Rheinland-Pfalz Tödliche Attacke auf Wittlicher Kirmes: Ein Fall für „Special Agents“
Wittlich/Spangdahlem (dpa/lrs) - Wenn in Deutschland stationierte US-Militärangehörige im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, ist vieles anders. Denn dann geben deutsche Ermittler in der Regel die Strafverfolgung an die US-Behörden ab - so sieht es das Zusatzabkommen des Nato-Truppenstatuts vor. Gerade passiert ist dies nach einer tödlichen Messerattacke auf einen 28-Jährigen bei einer Kirmes in Wittlich am 19. August: Nachdem zwei US-Soldaten von der Air Base Spangdahlem in der Eifel als Tatverdächtige festgenommen wurden, ist dies nun ein Fall für die „Special Agents“ geworden.
Deren Office of Special Investigations (OSI) ist eine besondere Einheit der US-Luftwaffe. Von der Zentrale in Quantico (Virginia) aus werden rund 3000 „Special Agents“ eingesetzt. Das OSI ist eine Art Mischung von Polizei und Geheimdienst - ihre Welt ist in acht Regionen eingeteilt. Region 5, auch für Europa zuständig, hat ihren Sitz auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Das OSI untersteht nicht der Befehlsgewalt der örtlichen Kommandeure – sondern dem für die Luftwaffe zuständigen Staatssekretär im Pentagon.
Noch drei Verfahren in Ramstein terminiert
Immer wieder landen Fälle der Ermittler vor einem US-Militärgericht auch auf den Stützpunkten in Spangdahlem und im pfälzischen Ramstein (Kreis Kaiserslautern). Sie befassen sich nach amerikanischem Recht mit den Vorwürfen unabhängig von der Frage, ob der Militärangehörige innerhalb oder außerhalb der Airbase einer Tat beschuldigt wird.
Solche Prozesse sind aber nicht so häufig. Aus einer Aufstellung der Generalstaatsanwaltschaft der US-Luftwaffe geht hervor, dass das Militärgericht in Ramstein in diesem Jahr erst ein Urteil gesprochen hat. Ein Soldat, der wegen Kindesmissbrauchs angeklagt war, wurde freigesprochen. Im Jahr 2022 wurden zwei Urteile gesprochen: eines wegen sexueller Nötigung (sieben Jahre Haft), ein anderes war ein Freispruch vom Vorwurf sexueller Belästigung. Derzeit sind in Ramstein für dieses Jahr noch drei Verfahren terminiert.
22 Jahre Haft für misshandeltes Baby
In Spangdahlem gab es in diesem Jahr drei Urteile. Ein Soldat wurde vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Ein anderer wurde wegen Besitzes von Marihuana degradiert und zu 45 Tagen harter Arbeit verurteilt, ein weiterer wegen häuslicher Gewalt und Trunkenheit zu 120 Tagen Haft verurteilt. 2022 wurden in Spangdahlem fünf Urteile gesprochen, derzeit ist für das laufende Jahr ein weiterer Prozess geplant – im November wegen Besitzes von Kinderpornografie.
Manchem mag noch ein Fall aus dem Jahr 2011 in Erinnerung sein: Da wurde ein US-Soldat, der in der Eifel sein Baby zu Tode misshandelt hat, vor dem Militärgericht auf dem US-Flugplatz Spangdahlem zu 22 Jahren Haft verurteilt. Der damals 23-Jährige hatte nach Ansicht des Gerichts seinen acht Monaten alten Sohn mehrfach so brutal geschlagen und geschüttelt, dass dieser starb. Der Mann wurde in ein Gefängnis in die USA überführt.
