Rheinpfalz Coole Kiste: Eine Ode an den Kühlschrank

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Ein Leben ohne Kühlschrank? Herrje, geht nicht. Die kalten Kästen sind Mittelpunkt von Familienessen und vielen WG-Streitereien. An ihnen haften Souvenir-Magneten, Fotos und Einkaufszettel. Eben viel drinnen und viel draußen. Eine Wertschätzung für den Alltagsbegleiter.

Bei mancher Großfamilie ist er so zugestellt, dass man schon Suchexpeditionen starten muss, um die Bärchenwurst zu finden. In der Studenten-WG haftet an jeder Packung ein Namenszettel – und trotzdem verschwinden Lebensmittel auf unerklärliche Weise. Der ewige Junggeselle findet immer wieder grün-blau-weiß sprießende Sachen in den hintersten Ecken des Schranks, die man bestimmt auch als biochemische Waffe an den Mann bringen könnte. Egal, Hauptsache der Sixpack Bier wird kalt. Miss Healthy und Vegan kramt aus dem Gemüsefach die Zutaten für ihren gesunden grünen Frühstück-Smoothie hervor. Bei ihrer feierfreudigen Schwester geht’s puristischer zu. Da findet sich nur Prosecco und Nagellack in den Fächern. Oma schiebt die Reste vom Mittag noch mal in den Kühlschrank, weil sie es nicht ganz geschafft hat. Viel gegessen wird hier nur noch, wenn die Familie über die Feiertage zu Besuch kommt. Dann stapeln sich nach dem Weihnachtsessen die Reste im Kühlschrank, fein säuberlich im Tupperwaren-Tetris übereinandergestellt, bis jeder etwas mit nach Hause nimmt.

Diese fiesen Heißhungerattacken

Haben Sie schon mal darauf geachtet, wie oft Sie Ihrem Kühlschrank täglich einen Besuch abstatten? Es gibt keine Erhebungen, aber es dürften einige sein. Einkäufe einräumen, reingucken, zumachen, noch mal reingucken, doch was rausholen. Die kleinen feinen Schleckereien, die da auf den weißen Gitterstäben ruhen, sind aber auch zu verführerisch. Ach, schnell eine Scheibe Käse aus der Packung stibitzt, das merkt doch keiner. Und oh, die restliche Sahnetorte vom Sonntagskaffeekränzchen, die darf ja auch nicht schlecht werden. Na ja, und vielleicht noch einen Joghurt, einen kleinen, mit Banane und Schokoknusper. Und ... nein ... oder doch, was soll’s, noch ein kleines Würstchen für den Weg. „Wer hat meinen Joghurt geklaut“, kreischt es am nächsten Morgen in empfindlicher Tonhöhe durchs Haus. Joghurt? War da was? Ratter, ratter. Nachts? Tja, diese fiesen Heißhungerattacken überkommen Menschen meistens im Schutz der Dunkelheit. Forscher haben entdeckt, dass nachts der „Food high“-Effekt ausbleibt. Das heißt: Unser Gehirn reagiert zu später Stunde auf Nahrungsmittel anders als sonst. Wir empfinden das Essen als nicht so befriedigend und essen deswegen immer mehr, auf der Suche nach dem Zufriedenheitsgefühl. Ein hemmungsloser Teufelskreis vorm offenen Kühlschrank, dessen Licht die dunkle Küche erhellt.

Kühlschränke mit „Sabbat-Modus“

Wussten Sie übrigens, dass dieses Licht echt zum Problem werden kann? Also zumindest, wenn man Jude ist und sich an die Regeln des Sabbat hält. Von Freitagabend bis Samstagabend ist es nicht gestattet zu arbeiten, zu schreiben oder Feuer zu entzünden – beziehungsweise dessen moderne elektrischen Entsprechungen wie Kühlschrank-Licht. Aber es gibt natürlich auch ein paar unorthodoxe Wege, um orthodox handeln zu können. Manch findiger Gläubige schraubt vor Sabbatbeginn einfach die Glühbirne aus der Fassung oder klebt den Kontakt in der Kühlschranktür ab. Die Gerätehersteller haben mittlerweile mitgedacht und bieten auch Kühlschränke mit „Sabbat-Modus“ an.

