Pfalz Nach dem Eis sorgt der Schnee für Chaos

Schon geräumt: der Marktplatz in Frankenthal. Die Grundschüler in der Stadt haben auch am Freitag keinen Unterricht.
Schon geräumt: der Marktplatz in Frankenthal. Die Grundschüler in der Stadt haben auch am Freitag keinen Unterricht.

Auf Glatteis folgte am Donnerstag Schneefall: schön anzusehen in der Pfalz. Auf den Straßen führte dies jedoch zu Chaos: gesperrte Strecken und kilometerlange Staus. Die meisten Unfällen gingen glimpflich aus. Das Wetter beeinflusste sogar Beerdigungen. Über eine Region im Schneegestöber.

Michael Bischoff tuckert mit seinem zum Schneeschieber umgebauten Rasentraktor über den riesigen Hof. Ein so großer Parkplatz wird im 650-Einwohner-Dorf Krottelbach im Kreis Kusel nirgends gebraucht. Nur hier hinterm Modehaus Bischoff. Auf zwei Stockwerken verkauft Bischoff Mode. Nur am Donnerstag ist im Geschäft fast nichts los. Es schneit. „An so einem Tag gehen die Leute keine Kleider kaufen“, sagt Bischoff und lacht, „nur das Nötigste, Lebensmittel und so“. Also hat er Zeit, in der Mittagspause den Hof vom Schnee zu befreien. Nur ein einziges Auto parkt auf dem großen Platz. Vielleicht kommen am Nachmittag noch ein paar Kunden. Es hat ja aufgehört zu schneien.

Die Straßenmeistereien streuen, was das Zeug hält

Der Glatteistag am Mittwoch endete in der Westpfalz versöhnlich: Am Abend regnete es so ordentlich und relativ warm, dass fast überall das Eis und der Schnee schmolzen. Dann rutschte die Temperatur am Donnerstag gegen 7 Uhr unter den Gefrierpunkt – und Nieselregen setzte ein. Schon wieder Glatteis. Kurz nach 8 Uhr fing es dann an zu schneien. Bis 10 Uhr lagen stellenweise bis zu 20 Zentimeter Schnee auf dem Eis. Der Straßendienst streute und räumte zwar, was das Zeug hielt, doch vielerorts waren selbst die Hauptstraßen kaum befahrbar. Auf steilen Seitenstraßen war kein Fortkommen. Mancherorts in der Westpfalz sah es auf den Straßen schlimmer aus als am Vortag. Zur Mittagsstunde hin besserte sich die Lage: Nach und nach wurden die Straßen zwischen 10 und 14 Uhr frei. Dann kam sogar die Sonne.

Judith Roßfeld in Herschweiler im Kreis Kusel räumt den Weg zur Volksbank frei.
Judith Roßfeld in Herschweiler im Kreis Kusel räumt den Weg zur Volksbank frei.

In Herschweiler-Pettersheim (Kreis Kusel) griff Judith Roßfeld gegen 12 Uhr zur Schneeschippe. Eigentlich gehört der volle Körpereinsatz nicht zu ihren Aufgaben als Kundenberaterin der Volksbank Glanmünchweiler. Doch der Hausmeister der Filiale in Herschweiler-Pettersheim hatte es bis Mittag nicht geschafft, vorbeizukommen. Und der Schnee musste weg, also griff Judith Roßfeld eben selbst zur Schaufel.

Bis zu 50 Kilometer langer Stau

Auf den Straßen in Rheinland-Pfalz war am Donnerstag viel Geduld gefragt, auf den Autobahnen bildeten sich kilometerlange Staus.

Lastwagen bleibt auf der B9-Auffahrt Speyer stecken.
Lastwagen bleibt auf der B9-Auffahrt Speyer stecken.

Im Donnersbergkreis war die A63 zwischen Göllheim und Kirchheimbolanden am Vormittag in Richtung Mainz für drei Stunden gesperrt, weil sich mehrere Lastwagen festgefahrenen hatten. Der längste Stau bildete sich nach Angaben der Polizei Koblenz mit 50 Kilometern auf der A61 zwischen Emmelshausen und Kruft in Richtung Süden. Stellenweise seien weder Einsatzkräfte noch Streufahrzeuge durchgekommen: Es fehlten Rettungsgassen.