Oberstaatsanwalt: US-Strafen in vielen Fällen schwerer
„Tendenziell dauern die Strafverfahren vor den Militärstrafgerichten länger als vor den deutschen Gerichten“, sagte Oberstaatsanwalt Dominik Ludwig von der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern. Und: „Die von den US-Militärstrafgerichten verhängten Strafen sind in vielen Fällen schwerer als die von den deutschen Gerichten verhängten Sanktionen.“
Ermittlungsverfahren gegen US-Militärangehörige aus dem Bereich Kaiserslautern würden regelmäßig an die US-Strafverfolgungsbehörden in Ramstein abgegeben, sagte Ludwig. In vielen Fällen gehe es um Straftaten im Verkehr wie Trunkenheitsfahrten und Körperverletzung, auch häufig innerhalb enger sozialer Beziehungen.
Nicht immer treten deutsche Behörden Strafverfolgung an US-Streitkräfte ab
Es gibt laut Ludwig zwei Ausnahmen, bei denen deutsche Behörden nicht auf die Strafverfolgung gegen Beschuldigte von US-Streitkräften verzichten und gegebenenfalls auch einen erklärten Verzicht widerrufen können: Zum einen bei Verfahren, die ein Tötungsdelikt zum Gegenstand haben und die Verhängung einer Todesstrafe durch die amerikanischen Gerichte in Betracht kommt. Zum anderen „in ganz seltenen Fällen“, wenn besondere öffentliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland berührt sind wie bei terroristischen Straftaten.
Ein Militärgericht besteht normalerweise aus einem Militärrichter und acht Beisitzern. Bei den Richtern muss es sich um ausgebildete Juristen handeln, die zugleich Offiziere der Streitkräfte sind. Der Richter beispielsweise, der derzeit in Ramstein und in Spangdahlem dem Militärgericht vorsitzt, hat den Rang eines Obersts (Colonel). Auch die anderen Prozessbeteiligten einschließlich der Verteidiger sind Juristen und Offiziere zugleich.
Soldaten in amerikanischem Gewahrsam
Nach dem Tötungsdelikt in Wittlich sind die beiden 25 und 26 Jahre alten Tatverdächtigen zügig an die US-Strafverfolgungsbehörden überstellt worden. „Beide Soldaten bleiben für die Dauer der Ermittlungen in amerikanischem Gewahrsam“, hatte der Stützpunkt in Spangdahlem danach mitgeteilt. Danach Funkstille. Weitere Angaben zum Verfahren könnten derzeit nicht gemacht werden, hieß es.
Von deutscher Seite war zuvor mitgeteilt worden, dass es im Zuge eines Streits zu einem Gerangel gekommen sei, bei dem die beiden Soldaten mit einem Messer auf das Opfer losgegangen sein sollen. Der Grund für den Streit war zunächst unklar.
Zivilsachen werden vor deutschen Gerichten geregelt
In Zivilsachen wie zum Beispiel bei Streit um den Mietvertrag oder um Schulden sind bei US-Streitkräften ausschließlich die deutschen Gerichte zuständig. Auch bei kleineren Verkehrsverstößen könne die deutsche Polizei Bußgelder verlangen, teilt der Stützpunkt Ramstein auf seiner Internetseite mit. Und weist Amerikaner darauf hin: Geschwindigkeitsbegrenzungen würden in Deutschland häufig durch speziell aufgestellte Kameras überwacht, die „klare Bilder“ von zu schnell fahrenden Fahrern und ihren Autos machten.
In Spangdahlem ist eine F-16-Kampfjetstaffel mit mehr als 20 Flugzeugen beheimatet. Die Staffel, die weltweit Einsätze der US Air Force und der Nato unterstützt, ist das Kernstück des Flugplatzes. Zum 52. Jagdgeschwader gehören nach Angaben der Air Base mitsamt Angehörigen rund 10.000 Amerikaner. In Rheinland-Pfalz sind laut Innenministerium rund 36.700 Personen als „Stationierungseinwohner“ der US-Streitkräfte gemeldet. Die Zahlen umfassen Soldatinnen und Soldaten, US-Zivilangestellte und Familienangehörige.