Leseraktion Wir wollen es wissen: Wählen gehen oder nicht?

Das aufmunternde Plakat hat schon bessere Zeiten gesehen. Das gilt auch für die Wahlbeteiligung.
Das aufmunternde Plakat hat schon bessere Zeiten gesehen. Das gilt auch für die Wahlbeteiligung.

Im Juni sind Kommunalwahlen und die Europawahl, und vermutlich wird etwa ein Drittel der Wahlberechtigten keine Stimme abgeben. Höchste Zeit, darüber ins Gespräch zu kommen: Was sind Ihre Argumente gegen das Wählen – und dafür?

Im politischen Geschäft geht es, wie man zu wissen glaubt, ums Gewinnen und ums Verlieren. Das gilt natürlich besonders an Wahltagen. Und so sieht das Bild dann auch aus an den Sonntagabenden, wenn die Stimmen gezählt oder die Hochrechnungen präsentiert sind: Die Sieger strahlen in die Kameras und erzählen, was sie alles richtig gemacht haben. Die Verlierer schauen zerknirscht und erklären, dass sie zwar ebenfalls alles richtig gemacht haben, dass das aber irgendwie für die Wählerinnen und Wähler nicht richtig rübergekommen ist.

Es heißt so schön: Die „Wählerinnen und Wähler“ haben gesprochen. Das stimmt. Aber ebenso laut gesprochen haben auch die anderen. Jene vielen, die ihre Stimme nicht abgegeben haben.

Irgendwann an fast all diesen Wahlabenden kommt es in fast all diesen Sieger- und Verliererreden zu jenem einen Moment, an dem die Gewinnerin oder der Verlierer kurz innehält, gemessen ernst dreinblickt und sinngemäß zu Protokoll gibt: „Sorge machen muss uns die Wahlbeteiligung.“

Allseitiges Nicken. Und dann geht es nahtlos weiter mit den Geschichten vom Gewinnen und Verlieren.

Irgendwann an fast allen Wahlabenden kommt es in fast allen Sieger- und Verliererreden zu jenem einen Moment, an dem die Wahlbet
Irgendwann an fast allen Wahlabenden kommt es in fast allen Sieger- und Verliererreden zu jenem einen Moment, an dem die Wahlbeteiligung – beiläufig – bedauert und danach schnell wieder vergessen wird.

Die „lieben Wählerinnen und Wähler“ werden weniger

Das Faktum lässt sich nicht leugnen: Die „Wählerinnen und Wähler“ das sind gar nicht mehr so richtig viele. Rund 65 Prozent der Wahlberechtigten waren das noch bei der jüngsten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Jahr 2021 und bei der Europawahl 2019. Noch etwa zwei Prozentpunkte niedriger lag im Schnitt die Beteiligung bei den Kommunalwahlen 2019. Nur bei der jüngsten Bundestagswahl 2023 lag die Wahlbeteiligung bei 77 Prozent.

Negativ – und ehrlicher – formuliert, müsste es also schlicht heißen: Bei den meisten Wahlen bleibt ein gutes Drittel der Menschen, die wählen dürften, daheim. In Rheinland-Pfalz mit rund drei Millionen Wahlberechtigten sind das regelmäßig weit über eine Millionen Nichtwähler, rechnerisch sechsmal die Einwohnerzahl von Ludwigshafen oder zehnmal die von Kaiserslautern. Und sehr oft, wenn es um Direktwahlen geht, die eigentlich besonders „nah bei de Leut“ sein sollten, gibt kaum die Hälfte der Wahlberechtigten die Stimme ab. Wenn überhaupt.

Wir fragen: An was hakt es?

