Wirtschaft Smartphone als Policen-Problem

Neuerdings können manche Autos per Handy gestartet werden. Das ist praktisch, aber knifflig für Versicherungen. Die Allianz stellt nun Forderungen im Namen der Branche.

Mercedes-Benz hat den digitalen Fahrzeugschlüssel als erster Autohersteller optional eingeführt. „Man braucht kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass sich die Anzahl der so ausgestatteten Fahrzeuge schnell erhöhen wird“, sagt Allianz-Schadenvorstand Jochen Haug. Die Innovation, die ihm und anderen Versicherungsmanagern Kopfzerbrechen bereitet, ist die Möglichkeit, ein Auto per Smartphone zu öffnen und zu starten. Das ist zwar verbraucherfreundlich, weil der Schlüsselsatz nicht mehr wie bisher auf zwei Exemplare beschränkt ist und Fahrzeughalter die digitale Version prinzipiell beliebig oft weitergeben können. Auch Carsharing-Firmen, die Schlüssel für ihre Autos bislang im Gefährt hinterlegen müssen, sehen darin einen Fortschritt. Im Diebstahlsfall wird es aber kompliziert. Fahrzeugbesitzer müssen dann, wenn der Wagen unberechtigt geöffnet und gestohlen wurde, gegenüber ihrem Versicherer den Nachweis für das äußere Bild einer Entwendung führen, erläutert Haug. Dazu zählt die Erklärung, den Wagen nicht mehr am abgestellten Ort aufgefunden zu haben. Entscheidend ist aber vor allem, dass man alle Fahrzeugpapiere und -schlüssel vollständig vorlegen kann. Bei virtuellen Schlüsseln auf Smartphones wird das schwierig. Auch der Allianz ist klar, dass kein Kunde dem Versicherer sein Handy zuschicken wird, wenn sein Auto gestohlen wurde. Hier muss es andere Regelungen geben, soll der Diebstahlsschutz versicherungstechnisch weiter funktionieren und zwar möglichst, bevor das Problem zu einem flächendeckenden wird. Seit 2015 untersucht die Allianz in ihrem konzerneigenen Zentrum für Technik in einem Forschungsprojekt die Risiken elektronischer Zugänge in moderne Autos. Die Resultate stellte dessen Chef Christoph Lauterwasser in einem Anforderungskatalog an die Adresse der Kfz-Hersteller vor. „Der virtuelle Schlüssel darf nicht kopierbar sein“, betont der Technikexperte. Ob das in dieser Absolutheit im Zeitalter von Cyberkriminalität und ohne Unterlass aufrüstenden Hackern zu verwirklichen ist, bleibt eine andere Frage. Man kann es Cyberkriminellen aber sicher leichter oder schwerer machen. Außerdem müsste die Weitergabe virtueller Schlüssel softwaretechnisch so dokumentiert werden, dass stets zweifelsfrei nachweisbar ist, wer eine Kopie erhalten hat. Der Fahrzeughalter müsste technisch auch in die Lage versetzt werden, solche Schlüssel bei einem Diebstahl des Fahrzeugs nachweisbar sofort auf elektronischem Weg zurückzuziehen. Außerdem verlangt die Allianz, dass die Zugangsberechtigung zum Auto von der Fahrberechtigung für dasselbe getrennt wird. Das sei mit Blick auf neue Dienstleistungsmodelle wie etwa Paket-Lieferung in den Kofferraum wichtig. Elektronische Wegfahrsperren haben dafür gesorgt, dass die Anzahl in Deutschland entwendeter Pkw von im Schnitt über 100.000 Wagen im Jahr Anfang der 1990er-Jahre auf zuletzt konstant unter 20.000 Diebstähle per annum gesunken ist. Das Smartphone als digitaler Autoschlüssel könnte diesen Trend wieder umkehren. Deswegen solle es verbindliche Standards dafür geben, fordert Haug. Denn die datentechnische Vernetzung greife nun zunehmend auf wichtige Autorisierungen im Fahrzeug zu. Dazu bedürfe es Transparenz auch darüber, wer wann und für welchen Grad von Schlüssel berechtigt wurde sowie größtmöglicher Daten- und Kopiersicherheit. Kommentar

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