Smarte Küche

Überhaupt werden heutzutage ja Kühlschränke auf den Markt geworfen, die echte High-Tech-Kolosse sind. Stichwort: smarte Küche. Die moderne Küche ist vernetzt und kann per Smartphone bedient werden. Auf die Kühlschranktür geklebte Einkaufszettel sind passé, der Kühlschrank der Zukunft weiß von selbst, was ihm fehlt. Manche Hersteller bieten Kühlschränke mit eingebauten Kameras an. So kann man beim Einkauf im Supermarkt noch mal schnell per Smartphone zu Hause nachschauen, was nachgekauft werden muss. Die Eisfachtür steht noch einen Spalt offen? Zack, haben Sie eine Push-Nachricht auf dem Smartphone. Die ideale Luftfeuchtigkeit für Fisch hier und Gemüse dort. Kein Problem, Ihr intelligenter Kühlschrank regelt’s. Es gibt Exemplare mit eingebautem Display, auf denen Familienfotos angezeigt werden können – oder eben per App steuerbare Einkaufslisten. Der Kühlschrank-Touchscreen wird zum richtigen Familien-Organizer mit Kalender, Nachrichtenmöglichkeit und Wetterdienst. Und wer noch nach einem passenden Kuchenrezept sucht, der kramt auch nicht mehr Omas Backbuch hervor, sondern lässt sich von seinem Kühlschrank-Bildschirm beraten. Zukunftsmusik ist das alles schon längst nicht mehr, man muss nur tiefer in die Tasche greifen. Mit 2000 bis 4000 Euro sind Sie dabei.

Ratschläge für „den einkaufenden Gatten“

Schöne neue Küchenwelt, nicht so wie in den 1950er-Jahren, als man überhaupt noch dafür werben musste, dass der Eiskasten seinen Weg in deutsche Küchen findet. Am 17. Oktober 1957 erschien in der Zeitung „Die Zeit“ ein Artikel mit dem Titel „Geschenk für Ihre Frau: Der Kühlschrank“: „Mehr als 800.000 Kühlschränke wurden 1957 bei uns produziert. Und Ihre Frau hat immer noch keinen? Wenn Sie wüssten, wie viel Fleischreste auch in Ihrem Haushalt verderben, wie viele Liter Milch während des Sommers sauer wurden, wie viel Gemüse welk, wie viel Obst faul und wie oft eine angebrochene Fischkonserve in den Müll wandert, würden Sie die Meinung der Gattin teilen, dass sich ein solches Geschenk von selbst bezahlt mache.“ Auf diese Worte folgt noch eine ganze Palette an Ratschlägen für „den einkaufenden Gatten“ beim Kühlschrankerwerb, um seine Gattin glücklich zu machen. Heute wollen Frauen gleichen Lohn, gleiche Karrierechancen, Teilen der Haushaltsaufgaben, weibliche Anrede auf Formularen und so. Damals, das waren noch Zeiten, da hat einfach ein Kühlschrank gereicht.

