Wirtschaftskriminalität Betrugsprozess um hessischen Goldhändler PIM

In dem Prozess um den hessischen Goldhändler PIM geht es um Tonnen von Gold, die nicht dort sind, wo sie sein sollten.
In dem Prozess um den hessischen Goldhändler PIM geht es um Tonnen von Gold, die nicht dort sind, wo sie sein sollten.

Die Altersvorsorge futsch, riesige Anlagevermögen weg: Tausende Anleger ließen sich in Niedrigzinszeiten zu Geschäften mit dem hessischen Goldhändler PIM verlocken. Doch die Firma soll krumme Geschäfte gemacht haben. Nun beginnt der Prozess.

Gold übt seit jeher eine Faszination auf die Menschen aus. Dumm nur, wenn Hunderte Kilogramm bezahlter Barren des Edelmetalls nicht dort sind, wo sie sein sollen. Genau das wirft die Staatsanwaltschaft zwei früheren Verantwortlichen des insolventen Goldhändlers PIM aus dem hessischen Heusenstamm vor. Ab diesem Dienstag müssen sich die 49 und 52 Jahre alten Männer vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Der Hauptvorwurf: Schwerer Betrug. In dem langwierigen Verfahren geht es um viele Millionen Euro, die Tausende Anleger wohl abschreiben können. Es geht auch um Verträge für den Kauf von rund drei Tonnen Gold, das den Vorwürfen zufolge in diesem Umfang wohl nie in irgendwelchen Tresoren gelagert war.

Vor gut einem Jahr waren Geschäftsräume der PIM Gold GmbH durchsucht und Gold beschlagnahmt worden. In der Folge meldete die Firma im Kreis Offenbach Insolvenz an. Laut Anklage soll das Unternehmen zwischen 2016 und September 2019 mit seinen Kunden Lieferverträge einschließlich Boniversprechen über das Gold abgeschlossen, diese aber nicht erfüllt haben. Zins-Zahlungen sollen nach einer Art Schneeballsystem über neu angeworbene Kundengelder ausgezahlt worden sein.

Forderungen von 180 Millionen Euro

„Es gibt Fälle mit überschaubaren Beträgen bis hin zu zigtausenden Euro“, sagt der Sprecher der Darmstädter Staatsanwaltschaft, Robert Hartmann. Es sei aber deutlich zu wenig Gold eingelagert worden. Es gehe um Millionen Euro. „Am Ende des Verfahrens wird man zu einer genauen Summe kommen.“

Konkreter zeichnet sich der Schaden schon beim Insolvenzverwalter Renald Metoja ab. Aktuell gebe es weit mehr als 7000 angemeldete Forderungen mit einem Gesamtvolumen von knapp 180 Millionen Euro, sagte sein Sprecher Sebastian Glaser. „Vereinzelt gehen noch weitere Anmeldungen ein.“ Die Spanne der einzelnen Forderungen reiche von Beträgen von 20 bis hin zu 1,9 Millionen Euro. Im Bestand seien bislang rund 560 Kilogramm Gold und Schmuck sichergestellt worden. Die Goldmenge entspräche nach aktuellem Kurs einem Wert von umgerechnet rund 27 Millionen Euro.

140 Zeugen, 13 Meter Akten

Die neunte Strafkammer des Landgerichts steht vor einem riesigen Prozess mitten in Corona-Zeiten. Verhandlungstermine sind bis in den Juni terminiert, eine Verlängerung ist nicht ausgeschlossen. Bislang gehören nach Angaben von Gerichtssprecher Jan Helmrich rund 13 Meter Akten zu dem Verfahren. Rund 140 Zeugen sind geladen. Die Anklageschrift ist Hartmann zufolge 226 Seiten dick.

„Das ist nicht ausermittelt“, ist sich indes die Rechtsanwältin des angeklagten 49-Jährigen, Stefanie Schott, sicher. Ihr Mandant, der seit September 2019 wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft sitzt, habe bislang keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht und werde dies auch zum Prozessauftakt erst einmal nicht tun. Es werde in dem Prozess zunächst um Verfahrensfragen gehen. Schott ist sicher, dass es ein langer Prozess werden wird. Die bislang geladenen Zeugen seien ausschließlich Zeugen der Anklage. „Wir haben bislang keine Zeugen geladen.“ Das werde erst im Zuge des Verfahrens entschieden. Der mitangeklagte 52-Jährige ist auf freiem Fuß.

Goldhandel unterliegt nicht der Finanzaufsicht

Betrügereien im großen Stil mit sogenannten Schneeballsystemen gibt es immer wieder. So flogen im März 2005 die Machenschaften der Frankfurter Investmentfirma Phoenix Kapitaldienst auf. Bei einem der größten Fälle von Wertpapierbetrug in Deutschland waren Anleger seit Anfang der 1990er Jahre um insgesamt 600 Millionen Euro geprellt worden. Auch Goldhändler standen wegen möglicher dubioser Geschäfte immer wieder in der Kritik, weshalb auch immer wieder ein Eingreifen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gefordert wird.

„Goldkauf und -verkauf unterliegt nicht der Finanzaufsicht“, sagt Katharina Lawrence vom hessischen Verbraucherschutz. Hier sei Eigenverantwortung gefragt. Bei sogenannten Bonuszahlungen sollte man schon hellhörig werden. Verbraucher sollte nicht auf mögliche Geheimtipps, versprochene hohe Renditen, intransparente Websites oder Hochglanzbroschüren hereinfallen. „Es muss klar beschrieben sein, wann, unter welchen Bedingungen ich mein Geld zurückbekomme.“ Im Zweifelsfall solle man sich Hilfe holen. Es gebe immer wieder dubiose Angebote im Internet oder Broker, die aus dem Ausland anrufen. Für Lawrence ist aber auch klar: „Man kann kein Schneeballsystem auf den ersten Blick erkennen.“

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