Wir, die Redaktion der RHEINPFALZ am SONNTAG, wollen uns im Mai in einer Spezialausgabe mit den Themen „Wählen“ und „Nichtwählen“ befassen. Am 9. Juni stehen Kommunalwahlen und die Europawahl an, und wir wollen vorher versuchen zu klären – oder wenigstens zu besprechen: An was hakt es in Sachen Wahlen? Um das zu schaffen, wollen wir mit Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, ins Gespräch kommen. Nicht unbedingt über Ihre politischen Vorlieben und Abneigungen, sondern über das Thema Wählen an sich: Warum gehen Sie nicht wählen? Warum gehen Sie wählen? Was spricht aus Ihrer Sicht fürs Wählen? Was spricht dagegen? Wir würden gerne mit Menschen sprechen, die für sich entschieden haben, dass sie am 9. Juni ihre Stimme nicht abgeben werden. Und wir wollen uns mit Menschen austauschen, die noch nie einen Wahlgang verpasst haben. Uns interessieren die Beweggründe und die Argumente. Bevor wir da mehr wissen, können wir nur Vermutungen anstellen.

Briefwahlunterlagen kurz vor der Auszählung.
Briefwahlunterlagen kurz vor der Auszählung.

Bukowski und die „Scheiße“

Es sei so, als bekomme man beim Essen „die Wahl zwischen kalter und warmer Scheiße“ serviert – so drastisch (und arrogant) formulierte der Autor Charles Bukowski vor der US-Präsidentschaftwahl 1968 das Dilemma des Wählers. Was dreierlei zeigt: Nicht erst 2024 sind US-Amerikaner unzufrieden mit der Kandidatenauswahl, die ihnen präsentiert wird. Zweitens: Dürfte es der Politik vor Wahlen gar nicht in erster Linie ums Gewinnen gehen? Wäre es aus Sicht einer Politik, die von möglichst vielen Menschen gestützt werden will, vielleicht das Gebot der Stunde, mit aller Macht Lust aufs Wählen zu machen – wie auch immer das funktionieren mag? Mit überzeugenden Argumenten und begeisternden Kandidatinnen und Kandidaten zu Beispiel?

Wer lässt sich noch aufstellen?

Was zum dritten Punkt rund um das berüchtigte Bukowski-Zitat führt: Wer will sich angesichts des kritischen Blicks der Wählerinnen, Wähler, Nichtwählerinnen und Nichtwähler eigentlich noch aufstellen lassen gerade für Kommunalwahlen, Stadt- und Gemeinderäte, Ortsvorsteher- und Ortsbürgermeisterposten? Auch hier interessiert uns, was Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu sagen haben.

Wir wollen also besprechen – per E-Mail, am Telefon, oder persönlich –, wie es für Sie ums Wählen steht und wie Sie es mit dem Wählen halten. Was uns dabei wichtig ist: Wir wollen ohne vorgefertigte Meinung ans Thema gehen, und wir wollen keine sozial erwünschten Antworten produzieren. Wir wollen einfach mal den Austausch schaffen, frei nach dem Motto: Wir müssen reden!

 

So machen Sie mit

Gehen Sie wählen? Gehen Sie nicht wählen? Was sind die Gründe? Was sind Ihre Argumente? Wir freuen uns auf viele Zuschriften zu unserer Leseraktion und auf eine hoffentlich heiße Debatte – gerne auch mit jungen Menschen, die sich vielleicht ärgern, dass sie als 16- und 17-Jährige in Rheinland-Pfalz nicht zur Kommunalwahl gehen dürfen, obwohl das in den meisten anderen Bundesländern möglich ist. Schreiben Sie per E-Mail an ras-aktion@rheinpfalz.de oder per Post an RHEINPFALZ am SONNTAG, Amtsstraße 5-11, 67059 Ludwigshafen. Bitte nennen Sie uns auch eine Telefonnummer, wenn wir Sie anrufen dürfen, um mit Ihnen übers Wählen zu reden. Unter allen Mitmachern verlosen wir zwei „Uffbasse“-Badetücher und einen Band „Jeder zahlt drauf“, Stories von Charles Bukowski.

 

Info

Dieser Artikel stammt aus der RHEINPFALZ am SONNTAG, der Wochenzeitung der RHEINPFALZ. Digital lesen Sie die vollständige Ausgabe bereits samstags im E-Paper in der RHEINPFALZ-App (Android, iOS). Sonntags ab 5 Uhr erhalten Sie dort eine aktualisierte Version mit den Nachrichten vom Samstag aus der Pfalz, Deutschland und der Welt sowie besonders ausführlich vom Sport.

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