1748 an der Uni Glasgow entwickelt

Wo wir hier gerade schon anno dunnemals rumgeistern, können wir auch gleich zu den Anfängen gehen. Die ersten Kühlvorrichtungen gab es schon in der Antike. Damals hat man Eis aus den Bergen in die Orte gebracht und dort in tiefen Kellern zur Lagerung von Lebensmitteln benutzt. Solche Eiskeller nutzte man bis etwa 1950. Die erste künstliche Kühlung hatte William Cullen 1748 an der Uni Glasgow entwickelt. Alexander Twinning vermarktete ab 1834 Kühlschränke, die mit Luftkompression funktionierten. 1876 entwickelte der deutsche Ingenieur Carl von Linde das fundamentale Linde-Verfahren. Mit dieser besseren und zuverlässigeren Kältetechnik konnten Kühlschränke industrietauglich hergestellt werden. Die damaligen Geräte wurden noch mit Ammoniak betrieben, eine ätzende und übel riechende Chemikalie. Erst mit dem Gebrauch von Ersatzchemikalien in den 1920ern hielt der Kühlschrank auch Einzug in den Hausgebrauch. Besonders in den USA setzt sich das moderne Gerät schnell durch. 1937 hatte bereits jeder zweite Haushalt solch einen Kühler.

An dem eisigen Schrank kommt keiner vorbei

Und dann gibt es auf Kühlschränken ja auch so viel zu entdecken. Der kleine rote Magnet-Drache aus Wales vergnügt sich im Schneekugel-Getümmel und verdeckt halb die nächste Hochzeitseinladung von Freunden. Daneben haftet der Einkaufszettel fürs Wochenende, gehalten von einem Magneto-Murmeltier mit Temperaturanzeige. Die Brockenbahn in Relief-Optik hält das letzte Partyfoto fest. Und die Konzerttickets schmiegen sich unter eine eher nicht bekleidete Souvenir-Dame aus der Weimarer Zeit von einem Ausstellungsbesuch. Da wird die Fassade zum Tummelplatz des Lebens. Ein Kühlschrankmagneten-Atlas von Urlaubserinnerungen, ein Fixpunkt für den Wochenplan der Familie, ein Foto- und Postkarten-Füllhorn, eben ein zentraler Halter für alles Wichtige. Denn an dem eisigen Schrank kommt keiner vorbei.

„Refrigerator Safety Act“

Um die Kühlschrank-Magneten ist sogar ein richtiger Kult entstanden – besonders in den Vereinigten Staaten und in Russland. Die größte Sammlung der Welt soll Luise Greenfarb aus Nevada haben, die über 30.000 Deko-Magneten ihr eigen nennt. Viele davon sind auch im Guinness-Museum in Las Vegas ausgestellt. Aber warum sind Kühlschrank-Türen eigentlich magnetisch? Damit wir ganz viele Souvenirs und Zettelchen dranpinnen können? Gut, das ist schon praktisch, ist aber nicht der wahre Grund. Der ist nämlich viel skurril-erschreckender. Kühlschränke hatten bis in die 1950er-Jahre Klinken und ließen sich nur von außen öffnen. Und jetzt – kein Witz: Viele Kinder starben in ihnen beim Versteckspiel. Insbesondere auf Schrottplätzen kam es zu solchen Erstickungstoden. 1956 berichtete die „New York Times“ von insgesamt 115 Kindern, die in den zurückliegenden zehn Jahren auf diese Art gestorben waren. Zwei Jahre später trat in den USA der „Refrigerator Safety Act“ in Kraft, der sämtliche Hersteller dazu verpflichtete, ihre Kühlschrank-Modelle so zu konstruieren, dass sie auch von innen geöffnet werden können. Seitdem werden Magnete für den Schließmechanismus gebraucht. So.

Der teuerste Kühl-/Gefrierschrank

Und hier noch ein kleines unnützes Wissen zum Schluss: Der teuerste Kühl-/Gefrierschrank steht nicht etwa in der Villa irgendeines IT-Milliardärs, sondern wird in der Air Force One mitfliegen, dem Flieger von US-Präsident Donald Trump. 23,66 Millionen Dollar soll Boeing für die Erneuerung der Kühlschränke in den beiden umgebauten Jumbojets bekommen. Die werden dann 3000 Mahlzeiten über drei Wochen lang kühlen können. Ob sich Trump wohl auch vergnügliche Kühlschrankmagneten dranheftet? Es gibt ganz viele lustige Exemplare, bei denen er sogar die Hauptrolle spielt.

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