Wirtschaft „Wollen beispielhaft vorangehen“

Nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft wie in Hatzenbühl, sondern auch in Langwieden bei Landstuhl (Foto) haben die Stadtw
Nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft wie in Hatzenbühl, sondern auch in Langwieden bei Landstuhl (Foto) haben die Stadtwerke Speyer Windkraftanlagen gebaut.

«Speyer». Eine rentable Investitionspolitik, die Ressourcen schont und die Kundenbedürfnisse einer bezahlbaren, verlässlichen Energieversorgung sowie komfortabler Daseinsvorsorge berücksichtigt: So fasst Wolfgang Bühring, Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer (SWS), die Strategie des städtischen Versorgers zusammen. Der Klimaschutz ist der Antreiber. Die zu 100 Prozent ökologische Stromversorgung bis 2030 sowie eine reine Ökowärmeversorgung bis 2040 sind die Ziele.

Ob diese Zielsetzung zu erreichen sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Denn dafür seien die Rahmenbedingungen nicht entsprechend, findet Wolfgang Bühring, seit 21 Jahren an der Spitze der Speyerer Stadtwerke. Der Zubau von Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energie ist gedeckelt. Die Abstandsflächen, die zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung einzuhalten sind, wurden vergrößert. Beides sind Beispiele für Restriktionen, die den Ausbau der Ökostromerzeugung bremsen. Zudem fehle eine allumfassende CO2-Bepreisung – also nicht nur für die Industrie, sondern auch für den Verkehr und die Wärmeerzeugung im Bereich Wohnen. Das würde den Einsatz von Öko-Energien fördern. Zwar höre er „viel Kritik“ an den Rahmenbedingungen der Energiewende – Bühring ist Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) in Rheinland-Pfalz –, es passiere aber nichts in Sachen Nachsteuerung durch den Bund. In regelmäßigen Gesprächen mit dem zuständigen rheinland-pfälzischen Staatssekretär mehrmals im Jahr spreche er diese Themen in Richtung Bundesregierung und EU an. Die Energiewende werde schlecht koordiniert und gesteuert, kritisierte gestern auch der Bundesrechnungshof scharf in Richtung Bundeswirtschaftsministerium, das derzeit von Peter Altmeier (CDU) geführt wird. „Eine gesamtverantwortliche Organisationsform gibt es bis heute nicht.“ Und das trotz der mindestens 160 Milliarden Euro, die dafür seit 2013 aufgewendet worden seien. Rentabilität der Ökoenergie-Projekte ist hingegen ein wesentliches Kriterium für die SWS und deren Anteilseigner, der Stadt Speyer. Deswegen gibt es keinen Ökoenergieanlagenbau um der schieren Menge Willen. „Wir hätten die fünffache Kapazität an Windkraftprojekten machen können, aber damit hätten wir kein profitables Wachstum geschaffen“, betont Bühring. Mit Beteiligungen – unter anderem ein 10-prozentiger Anteil am Windkraftanlagenbauer und -betreiber Weag – sowie eigenen Solaranlagen und Windparks kann das Unternehmen theoretisch bereits mehr als die Hälfte des Strombedarfs der Haushalte und Gewerbebetriebe der Stadt decken. Im Strommix der SWS stecken 60 Prozent Ökostrom. Inklusive des Fernwärmeausbaus, in den bisher rund 10 Millionen Euro geflossen sind und in den noch einmal die Hälfte der Summe investiert werden soll, sowie eines Windparks in Hatzenbühl für 26 Millionen Euro investieren die SWS binnen zehn Jahren rund 65 Millionen Euro in Öko-Energieprojekte. Dabei muss der Energieversorger über die Heimatregion hinausgehen: Zweistellige