Tennis Der Babyboom hat ein deutsches Vorbild
Angelique Kerber lässt es dieser Tage etwas ruhiger angehen. Statt in sommerlicher Hitze über die Hartplätze der Australian Open zu wetzen, widmet sich die 34-Jährige ohne sportlichen Stress ihrer Schwangerschaft. Ihr Schläger bleibt in diesem Frühjahr weitgehend unberührt. Doch das soll sich nach der Geburt wieder ändern. Kerber will unbedingt Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen – und ist damit in der Tennisszene nicht allein.
Immer mehr Topspielerinnen trauen sich offenbar den schwierigen Spagat zu. Auch die viermalige Grand-Slam-Siegerin Naomi Osaka ist in anderen Umständen, die einstige Top-Ten-Spielerin Elina Switolina hat im Oktober entbunden. Das Spitzentennis erlebt so etwas wie einen „Babyboom“.
Fortschritt in der Emanzipation
„Ich glaube schon, dass es eine neue Entwicklung ist“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner: „Zu meiner Zeit war immer klar: Wirst du schwanger, musst du aufhören.“ Diese Zeiten scheinen überwunden. Rittner sieht es als Fortschritt in der Emanzipation, „dass es sich mehr und mehr zutrauen und sich überhaupt ins Gedächtnis rufen: Hey, ich kann ein Baby bekommen, aber komme danach trotzdem zurück.“
Kerber, Osaka und Co. haben prominente Vorgängerinnen. Die nicht mehr aktive US-Ikone Serena Williams, die zweimalige Australian-Open-Siegerin Wiktoria Asarenka und die mittlerweile auch zurückgetretene Weltranglistenerste Kim Clijsters spielten allesamt in den vergangenen Jahren als Tennis-Mamas. Und natürlich ist die Erfolgsgeschichte von Tatjana Maria höchst präsent, die als zweifache Mutter im vergangenen Jahr in Wimbledon das Halbfinale erreichte.
Es ist noch viel Luft nach oben
Die 35-Jährige nutzte die Aufmerksamkeit auch stets dafür, auf die aus ihrer Sicht deutlich ausbaufähige Situation auf der Tour hinzuweisen. „Es ist super wichtig, dass Müttern mehr geholfen wird auf der WTA-Tour“, sagte sie der Sportschau: „Es gibt mehr und mehr, die zurückkommen und gut Tennis spielen.“ So sollte beispielsweise eine Extraregel für das Ranking eingeführt und eine Schwangerschaft nicht wie eine Verletzung gewertet werden. Auch für eine Kinderbetreuung ist vielerorts nicht gesorgt, es gibt also noch deutlich Luft nach oben.
Dennoch gehen Kerber und Co. mutig voran. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht leicht, das ist mir bewusst“, sagte sie jüngst dem Magazin „Iconist“: „Mein Wunsch ist es, beides möglich zu machen.“ Und womöglich schon im kommenden Jahr wieder über den Hartplatz in Melbourne, wo heute die Australian Open ohne sie beginnen, zu wetzen. Dann als junge Mama.