Rheinpfalz Mit 66 Jahren fängt das Musizieren an

Mannheim. „Barock’n’Roll“ heißt ein neuer Kurs an der Musikschule Mannheim. In diesem lernen Senioren unter anderem Noten lesen und Instrumente zu spielen. Die Nachfrage ist groß, lebenslanges Lernen scheint nicht mehr nur ein Schlagwort zu sein.

Knapp 20 Senioren stehen im Halbkreis um Ulrike Alt herum. Hochkonzentriert blicken sie auf die Geige, die sie auf dem linken Arm wiegen. Der Bogen fährt teilweise noch sehr zaghaft über die Saiten – doch die Melodie ist schnell erkennbar: „Every Breath You Take“ von Sting. Ein Blick auf die Tafel im Raum bestätigt dies, denn dort stehen der Text und die Töne, die die Musiker treffen sollen. Musikschulpädagogin Ulrike Alt ist die Leiterin der Seniorengruppe, die derzeit gemeinsam ein neues Angebot der Mannheimer Musikschule nutzt. „Barock’n’Roll“ – elementare Musik für Senioren nennt es sich. Und damit verfolgt die Musikschule ein ganz bestimmtes Ziel. Nicht nur die Jugend, sondern auch die Älteren sollen angesprochen werden, sollen Musik machen, sollen sich weiterbilden. Bislang ist „Barock’n’Roll“ noch ein Modellprojekt. Die Teilnehmer mussten dank der Unterstützung der Fritz-und-Margot-Rychel-Stiftung noch nichts dafür bezahlen. Start war im Februar, und schon nach kurzer Zeit war der Kurs voll belegt. Vermittelt werden darin zum Beispiel musikalische Grundlagen und Notenkenntnisse. Es wird getanzt, und man kann verschiedene Instrumente ausprobieren. Wenn man sich im „Ton vergreift“ ist das kein Problem, denn nicht jeder der 60- bis 80-Jährigen hat musikalische Vorkenntnisse. Die sind aber auch nicht nötig. Mittendrin befindet sich an diesem Tag der Metzgermeister Günter Schramm. Der 75-Jährige ist Mitglied beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. „Und der Verein braucht einen Trompeter“, erzählt er lachend. „Barock’n’Roll“ gibt ihm nun die Möglichkeit, das Blasinstrument kennenzulernen. Jetzt ist er mit voller Inbrunst dabei und schwärmt nicht nur von seinem neuen Wissen, auf das er nun aufbauen kann: „Wenn man Frau Alt vor sich sieht, sieht man Musik.“ Auch die 67-jährige Ingrid Scheefer ist begeistert: „Das Flair hier ist wunderbar.“ Sie fand über eine Annonce zu dem Modellprojekt, das sie zum Anlass nahm, sich wieder mit der Musik zu befassen. Scheefer spielte einst Klavier, Flöte und Gitarre. Ihre Kenntnisse will sie wieder auffrischen. Ulrike Alt und die Bildungsbürgermeisterin Mannheims, Ulrike Freundlieb, erklären, was es mit dem Modell, das bis Ende Januar 2015 läuft, auf sich hat. „Für Kinder und Jugendliche wird in Mannheim bereits viel getan“, sagt Freundlieb, die an den Bildungsauftrag der Musikschule erinnert. Denn der richte sich an alle. Heutzutage seien die Senioren fitter und brächten Wissensdurst mit – und ein Stichwort schwebe heutzutage ja sowieso immer im Raum: lebenslanges Lernen. „Die hohe Nachfrage und die hohe Teilnehmerzahl an diesem neuen Angebot haben gezeigt, dass wir die richtige Richtung eingeschlagen haben“, resümiert Freundlieb. Der Kursinhalt basiert auf den Wünschen der Teilnehmer, die im Vorfeld bei einer Umfrage ermittelt wurden. „Noten lernen, ein Konzertbesuch, Hintergrundwissen zu Instrumenten“, fasst Ideengeberin Alt beispielhaft zusammen. Damit jeder kommen kann, der Interesse hat, stellt die Musikschule die Instrumente zur Verfügung. Und bezüglich der Gruppe sagt Alt: „Die Teilnehmer haben nach und nach an Mut gewonnen und helfen sich gegenseitig.“ Hilfe benötigt bei der letzten Geigenkennenlernstunde niemand mehr. Die Senioren haben den Popsong schon drauf, spielen ihn nicht nur auf der Geige, sondern singen ihn auch. Letztlich sollen die Erfahrungen, die die Musikschule mit dem Kurs macht, ausgewertet werden. Ab Mai 2015, so ist es geplant, soll „Barock’n’Roll“ als kostenpflichtiger Kurs ins Regelangebot der Mannheimer Musikschule aufgenommen werden.

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