A6 in beide Richtungen gesperrt

Auch die A6 war zwischen Kaiserslautern-Ost und Wattenheim in beide Richtungen wegen querstehender Lkw zeitweise gesperrt, der Verkehr staute sich bis zu zehn Kilometer. Auf der A3 im nördlichen Rheinland-Pfalz gingen die Beamten davon aus, dass etwa 2000 Menschen im Stau feststeckten – manche offenbar bis zu vier Stunden. Die Feuerwehr verteilte heiße Getränke. Bei einzelnen Fahrzeugen sei der Kraftstoff ausgegangen oder die Batterie habe versagt.

Die vorläufige Unfallbilanz in der Pfalz: In der Vorder- und Südpfalz wurden am Donnerstag bis 15 Uhr 108 Auffahrunfälle registriert, teilte das Polizeipräsidium Rheinpfalz mit. Dabei kam es fast ausschließlich zu Blechschäden (geschätzter Gesamtschaden über 300.000 Euro), fünf Personen wurden leicht verletzt. Rund ein Drittel der glättebedingten Unfälle (37) ereignete sich im Stadtgebiet Ludwigshafen. Im Vergleich zum Eisregen waren die Auswirkungen des Schneefalls demnach gravierender, weil der Berufsverkehr voll getroffen worden sei.

In der Westpfalz ereigneten sich nach Auskunft des Präsidiums in Kaiserslautern zwischen 6 und 15 Uhr 45 witterungsbedingte Verkehrsunfälle. Die meisten davon (17) im Bereich Kaiserslautern. Zwei Menschen wurden dabei leicht verletzt. An vier Orten mussten Straßen gesperrt werden: etwa ein Abschnitt der B427 zwischen Busenberg (Kreis Südwestpfalz) und der Erlenbacher Kreuzung. Hier war ein Baum umgestürzt.

Der Öffentliche Personennahverkehr hatte nicht nur mit dem Wetter zu kämpfen, sondern auch noch mit dem Streik der Busfahrer. Wie viele Fahrer im privaten Busgewerbe am Donnerstag streikten, darüber hatte der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) auf Nachfrage keine Informationen. Dass die drei Tage Warnstreik diese Woche, zu dem Verdi Rheinland-Pfalz aufgerufen hatte, die Abiturienten trifft – und zwar an gleich zwei Tagen –, das empfinde der VRN als „besonders problematisch und rücksichtslos“, sagte Pressesprecherin Anita Faltermann. Verdi sprach von rund 2000 streikenden Fahrern am Donnerstag landesweit.

20 Prozent Streumaterial verbraucht an zwei Tagen

Die Witterung hatte noch ganz andere Folgen: Bei Minustemperaturen und gefrorenem Boden mussten am Donnerstag in Frankenthal zwei Bestattungen verschoben werden. Lediglich die Trauerfeiern hätten stattgefunden, informierte die Stadt. Und die Müllabfuhr wurde teils eingestellt: etwa im Rhein-Pfalz-Kreis und im Kreis Kusel. Die vergangenen beiden Tage sorgten auch beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) für viel mehr Arbeit. An den beiden Tagen hätten die 57 Straßenmeistereien im Land 18.000 Tonnen Streumaterial verbraucht – rund 20 Prozent des durchschnittlichen Jahresverbrauchs.

Auch wenn sich die Wetterlage derzeit beruhigt hat, rät die Polizei dazu, im Auto Decken und warme Getränke dabei zu haben und vollzutanken. Experten empfehlen für die Winterreifen eine Profiltiefe von vier Millimetern. Abseits der Unannehmlichkeiten konnte man aber auch den Winter genießen: bei einem Spaziergang oder einer Schlittenfahrt. Forstämter dagegen warnen: Für Wanderer und Freizeitsportler sei es aktuell nicht die beste Idee, in den Wald zu gehen. Es bestehe die Gefahr, dass Äste unter der Last von Schnee und Eis abbrechen und Bäume umkippen, so Petra Burkhart, stellvertretende Leiterin des Forstamts Donnersbergkreis. Im Fall von Sturmböen sei die Gefahr noch einmal größer, warnte auch das Forstamt Haardt in Landau. Am Freitag sollen die Schneeschauer dann abklingen, informierte der Deutsche Wetterdienst. Die Temperaturen steigen auf minus drei bis plus ein Grad.

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