Rheinland-Pfalz Die 100-Punkte-Frage

Mehr als 11.000 Weine haben die Tester des „Gault & Millau“ verkostet. Fünf davon erhielten die maximale Punktzahl, darunter ein
Mehr als 11.000 Weine haben die Tester des »Gault & Millau« verkostet. Fünf davon erhielten die maximale Punktzahl, darunter ein Riesling von Bassermann-Jordan.

Der Markt für Weinführer ist in Bewegung gekommen: Außer „Eichelmann“, „Gault & Millau“ und „Falstaff Weinguide“ liegt seit Ende November erstmals der „Vinum Wineguide“ in den Läden. Sie alle versprechen Weinfreunden Orientierung über die Qualität von Weinen aktueller Jahrgänge und deren Erzeuger. Für die darin bewerteten Winzer geht es um Punkte, Sterne und Trauben, die Prestige und Verkaufsargumente bedeuten.

Als Ende November der „Gault & Millau Weinguide Deutschland 2018“ erschienen ist, sorgte das in Deidesheim für fröhliche Gesichter: Mit dem Höchstwert von 100 Punkten zeichnete der Weinführer in seiner 25. Auflage erstmals auch drei trockene Weine aus, darunter den 2016er Forster Kirchenstück Riesling Großes Gewächs des Weinguts Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan. Außerdem erhielt der Betrieb die begehrte fünfte Traube, mit der der Weinführer jene Weingüter ehrt, die seine Verkoster zur Weltklasse zählen. „Das ist eine tolle Auszeichnung für die Arbeit, die unser gesamtes Team leistet, vor allem für Ulrich Mell und seine Kellermannschaft. Für uns im Vertrieb ist die Arbeit natürlich als hochdekorierter Betrieb auch einfacher als wenn man kein Träubchen hat“, sagt Gunther Hauck, kaufmännischer Geschäftsführer bei Bassermann-Jordan. Die nur 1200 Flaschen aus dem Kirchenstück sind jedoch bereits in Subskription verkauft worden. „Wer gekauft hat, darf sich bestätigt fühlen“, ergänzt Hauck. Den Deidesheimern dürfte zumindest bei den 100 Punkten für ihr Großes Gewächs ein wenig zugute gekommen sein, dass jetzt mit dem „Vinum Weinguide“ eine weitere Publikation um die Gunst von Winzern und Weinfreunden buhlt. Der Weinguide erscheint beim Münchener Christian Verlag, der bislang Lizenznehmer für den Weinguide des „Gault & Millau“ in Deutschland war. Nach langen Verhandlungen sei im Sommer die Entscheidung gefallen, die Lizenz nicht zu verlängern, erklärt Carsten Henn, Chefredakteur des „Vinum Weinguides“. Der Christian Verlag habe aber auch weiterhin einen Weinführer im Programm haben wollen, sodass schließlich in Zusammenarbeit mit der Fachzeitschrift „Vinum“ der „Vinum Weinguide“ aus der Taufe gehoben wurde – mithilfe großer Teile des Teams, das bislang am „Gault & Millau“ gearbeitet hat, einschließlich der Chefredakteure Henn und Joel B. Payne. Dadurch stand der neue „Gault & Millau“-Lizenznehmer, der ZS Verlag aus München, vor der Herausforderung, den Weinführer mit einer bis auf zwei Verkoster neuen Mannschaft zu stemmen. Mit der Bestnote von 100 Punkten für fünf Weine hat das neue Testerteam auch gleich für Aufsehen gesorgt. „Im Vergleich zu vorher nutzen wir jetzt die Bewertungsskala konsequenter aus. Dies heißt zum einen, dass Spitzenweine auch Spitzennoten erhalten – das vorherige Team war damit sehr zurückhaltend. Zum anderen haben wir aber auch 70 Betriebe abgelehnt, die aus unserer Sicht die Qualitätshürde noch nicht nehmen“, sagt