Wirtschaft Autoindustrie versucht Flucht nach vorne

Daimler plant mehr als 50 Modelle mit Stromantrieb. Das Bild zeigt einen elektrisch angetriebenen Mercedes vom Typ „Concept EQA“
Daimler plant mehr als 50 Modelle mit Stromantrieb. Das Bild zeigt einen elektrisch angetriebenen Mercedes vom Typ »Concept EQA«.

«Frankfurt.» Nach „Dieselgate“ und unter massivem politischen Druck treten die deutschen Autobauer mit hohen Investitionen in Elektroautos die Flucht nach vorne an.

„Bis 2022 werden wir das gesamte Produktportfolio von Mercedes-Benz elektrifizieren“, kündigte Daimler-Chef Dieter Zetsche kurz vor Beginn der Automesse IAA gestern in Frankfurt an. VW-Boss Matthias Müller will bis 2025 sogar 80 neue E-Modelle auf den Markt bringen. BMW-Lenker Harald Krüger plant bis dahin 25 Elektrofahrzeuge. Bundeskanzlerin Angela Merkel redete den heimischen Autobossen wegen „Dieselgate“ bei einem Fernsehauftritt zum wiederholten Mal ins Gewissen: „Es ist erhebliches Vertrauen missbraucht worden. Das wird auch nachwirken bei uns als Politikern.“ Merkel wird die IAA morgen offiziell eröffnen. Zur letzten IAA vor zwei Jahren flog der Abgasbetrug bei Volkswagen auf, inzwischen ist die gesamte heimische Branche in Misskredit geraten. Die Kunden machen wegen drohender Fahrverbote einen großen Bogen um den Diesel. Politik und andere Industriezweige sorgen sich um die nicht zuletzt vom Auto geprägte Marke „Made in Germany“. Der Druck auf die Konzerne, saubere Antriebe zu entwickeln, ist enorm – zumal die Konkurrenz im Ausland Gang um Gang höher schaltet und inzwischen selbst in China, dem größten Automarkt der Welt, laut über ein mittel- bis langfristiges Verbot von Verbrennungsmotoren nachgedacht wird. US-Elektroauto-Pionier Tesla drängt zunehmend in den Massenmarkt. Europas größter Autokonzern VW versucht nun, wieder in die Offensive zu kommen. „Wir werden die Revolution in unserer Industrie anführen“, machte Vorstandschef Müller sich selbst und der Branche Mut. Er kündigte eine Verdoppelung der Investitionen von VW in die Elektromobilität auf mehr als 20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 an. Daimler will den Kleinwagen Smart schon ab 2020 ausschließlich als Elektroauto anbieten. und plant mehr als 50 Modelle mit Stromantrieb. Daimler-Chef Zetsche sprach sich gegen eine Quote für Elektroautos oder Verbote von Verbrennungsmotoren in Europa aus. Unter den deutschen Autobauern hatte in den vergangenen Jahren BMW mit dem i3 die Nase vorne gehabt, wenngleich die Nachfrage weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Die Münchner wollen nun bis 2025 zwölf vollelektrische Modelle anbieten. Vor zu viel E-Euphorie warnte Carlos Tavares, Chef der Opel-Mutter PSA, bei dem neben Opel auch Autos der Marken Citroen und Peugeot vom Band laufen. „Wenn es funktioniert und Unternehmen damit profitabel sein können, ist das gut“, sagte er in der „Bild am Sonntag“. „Wenn es aber im Markt nicht funktioniert, haben alle, Industrie, Mitarbeiter und letztlich die Politik, ein großes Problem.“ PSA plant nach den Worten von Tavares keinen Abbau von Arbeitsplätzen bei Opel. Die Anzahl der Stellen sei schon massiv reduziert worden – von 70.000 vor 15 Jahren auf jetzt 38.000 unter dem Vorbesitzer General Motors, sagte Tavares gestern auf der IAA. „Die Belegschaft wurde dramatisch verringert, aber es gibt immer noch Verluste – also fehlt etwas“, ergänzte er. Ein Grund dafür seien Managementfehler. Die Produktion sei nicht effizient genug. Doch dieses Problem wolle er mit den Beschäftigten lösen. „Die Menschen sind die Lösung und nicht das Problem“, sagte der Chef des französischen Autokonzerns. Die Opelaner müssten nur mehr Raum zum Atmen bekommen, um kreativ zu sein und die Wende zur Profitabilität zu schaffen. Er habe Opel in einer sehr ähnlichen Lage vorgefunden wie Peugeot-Citroen zu seinem Antritt vor vier Jahren, sagte Tavares. Durch mehr Effizienz sei es ihm dort gelungen, die Rendite von 5 auf mehr als 7 Prozent zu steigern. Die Belegschaft bei Opel sei voller Elan. Deshalb sei er auch hier zuversichtlich. Die Entwicklung von Opel-Modellen soll laut Tavares in der Hand der Rüsselsheimer bleiben. PSA wolle in die Werke investieren. Aktienchart: Peugeot

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