Rheinpfalz Mittelalterliches Gefängnis an Buchkammer?

91-94477023.jpg

Die Buchkammer auf dem Heidenberg südlich von Busenberg ist ein besonderes Kulturdenkmal. Um sie ranken sich Geschichten und Sagen. Weil niemand weiß, von wem sie errichtet wurde und welchem Zweck sie einst diente, wurde bisher viel über diese Felsenkammer spekuliert. Um etwas Licht in deren Geschichte zu bringen, hat sich ein Forscherteam um Hans Klose intensiv mit der Buchkammer befasst und jetzt die Forschungsergebnisse in einem Heft veröffentlicht.

Über die Buchkammer gibt es fast keine historischen Belege und Hinweise. Wahrscheinlich hat dies ebenfalls zu vielen Spekulationen geführt. Selbst der Name ist uneinheitlich. Findet sich in amtlichen Karten ab 1963 der Name Buchkammer, wird die Felsenkammer im Volksmund oft Heidenkammer oder Heidenlöcher genannt. Die Buchkammer befindet sich im westlichen Ausläufer des Heidenbergs, südlich der Burgruine Drachenfels. Bei der Anlage handelt es sich um vier in den Fels geschlagene Kammern, die mit Gängen verbunden sind. Dem vorhandenen schmalen Fels geschuldet, sind die rechteckigen, unterschiedlich großen Kammern relativ klein und nur etwa zwei auf drei Meter groß. Der einzige Eingang zu den Kammern liegt in 7,40 Meter Höhe über dem Waldboden und ist normal nicht zugänglich. Mit Ausnahme der östlichen Kammer besitzen die anderen in den Fels gehauene Fenster in Nord-Süd-Richtung. Das Forscherteam hat nun sowohl die Kammern als auch das Äußere des Felsens genauestens unter die Lupe genommen. Untersucht wurden Bearbeitungs- und Hauspuren, Zugangsmöglichkeiten, die Tür- und Fenstersituationen, Pfostenlöcher und mögliche Mauerreste auf der Felsplattform. Das Heft ist in erster Linie eine wichtige Dokumentation der heute noch am Heidenberg festzustellenden Spuren. Akribisch hat das Klose-Team hierzu erstmals vor Ort alles detailliert vermessen, festgestellt, fotografiert und beschrieben. Das dritte Kapitel des Heftes widmet sich dann den „unterschiedlichen Interpretationen der Befunde – einst und jetzt“. Hier räumt Klose überwiegend mit den bisher im Raum stehenden Spekulationen auf. War der Heidenfels einmal ein vorgeschobener Beobachtungsposten der Burg Drachenfels und die Buchkammer die Wächterstube? Klose verneint dies, nach seinen Feststellungen sieht man vom Heidenfels aus eher weniger von der Burg Drachenfels selbst, so dass ein Aussichtsposten auf dem Heidenfelsen entbehrlich war. Dies gelte umso mehr für die sehr eingeschränkte Sicht aus den Fenstern der Buchkammer und deren allzu spartanischen Ausstattung, eine Zisterne fehle gänzlich. Die Buchkammer wurde offenbar bewusst so angelegt, dass sie gewollt schwer zugänglich war. Zwar seien einzelne Griffe und Tritte in den Fels gehauen, die seien jedoch jüngeren Datums. Das Forscherteam konnte hingegen zwei Rinnen feststellen, welche dem Einlegen einer Leiter gedient haben dürften. „Offensichtlich war seinerzeit die Buchkammer nur über die abnehmbare Leiter begehbar.“ Leiter und hoher Eingang seien Merkmale passiver Verteidigung, auf aktive Verteidigungseinrichtung lasse hier nichts schließen. Der Frage, ob auf dem Heidenfelsen einmal eine Burg stand oder die Buchkammer eine Vorburg vom Drachenfels war, begegnen die Forscher skeptisch. Das Fehlen einer aktiven Verteidigung spreche gegen diese Annahme. Der über der Buchkammer gelegene Abschnitt des Heidenfelsens sei vom übrigen Heidenfelsen durch einen Felseinschnitt von nur 2,5 Meter Tiefe abgetrennt – zu gering um als „Halsgraben einer Burg“ bezeichnet zu werden, zumal Spuren einer Mauererhöhung fehlen. Interessant ist die Frage, ob auf dem Heidenfelsen einmal ein Gebäude gestanden hat, zumal dort Pfostenlöcher vorhanden sind. Jochen Braselmann hat den Fels untersucht und kommt zu dem Schluss, dass auf dem Heidenfelsen über der Buchkammer weder ein Holz- noch ein Steingebäude gestanden hat. Auf der Felsoberfläche gebe es keinerlei ebene oder geebnete Flächen für eine Bebauung, die Anordnung der Pfostenlöcher ergebe keinen Gebäude-Grundriss. Ansätze für ein Steinmauer-Bett fehlen. Bei den biologischen Untersuchungen durch Oliver Röller konnten keine kalkliebenden Moose gefunden werden, die ein Indiz für verschwundene Kalkmörtel-Mauern gewesen wären. Wozu mögen die Felskammern aber sonst gedient haben? Der einzige vorhandene archivarische Hinweis findet sich in einer Beschreibung über einen Grenzumritt des benachbarten Mundatwaldes der Abtei Weißenburg. Die nördliche Mundat-Grenze verlief in Ost-West-Richtung genau über den Heidenberg. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erfolgte im September 1655 ein Grenzumritt des Mundat. Im folgenden Jahr 1656 wurde der entsprechende Bericht hierüber gefertigt. Darin heißt es über den Grenzverlauf: „Von diesem Stein hinüber an den Heydenberg; …Auf diesem Berg hinauf bis an das andere Eck gegen Drachenfels zu, befinden sich ebenmäßige Schlüssel und Kreuz, wie an dem ersten Eck, hoch oben angehauen, da vorzeiten das Schloss Drachenfels drei Gefängnisse gehabt …“ Diese drei Gefängnisse, folgert Klose, können nur die Buchkammer sein. Wenn 1655 als „vor Zeiten“ genannt wurde, könne man dies nur so verstehen, dass sie diese Funktion lange vor 1655 hatte, jedenfalls vor der Zerstörung der Burg Drachenfels im Jahr 1523. Die Befunde an der Buchkammer, so die Forscher, stützen die Interpretation als Gefängnis. Die Buchkammer war nur mittels einer angestellten Leiter zugänglich und ohne Leiter konnte man sie nicht verlassen. Die ehemalige Eingangstür besaß nur eine massive Verriegelung von außen mittels Balken. Klose schränkt jedoch ein: „Wenn die Buchkammer zweifelsohne als Gefängnis gedient hat, soll dies nicht heißen, dass sie auch ursprünglich zu diesem Zweck erstellt wurde.“ Neben dem historischen Interesse nennt Hans Klose noch einen weiteren Grund für die Dokumentation. „Nach und nach zerstören Geocache- und andere Besucher, Lagerfeuer und vor allem Graffiti das Kulturdenkmal, wobei der Verlust einer einmal vorhandenen Jahreszahl im Fels (1674 oder 1678) besonders bedauerlich ist“. Die Dokumentation soll den heutigen Zustand nicht nur für die Nachwelt festhalten, sondern auch helfen, das Kulturdenkmal zu schützen. Info Das Heft über die Buchkammer in Dina 4-Format kann über die Höhlenforschergruppe Karlsruhe, Telefon 0721/841152, oder über Gerhard Schwarzmüller, Telefon 06391/1875, bezogen werden und liegt in der Drachenfelshütte aus.

x