Rheinpfalz „Es wird schwer“

Kaiserslautern. Herr Förster, blickt denn eigentlich noch irgendjemand bei der Krankenhausfinanzierung durch? Können Sie mal in wenigen Sätzen skizzieren, wie das Westpfalz-Klinikum sein Geld verdient? Im Grunde ist es einfach: Die Anzahl der Patienten mal dem Schweregrad der Erkrankungen ergibt die Finanzierung beziehungsweise die Vergütung durch die Kassen. Der Schweregrad wird in Leistungspunkte eingeteilt. Eine Blinddarm-Operation hat eine bestimmte Punkteanzahl, eine Herz-Operation eine höhere. Da blicken wir schon durch. Aber? Jetzt wird es etwas komplizierter. Wenn wir Leistungen erbringen müssen, weil es mehr Patienten gibt als kalkuliert, dann bekommen wir für die Mehrleistungen nur 75 Prozent der Vergütung. Die Anzahl der Patienten steigt, weil die Menschen älter und damit häufiger krank werden. Genau da liegt unser Problem, denn das Leistungsspektrum des Vorjahres ist immer die Basis. Ein Beispiel: Wir behandeln 1000 Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen. Das ist die Basis. Im nächsten Jahr sind es nun 1010 Patienten, dann kriegt das Krankenhaus für die zehn Patienten mehr nur 75 Prozent der normalen Vergütung. Warum ist das so? Das hat der Gesetzgeber so bestimmt. Und es kommt noch schlimmer: Im darauffolgenden Jahr bekommt man auch nur die 75 Prozent. Also: 2013, so nehmen wir mal an, behandeln wir 1000 Patienten; 2014 sind es 1010, zehn davon werden zu 75 Prozent bezahlt; wenn wir 2015 wieder 1010 Patienten haben, dann werden diese zehn mehr wieder nur mit 75 Prozent vergütet. Das bedeutet für uns: Wir kriegen unsere Leistung zweimal hintereinander nicht voll bezahlt. Künftige Planungen gehen sogar von drei Jahren aus. Immer wieder ist zu hören, Krankenhäuser machen Geld damit, dass sie Patienten länger behalten, als es notwendig wäre. Diese Behauptung müsste sich doch eigentlich mit der Einführung der Fallpauschalen und den Mindest- und Höchstgrenzen beim Klinikaufenthalt erledigt haben. Das ist tatsächlich so. Wenn ein Patient auf den Beinen ist und es medizinisch vertretbar ist, geht er heim. Der umgekehrte Vorwurf lautet, dass Kliniken ihre Patienten zu früh entlassen, damit der nächste schneller einrücken und Geld bringen kann. Es ist richtig, dass der Patient heute früher nach Hause geht als vor zehn Jahren, aber wenn es medizinisch notwendig ist, bleibt er im Krankenhaus. Das ist vielleicht manchem zu früh, aber beispielsweise kann eine nicht vorhandene nachstationäre Versorgung nicht dazu führen, dass der Patient länger als medizinisch notwendig im Krankenhaus bleibt. Private Kliniken haben den „Vorteil“ gegenüber kommunalen, dass sie die Fachabteilungen, die kein Geld bringen, dicht machen können. Ein Haus der Maximalversorgung wie das Westpfalz-Klinikum kann das nicht. Kann es finanziell trotzdem bestehen? Es kann nicht nur private Kliniken geben. Auch kommunale Krankenhäuser müssen wie ein Wirtschaftsbetrieb arbeiten. Aber das Geld muss dann auch reichen, um auskömmlich wirtschaften zu können. Aber es reicht doch eben nicht. Für Fachabteilungen, die nicht wirtschaftlich arbeiten können, muss man einen Zuschlag bei den Krankenkassen beantragen, für den es aber hohe Hürden gibt. Meines Wissens gibt es den Zuschlag bisher nur einmal in Rheinland-Pfalz. Aber auch, wenn die Fallpauschale nicht ausreicht, können wir natürlich keine Abteilungen schließen, nur weil sie unwirtschaftlich sind. Was muss sich denn ändern, damit ein Krankenhaus einträglich leben kann, der Patient gut versorgt wird, das Personal sich nicht überfordert fühlt und vor allen Dingen genug Personal vorhanden ist? Es muss differenzierter vergütet werden. Wenn eine Klinik zum Beispiel bei einer OP für ein künstliches Kniegelenk nur einen bestimmten Teil macht, hat sie geringere Sachkosten, sie operiert kürzer, das Bett ist schneller frei, doch sie bekommt dieselbe Fallpauschale wie die Klinik, die das Knie komplett macht. Die Vergütung müsste das berücksichtigen, so dass eine solche Rosinenpickerei keinen Sinn mehr macht. Ein anderes Beispiel ist die Notfallversorgung. Die Ambulanz steht sehr oft in der Kritik der Patienten: Keiner da, es dauert zu lange. Muss das so sein? Die Vergütung für die Notfallversorgung ist so knapp, dass man mit so wenig Personal, wie es der Vergütung entspricht, gar nicht arbeiten kann. Die Vergütung reicht also hinten und vorn nicht? Nein, aber die Notfallversorgung ist auch nicht unsere Aufgabe, denn die wenigsten dieser Patienten werden stationär aufgenommen. Wenn fast 4000 Patienten pro Monat bei uns sind, dann sind das nicht nur Patienten, die in eine Notaufnahme gehören, sondern in die Bereitschaftsdienstzentrale der niedergelassenen Ärzte. Dort oder beim Hausarzt wird entschieden, ob ein Patient ins Krankenhaus muss oder ob er nach einer ambulanten Behandlung nach Hause gehen kann. So wäre es vom System her richtig. Dann ist doch das System falsch, denn die Menschen gehen ins Krankenhaus, wenn sie von der Leiter gefallen sind oder das Herz sticht. Müssten nicht die Notfallzentralen in Kliniken so ausgestattet sein, dass sie die Leute ordentlich und schneller verarzten könnten? Ja, Notfallzentren müssten finanziell besser gestellt werden. Das Westpfalz-Klinikum bildet Ärzte für die Unimedizin in Mainz und die Heidelberger Uni-Klinik aus, was Zeit und Geld kostet. Wir machen das gern und sind stolz darauf, dass wir Lehrkrankenhaus für zwei Universitätskliniken sind. Aber der Mehraufwand schlägt sich an keiner Stelle in den Erträgen nieder oder wird refinanziert. 2013 hat das Klinikum ein Minus von 1,6 Millionen Euro eingefahren. Wie sieht es für dieses Jahr aus? Es wird auch in diesem Jahr schwer werden, ein ausgeglichenes Betriebsergebnis zu erreichen. Wie lange hält ein kommunales Krankenhaus ein Defizit durch? Die Frage kann man so allgemein nicht beantworten. Pauschal: Ein Defizit kann man nur kurz- bis mittelfristig überbrücken. Die Geschäftsführung muss also in irgendeiner Form reagieren. Sicher, aber das muss ich erst mit Aufsichtsrat, Betriebsrat und Mitarbeitern besprechen.

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