Millionensummen flossen unter anderem in Windräder in der Westpfalz, im Hunsrück und in Rheinhessen. Dort ist das Windaufkommen höher als in der Ebene – und der Ertrag in Kilowattstunden deswegen besser. „Wir sind ein kommunales Unternehmen“, unterstreicht Bühring dennoch. Das auswärtige Wachstum sichere den für die Kostendeckung notwendigen Beitrag. Zwar sei das Wachstum langsam, aber stabil und langfristig. Rund ein Viertel der SWS-Kunden stammt aus anderen Netzgebieten. Der Kundenzuwachs sei größer als die Abwanderung, der Wechselwille der Stammkunden gering. Die Kundenzufriedenheit, die regelmäßig abgefragt wird, sei überdurchschnittlich hoch. „Die Kunden nehmen unsere Angebote an“, betont Bühring. Die Fernwärme, die das Mannheimer Steinkohlekraftwerk (GKM) liefert, auf ökologisch erzeugte Wärme umzustellen, soll bis 2040 gelingen. Energieversorger müssten langfristig planen. Das habe Nachteile, aber auch Vorteile: „Es schafft Vertrauen, wenn es erfolgreich gelingt.“ Der gute Absatz des selbst erzeugten Ökostroms bringe die Kommune derzeit an Grenzen. Deswegen müsse die eigene Stromproduktion auf mittlere Sicht ausgeweitet werden. Eine Möglichkeit sieht der SWS-Chef im alten Speyerer Heizkraftwerk. Dort wäre Platz für einen großen Batteriespeicher, in dem erneuerbar erzeugter Strom „gelagert“ werden könnte. So könnte überschüssiger Ökostrom genutzt werden, anstatt die Erzeugungsanlagen abzuschalten, weil gerade Abnehmer fehlen. Wie andere Kommunen auch, stellt Speyer seine kommunale Beleuchtung auf energiesparende und zweischenzeitlich deutlich preiswerter gewordene LED um. Zwei Drittel der Maßnahmen seien abgeschlossen, sagt Bühring, das restliche Drittel der Straßenlaternen soll in maximal fünf Jahren ausgetauscht sein. Die SWS haben die Beleuchtung von der Kommune übernommen, betreiben sie und finanzieren die Investitionen aus den Einsparungen. Das Sparvolumen ist erheblich. Verglichen mit alten, seit 2015 in der EU verbotenen Quecksilberdampflampen beträgt die Stromeinsparung durch LED 90 Prozent, im Vergleich mit deren Nachfolgern, den Natriumdampflampen, sind es immerhin rund 50 Prozent. Der Wechsel von Quecksilber auf Natrium hatte den Energiebedarf um ein Drittel bis die Hälfte verringert. Nicht nur der minimierte Energieverbrauch ist ein Vorteil, sondern auch die Flexibilität, mit der die LED gesteuert werden können: Sie können gedimmt oder mit Bewegungsmeldern ausgestattet werden. Nachteil: Weil die Lichtausbeute höher ist als mit den alten Lampen, ist es Anwohnern oft zu hell. „Wir setzen uns sehr direkt mit den Leuten auseinander“, beteuert Bühring, das sei die Stärke eines Stadtwerks. Meist gebe es einvernehmliche Lösungen. Teils würden Masten sogar versetzt, manchmal sei das aber aus Denkmalschutzgründen nicht möglich. Teil der kommunalen Daseinsvorsorge ist auch der Ausbau des Glasfasernetzes. Seit über 15 Jahren wird am Speyerer Glasfasernetz gebaut. In welchem Tempo es weitergeht, bestimmen die städtischen Gremien. Spüren können die schnellen Datenbahnen nicht nur jene Haushalte, die am Netz hängen. Sondern auch Besucher, die ein freies, leistungsstarkes W-Lan-Netz in der Innenstadt nutzen können. Der ersten sollen zwei weitere Ausbaustufen folgen. Zur SWS-Geschäftsstrategie gehört zudem ein Rechenzentrum, das auch Dienstleister für kleinere Stadtwerke ist.

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