Rheinland-Pfalz Signale von der Sickinger Höhe

Bann. Der offizielle Name für die Übungsanlage für Militärflieger lautet „Multinational Aircrew Electronic Warfare Tactics Facility“, kurz MAEWTF. Weil selbst die Abkürzung aus sechs Buchstaben noch recht sperrig klingt, hat sich ein anderer Name dafür durchgesetzt: Polygone. Dieser Begriff setzt sich aus griechischen Wörtern zusammen und bedeutet „Vieleck“ – dahinter verbirgt sich ein Hinweis auf den Übungsraum. Seit 1976 kooperieren Deutschland, Frankreich und die USA bei der Schulung von Flugzeugbesatzungen. Am Ortsrand von Bann im Kreis Kaiserslautern sind die Polygone in einer ehemaligen US-Radarstation untergebracht. Von hier wird die gemeinsame Ausbildung der Piloten im elektronischen Kampf koordiniert. Als die Einheit vor knapp 40 Jahren dort angesiedelt wurde, befand sich die Welt noch im Kalten Krieg, der Ostblock war von Bann relativ weit entfernt. Außerdem gab es in der Nähe noch etliche Militärflughäfen, von denen mittlerweile schon einige Jahre keine Kampfflugzeuge mehr starten: Hahn, Zweibrücken, Sembach. Bann war also der ideale Standort – zumal die Air Base Ramstein gerade einmal 20 Kilometer entfernt ist. Den Fliegern, die hier den Ernstfall simulieren, steht kein Luftraum zur Verfügung, der exklusiv für Militärflugzeuge reserviert ist. Das Gebiet, in dem geübt wird, umfasst rund 20.000 Quadratkilometer. Es hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von 240 Kilometern und ist rund 140 Kilometer breit. Von den geografischen Umrissen des Übungsraumes, der viele Ecken hat, leitet sich der Name Polygone ab. Er erstreckt sich über die Pfalz, das Saarland sowie über Teile von Elsass und Lothringen. Die Piloten können während ihrer Übungsflüge problemlos die Grenze zu Frankreich überqueren. Oberstleutnant Thomas Emig ist selbst 20 Jahre Tornado geflogen. Der erfahrene Luftwaffensoldat ist der Befehlshaber des deutschen Truppenanteils in den Polygonen, hinzu kommen Kameraden aus Frankreich und den USA. Sie haben jeweils ihre eigenen Chefs. Einer von den drei Kommandanten ist im Wechsel der Direktor der trinationalen Anlage. Darüber steht so etwas wie ein Aufsichtsrat. In ihm sitzen Vertreter der drei Staaten, auch hier wechselt der Vorsitz regelmäßig. Neben dem Stützpunkt in Bann gehören zu den Polygonen auch Einheiten in Zweibrücken, Pirmasens und Birkenfeld. In Frankreich stehen Stellungen in Grostenquin, Chenevières sowie Épinal. In Bann findet sich beispielsweise ein Flugabwehrgeschütz „Roland“, das zum Üben genutzt wird. Das Geschütz kann nicht mehr wirklich feuern, ist aber technisch so aufgerüstet, dass es entsprechende Signale simulieren kann. Flugzeuge, die in den Polygonen üben, empfangen diese Signale. Sobald die Flieger ins Visier genommen werden, taucht im Cockpit eine Meldung mit akustischem Signal auf. Die Piloten bekommen so das Gefühl vermittelt, angegriffen zu werden – und müssen die entsprechenden Manöver einleiten. Die Polygone sind mit mehreren echten Flugabwehrsystemen ausgestattet, darunter westliche und russische Bauarten. Hinzu kommen fest installierte und mobile Simulatoren. Den Ernstfall üben hier aber nicht nur Flugzeugpiloten, sondern auch Hubschrauberbesatzungen. Die durch die Simulation erzeugten Daten werden anschließend den Piloten zur Verfügung gestellt. Die Auswertung erfolgt auf deren Stützpunkten. In Bann selbst findet keine Auswertung statt, hier sitzt nur das Herz der Polygone: Von der Sickinger Höhe aus wird alles gesteuert. Laut Emig kostet der Betrieb der Polygone jährlich rund 20 Millionen Euro. Die Einrichtung wird nicht nur von Deutschen, Franzosen und Amerikaner genutzt. Emig berichtet, dass sie auch für „befreundete Staaten“ zur Verfügung steht. Sie können sich Übungseinheiten einkaufen. Diese sogenannten Slots dauern jeweils 20 Minuten und kosten 4000 Euro. Jährlich wären 5500 dieser Slots möglich, vergangenes Jahr wurden gerade einmal 1700 genutzt, vor zehn Jahren waren es Emig zufolge noch 3500. Die Polygone sind aber nicht nur in der Westpfalz und in Frankreich aktiv. Ihre Soldaten reisen regelmäßig zu größeren Nato-Manövern, wie jüngst in Schweden, um dort die Piloten zu trainieren.

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