Kultur Südpfalz Löwenherz im alten Rom

In 283 Tagen ist es wieder soweit, dann wird im Badischen Staatstheater Karlsruhe bei Kerzenschein erneut die Händel-Oper über Richard Löwenherz gespielt, die im vergangenen Februar mit Recht für so große, nachhaltige Begeisterung sorgte. In Karlsruhes lothringischer Partnerstadt Nancy machte der Sänger des Titelhelden, Franco Fagioli, jetzt als Mozart-Sänger Furore.

Dass die teilweise sehr hohe Töne verlangende Kastraten-Partie des Sesto in Mozarts später Opera seria „La Clemenza di Tito“ (Die Milde des Titus) von einem Mann gesungen werden könnte, schien noch vor wenigen Jahren undenkbar. Sie war lange als Hosenrolle den Mezzosopranistinnen vorbehalten. Nun ist das dank eines solchen Ausnahmesängers wie des Countertenors Franco Fagioli (www.franco-fagioli.info) anders geworden. Und da bei der szenischen Produktion des im alten Rom spielenden „Titus“ im herrlichen Opernhaus zu Nancy am Weltkulturerbe Place Stanislas (www.opera-national-lorraince.fr) auch die kleinere Partie des Annio mit einem Mann, mit dem aus Odessa stammenden Countertenor Yuriy Mynenko besetzt war, gab es ein ganz neues, faszinierendes Mozart-Erlebnis. Die moderne, aber sehr stilbewusste und aussagekräftige Inszenierung von John Fulljames in der klaren und attraktiven Ausstattung von Conor Murphy war ideal, um bei dieser Besetzung Mozarts Werk eine besondere Intensität und Authentizität zu geben. Der dramatische Konflikt war jedenfalls konsequent und glaubwürdig auf den Punkt gebracht. Wie nicht anders zu erwarten, setzte Franco Fagioli sein darstellerisches Potenzial und seine Bühnenpräsenz für ein bewegendes Rollenporträt voll ein. Doch natürlich war sein Gesang das primäre und grandiose Ereignis. Mit großer Gesangskunst meisterte der argentinische Sänger, der am Tag der von uns besuchten Sonntagsnachmittagsvorstellung 33 Jahre alt wurde, alle technischen Anforderungen. Vor allem aber beglückte seine ausdrucksvolle Modellierung , seine noble Phrasierung und seine facettenreiche Artikulation. In seinem sehr lesenswerten Text im Programmheft gab er ein Bekenntnis zur dramatischen Wahrheit von Mozarts Musik ab – und er ließ dieses in einem wahrlich klassisch schönen und dennoch überaus empfindungsreichen Gesang zu tönender Tat werden. Unter der die Partitur plastisch gestaltenden musikalischen Leitung von Kazem Abdullah sangen auch die anderen Solisten auf hohem Niveau. Yuriy Mynenko gab den Annio mit viel Feinschliff. Gerne hörten wir ihn auch einmal in Karlsruhe. In der Titelrolle verband Bernard Richter Stimmglanz und Beweglichkeit. Mit viel Furor agierte Sabina Cvilak als Vitellia und seelenvollen Gesang bot Bernarda Bobro in der Rolle der Servilia. Im November wird Franco Fagioli in London im Royal Opera House Covent Garden (www.roh.org.uk) dann mit dem Idamante im „Idomeneo“ die andere große Mozart-Partie für hohe Männerstimmen in einer Neuinszenierung von Martin Kušej und unter der musikalischen Leitung von Marc Minkowski (der stand vor ein paar Jahren auch schon in der Landauer Festhalle am Pult) singen. Der Sesto in Mozarts „Titus“ war Fagiolis zweiter Auftritt in der Opera National de Lorraine in Nancy. Im Herbst 2012 war er dort als Arbace in jener szenischen Produktion von Leonardo Vincis Opera seria „Artaserse“ aufgetreten, die längst Kultstatus besitzt und von der seit wenigen Wochen ein Mitschnitt einer der Vorstellungen in Nancy auf DVD vorliegt (Erato 46323234). Von Lothringen aus trat diese Wiederbelebung der römischen Oper von 1730, in der auch die Frauenrollen von Männern gesungen werden und nun fünf Countertenöre und ein Tenor agierten, ihren Siegeszug durch ganz Europa an, wo sie – szenisch oder konzertant – immer ein enthusiasmiertes Publikum fand. Zwei Tage nach der letzten „Clemenza di Tito“-Vorstellung in Nancy fand im Concertgebouw in Amsterdam die letzte „Artaserse“-Vorstellung stand. Im voll besetzten Saal gab es an einem draußen kühlen und verregneten Samstag drinnen noch einmal bei dieser sensationellen Einstudierung unter Diego Fasolis ein Fest der Barockoper sondergleichen. Das berauschte wahrlich das Publikum und animierte es schier nach jeder Arie zu Szenenbeifall und am Ende zu Ovationen. Der geistige Vater dieses sagenhaften Projekts, der Countertenor Max Emanuel Cencic (www.parnassus.at), der auch als Mandane exzellent mitsang, wird in 134 Tagen, am 28. September, in Karlsruhe sein Programm mit Arien von Johann Adolf Hasse singen. Karten gibt es unter www.staatstheater.karlsruhe.de oder Telefon 0721 933333, (rg)

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