Eisenberg „Das kann kein Kanalsystem verkraften“

Rund einen Meter hoch schossen die Fluten am Dienstagnachmittag durch die Kerzenheimer Straßen in Eisenberg, das gesamte Ausmaß der Schäden war aber auch am gestrigen Tag noch nicht zu erfassen. Die Feuerwehren sind weiter zu Einsätzen ausgerückt, um Keller auszupumpen und Schäden zu beseitigen.

„Ich kann mich nicht erinnern, dass es in Eisenberg jemals so stark geregnet hat“, sagte gestern am Vormittag der Bürgermeister der Verbandsgemeinde, Bernd Frey, zum Ausmaß der Schäden. „Wir haben seitens der Verbandsgemeinde auch in mehreren Gebäuden Wassereinbrüche gehabt, beispielsweise im Kindergarten Ortswiesen, im Hausmeisterhaus am Schwimmbad und bei den Werken.“ Auch im Westring sei die Straße unterspült worden, wusste Frey am Vormittag zu berichten. Ramsen und Kerzenheim sind hingegen offenbar vom Schlimmsten verschont geblieben. Gestern Nachmittag hat sich eine Art Krisenstab mit der Bestandsaufnahme der Schäden beschäftigt. Die Kläranlage der Verbandsgemeinde Eisenberg wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen, wie Abwassermeister Udo Philippi auf Nachfrage der RHEINPFALZ berichtete. „Hier können maximal 128 Liter pro Sekunde durchlaufen, größere Wassermengen weist die Anlage ab.“ 37 Millimeter Niederschläge in nur 45 Minuten habe er gemessen, so Philippi. 10.000 Kubikmeter Wasser seien durch die Kläranlage geflossen, das übrige Wasser sei vorbeigeleitet worden. „Kein Kanalsystem der Welt ist in der Lage, solche Ereignisse zu verkraften. Wir haben hier zugesehen, wie sich die Ebertsheimer Straße in einen See verwandelt hat“, sagte Philippi. „Unverantwortlich war aus meiner Sicht hier das Verhalten von zahlreichen Autofahrern, die mit 60 und mehr Sachen in solche Pfützen eingefahren sind, um das Wasser mal so richtig spritzen zu lassen. Wenn dann einer in einen offenen Kanaldeckel rast, dann hat das mindestens Verletzte zur Folge“, so der Abwassermeister. In der Ebertsheimer Straße habe das Wasser die Gulli- und Kanaldeckel rund 20 Meter von den Einlaufstellen wegegespült. Insgesamt gebe es in der Verbandsgemeinde im Kanalsystem 30 Regenüberläufe, die gestern alle kontrolliert werden mussten. 187 Einsätze sei die Feuerwehr am Dienstag nach dem Beginn des Regens bis gegen Mitternacht gefahren, informierte gestern Erwin Seißler, der Wehrleiter der Verbandsgemeinde Eisenberg, der bei diesem Großeinsatz die Einsatzleitung übernommen hatte. Unterstützung bekam er von der Führungsgruppe der Feuerwehr des Donnersbergkreises. 15 Wehren aus dem Kreis konnten zur Unterstützung nach Eisenberg kommen, da die benachbarten Verbandsgemeinden Göllheim und Kirchheimbolanden vom extremen Regen verschont blieben. Zum Teil seien in Eisenberg Wehrleute im Einsatz gewesen, bei denen zu Hause das Wasser in den Keller lief, berichtet Seißler. Insgesamt waren am Dienstag 154 Wehrleute aktiv. Auch gestern musste bis zur Mittagszeit die Feuerwehr noch sieben Mal ausrücken, um dort Wasser zu beseitigen, wo es nachlief. Sechs Wehrleute waren noch im Einsatz. Am heftigsten habe es am Dienstag die Kerzenheimer Straße, die Pestalozzi-Straße und auch die Industriestraße getroffen. Dort sei eine Person in einem Fahrzeug eingeklemmt worden. „Wir haben es nicht geschafft, zu allen, die uns gebraucht hätten, auch wirklich zu kommen. Ein Teil der Betroffenen hat sich in vorbildlicher Weise selbst geholfen“, so Seißler. Verletzt worden ist nur ein Feuerwehrmann, der beim Auspumpen eines Kellers in einen offenen Schacht trat. Um das in einem Keller ausgetretene Öl habe sich der Gefahrstoffzug aus Kirchheimbolanden gekümmert. Das verunreinigte Wasser sei aufgefangen worden und zum Entsorgungsunternehmen Becker nach Mehlingen gebracht worden. „Straßenüberflutungen haben wir während der Nacht durch Sperrungen kenntlich gemacht“, so Seißler, der auch das DRK für dessen Unterstützung bei der Versorgung und Betreuung der Wehrleute dankte. Sechs Wehrleute waren gestern noch im Einsatz. „Wir werden noch etwa zwei Tage brauchen, um die Aufräumarbeiten zubewältigen, die uns dieses einhundertjährige Regenereignis beschert hat“, resümierte Bernd Frey gestern nach der Krisensitzung. In den Kindergärten hätten die Mitarbeiterinnen selbst Hand angelegt, in der Werksverwaltung sei die EDV knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt, im Wasserwerk seien die Mitarbeiter damit beschäftigt gewesen, die Steuerung wieder neu einzurichten. „Die Regenrückhaltebecken in der Adenauer- und Friedrich-Ebert-Straße sind übergelaufen, doch ohne die Becken wären die Schäden viel schlimmer ausgefallen“, so Frey. Erste Klagen gebe es aus dem Bereich Wingertsberg Teil D, wo Betroffene mutmaßen, dass der Kanal zu klein dimensioniert sei. „Wir werden belegen, dass diese Anschuldigungen falsch sind“, kündigte der Bürgermeister an. Nachgedacht werde auch darüber, wie mit der Forstverwaltung weitere Maßnahmen gegen die Folgen von Starkregen ergriffen werden können. Frey: „Es wird darum gehen müssen, Wasser bereits im Wald abzuführen und zukünftig zu vermeiden, dass Wege ausgeschwemmt werden.“ (jös)

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