Britta Wiegelmann, die neue Chefredakteurin des „Gault & Millau Weinguides“. Eine generelle Verschiebung der Skala nach oben gebe es beim „Gault & Millau“ aber nicht, betont sie. „Beim Kirchenstück waren sich irgendwie alle Verkoster einig, dass er sehr gut ist – sei es bei Gault & Millau, Eichelmann, Vinum oder dem Onlineportal Wein-Plus“, berichtet Gunther Hauck. Carsten Henn, der auch Chefredakteur des Weinfachmagazins „Vinum“ ist, sieht gleichwohl eine Tendenz in Richtung höherer Punktzahlen: „International sind die Punkte regelrecht nach oben geschossen. In Australien zum Beispiel können Sie kaum noch einen Wein verkaufen, der mit weniger als 95 Punkten bewertet ist.“ Gerhard Eichelmann, Herausgeber des gleichnamigen Weinführers, der im Heidelberger Mondo-Verlag erscheint, sieht ebenfalls einen Trend zu besseren Bewertungen: Es sei aber gefährlich für die Kritiker, sich das Wohlwollen der Winzer über hohe Punktzahlen zu erwerben, weil dadurch bei diesen eine Erwartungshaltung erzeugt werde, warnt er. Eichelmann hat schon überlegt, die international gebräuchliche 100-Punkte-Skala, die er nach eigenen Angaben vor zwei Jahrzehnten in Deutschland eingeführt hat, in seinem Weinführer wieder abzuschaffen. „Beim Riesling war 2016 aus unserer Sicht nicht das ganz große Jahr, um mit Punkten um sich zu werfen“, sagt Eichelmann mit Blick auf die Bewertungen der Konkurrenz. Sein Verkosterteam vergab in der Kategorie „trockener Riesling“ in der aktuellen Ausgabe maximal 94 Punkte – was „hervorragend“ bedeutet, aber noch keine „Weltklasse“ ist. Das Bassermann-Jordan’sche Kirchenstück bewerteten die Eichelmann-Tester mit 92 Punkten – und damit ebenfalls als „hervorragend“. „Vinum“-Chefredakteur Henn sagt, er halte nichts davon, Bestnoten mit der „Gießkanne“ zu vergeben – nennt aber auch einen simplen Grund für die steigenden Punktzahlen: „Die Winzer werden immer besser. Vor 25 Jahren wurden beispielsweise noch fehlerhafte Weine zur Verkostung eingereicht. Das gibt es heutzutage praktisch gar nicht mehr.“ Henn und seine Mannschaft sorgten an der Mittelhaardt ebenfalls für fröhliche Gesichter – und zwar beim Wachenheimer Weingut Dr. Bürklin-Wolf, das von den Verkostern ebenso das Prädikat „Weltklasse“ (fünf Sterne) verliehen bekam wie die Pfälzer Weingüter Knipser (Laumersheim) und Ökonomierat Rebholz (Siebeldingen). „Die Auszeichnung freut uns vor allem für unsere Mitarbeiter. Aber die Erfahrung zeigt auch, dass wir verstärkt auf solche Bewertungen angesprochen werden“, erzählt Geschäftsführer Steffen Brahner. Letztlich sei es für Verkostungen wichtiger, kontinuierliche Qualität auf die Flasche zu bekommen als punktuell mit hohen Bewertungen zu glänzen. Seiner eigenen Stilistik bleibt das traditionsreiche Weingut ohnehin treu: „Wir machen keine Weine für Weinführer, wir machen Bürklin-Wolf-Weine“, sagt Brahner. Er freue sich für die Nachbarn aus Deidesheim und für die gesamte Pfalz über die 100 Punkte für Bassermann-Jordan, ergänzt er. Dort gibt es 2018 wieder einen Grund zum Feiern – unabhängig von den Bewertungen bei „Gault & Millau“ & Co.: das 300. Jubiläum. Natürlich auch mit einigen Flaschen des 100-Punkte-Weins aus dem Kirchenstück.

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