, Sie sind begeisterter Jazzer, Ihr Bruder Helgi Schauspieler. Liegen die künstlerischen Gene bei Ihnen in der Familie?
Unsere Eltern und Großeltern sind keinen künstlerischen Berufen nachgegangen. Entscheidender war für meinen Bruder und mich viel eher, dass wir in der privilegierten und nicht selbstverständlichen Situation waren, von unseren Eltern bedingungslos unterstützt und gefördert zu werden und dadurch dem folgen konnten, was uns am Herzen liegt.

Wollten Sie schon immer Jazz-Saxophonist werden?
Als ich mit neun Jahren begonnen habe Saxophon zu spielen, hatte ich von Jazz nicht die leiseste Ahnung. Mein damaliger Lehrer Frank Metzger an der Bad Dürkheimer Musikschule hat ihn mir nach und nach nähergebracht und der spätere Eintritt in das Landes-Jugend-Jazz-Orchester Rheinland-Pfalz weckte endgültig meine Faszination.

Sie sind in Grünstadt aufgewachsen und haben sich dann in Köln etabliert. Seit Oktober vergangenen Jahres sind Sie Professor für Jazz-Saxophon an der Mannheimer Musikhochschule. Eine bewusste Rückwendung zur Metropolregion – oder eher Zufall?
Richtig, ich bin in Grünstadt zur Schule gegangen. Das Studium hat mich dann erst für fünf Jahre nach Nürnberg geführt, bevor ich in Köln und New York Master-Studiengänge absolviert habe. In Köln lebe ich nun schon seit über zehn Jahren. Die Professur in Mannheim ist eine absolut glückliche Fügung, da es nur wenige solcher Stellen deutschlandweit gibt und diese auch schwer zu bekommen sind. Insofern freut es mich sehr, hierdurch wieder mehr Kontakt zur Metropolregion zu haben.

Der Laie meint, der Jazzer müsse vor allem kreativ improvisierend auf unerwartete Musik-Impulse seiner Mitspieler reagieren. Wie lässt sich das lehren?
Jazz und Improvisation ist wie Sprache. Es gibt unzählige Vokabeln, Dialekte und Schattierungen und all das, was zwischen den Zeilen zu finden ist. Je klarer, vielfältiger und zielgerichteter ich mich ausdrücken kann und je besser ich alle anderen Formen der Kommunikation meines Gegenübers verstehe, umso vielfältiger und interaktiver die Konversation. Selbiges gilt für die Improvisation. Es gibt also einerseits eine breite Palette an handwerklichen Dingen und andererseits die Suche nach dem individuellen und kollektiven künstlerischen Ausdruck. Mit beiden Aspekten kann man sich auf verschiedensten Ebenen sein Leben lang auseinandersetzen, sie studieren und beforschen.

Was können Sie als Musikprofessor in Pandemiezeiten ausrichten? Ist sinnvoller und erfolgreicher Unterricht auf Distanz möglich?
Gerade im Bereich der Kunstschaffenden stelle ich fest, dass kreative Lösungen gefunden und erprobt werden, mit denen ein sinnvoller Unterricht möglich sein kann. Das gemeinsame Musizieren und Spielen vor Publikum fehlt natürlich sehr. Meiner Meinung nach werden wir die Pandemie in der Rückschau jedoch nicht als verlorene Zeit betrachten, sondern mit vielen neuen Werkzeugen und Erfahrungen gestärkt daraus hervorgehen.

Kürzlich ist, ein Jahr nach dem 2020 erschienen Album „Pyjama“, die neue Scheibe „Muse“ herausgekommen. Hat Ihnen Corona dafür Muße verschafft?
Das könnte man annehmen. In der Arbeitsrealität sieht es jedoch so aus, dass die Produktion eines Albums von der ersten Komposition bis zum fertigen Tonträger in der Regel mehr als ein Jahr dauert. In dem Prozess stecken hunderte Stunden Arbeit und es sind besonders in der Post-Produktion zahlreiche Personen involviert. Die Musik für „Muse“ wurde folglich schon vor der Pandemie aufgenommen. In den vergangenen Monaten sind jedoch zahlreiche neue Dinge entstanden, die schon Anfang 2022 veröffentlicht werden. Man darf gespannt sein.

Was bewegt Sie bei Ihren Kompositionen mehr: die Absicht, Neues, Ungehörtes auszutüfteln, oder der Spaß, Musik zu machen, die Ihnen gefällt?
In der Regel ist es eine Kombination aus beidem. Oder anders gesagt: Gerade das Austüfteln an sich, das Unerwartete, Spontane und Unvorhersehbare ist das, was besonders reizvoll ist und damit am meisten Spaß macht.

Außer Eigenkompositionen gibt es auf „Muse“ ein isländisches Volkslied. Das hat doch einen spezifischen Grund?
Ja, ich bin halber Isländer. Meine Mutter ist Isländerin und wir haben fast jedes Jahr ein paar Wochen dort verbracht. Leider habe ich nie länger in Island gelebt, aber das Land und die Menschen üben eine große Faszination auf mich aus. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich deshalb intensiver mit isländischer Musik. Auch hiervon wird es übrigens bald noch deutlich mehr zu hören geben.

Hingehört: „Muse“

Es ist eine Musik, mit der man gut leben kann, die einen nie bedrängt und nie langweilt, die weder plakative Messages trägt noch planlos beliebig daherkommt, vielmehr durch ihre filigrane Klarheit immer wieder ermunternd und lebensfroh wirkt. Der Kölner Jazz-Saxophonist Stefan Karl Schmid hat die meisten Stücke ersonnen und auf CD versammelt. Wie schon auf der Vorgänger-CD „Pyjama“ stehen ihm David Helm am Kontrabass und Thomas Sauerborn am Schlagzeug zur Seite. Das Zusammenspiel des Jazz-Trios ist von herrlicher Subtilität und Achtsamkeit. Dazu kommen im Wechsel Musiker, die kontrastierende Klangfarben und einen jeweils durchaus eigenständigen Approach einzubringen wissen. Es sind Shannon Barnett (Posaune), Bastian Stein (Trompete) und Pablo Held (Piano). Das Booklet ist sprechend wortkarg: Es nennt nur zwei Definitionen zu „Muse“ aus dem englischen Oxford Dictionary. Die eine meint das Hauptwort, ganz klassisch im Sinn personifizierter Inspiration. Die andere das Zeitwort „to muse“ im Sinn von „austüfteln, sorgfältig ausgestalten“.

Info

Stefan Karl Schmid: „Muse“, Tangible Music 2021, CD 14,95 Euro, Digital 12,95 Euro, tangiblemusic.bandcamp.com

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