Rheinpfalz Superfood: Von wegen super

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Chia-Samen.

Açai-Beere, Chia-Samen, Moringa-Pulver: Immer mehr Superfoods, die als besonders gesund gelten, sind im Handel und Internet erhältlich. Mit steigender Nachfrage häufen sich jedoch Verwechslungen und Fälschungen. Karlsruher Biologen haben deshalb ein Verfahren entwickelt, mit dem man falsche Superlebensmittel von echten unterscheiden kann.

Es begann mit Tulsi. Das Indische Basilikum war vor zehn Jahren eines der ersten sogenannten Superfoods, die in Deutschland auf den Markt kamen, erzählt Peter Nick, Professor für Molekulare Zellbiologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Da an seinem Fachbereich auch Lebensmittelchemiker in Botanik ausgebildet werden, verfolgen Nick und seine Mitarbeiter auch Ernährungstrends.

Suche gestaltet sich schwierig

Eine Kollegin ging regelmäßig durch Supermärkte, um nach neuen Produkten Ausschau zu halten – und stieß auf Tulsi. Wenig später meldeten sich Behörden, die die Sicherheit von Lebensmitteln im deutschen Handel überwachen, bei Peter Nick mit der Frage: Wie sieht Tulsi eigentlich aus? Die Suche nach dem wahren Tulsi gestaltete sich schwierig: Nick forderte bei Botanischen Gärten in Deutschland Referenzpflanzen an – und erhielt fünf Exemplare, die alle anders aussahen, aber alle Indisches Basilikum sein sollten.

Viele Produkte nur begrenzt erhältlich

Die Idee für eine Sammlung von Belegpflanzen war geboren. „Bei den sogenannten Superfoods gibt es eine unglaubliche Dynamik. Liegt ein Produkt im Trend, wollen es plötzlich alle haben. Viele dieser Produkte sind aber nur begrenzt erhältlich, weil sie bisher nur in kleinen Mengen angebaut wurden oder sie nur in bestimmten Regionen wachsen“, sagt Peter Nick. Um die Nachfrage zu befriedigen, landen oft Fälschungen oder Verwechslungen auf dem Markt – auch, weil viele Anbieter selbst nicht sicher sind, wie die Pflanzen aussehen, die sie verkaufen wollen. Solche Fälle können für den Kunden nicht nur ärgerlich sein; wenn man viel Geld für ein Lebensmittel bezahlt, sollte schließlich drin sein, was draufsteht. Es kann mitunter auch gesundheitsgefährdend sein.

Allergische Raktionen möglich

Ein Beispiel ist Bambustee, wie der Experte erklärt, in China und Korea ein traditionelles Getränk. Von 1400 Bambusarten eignen sich allerdings nur drei für den Aufguss. Oft enthalte der Tee statt Bambus Nelkenblätter, vermutlich, sagt Nick, weil Nelke im Chinesischen Steinbambus heißt und es so zu Verwechslungen kommt. Trinke eine Schwangere den Nelkenaufguss in dem Glauben, es handele sich um Bambustee, könne das vorzeitige Wehen auslösen. Ähnlich ist es beim Indischen Basilikum: Der echte Tulsi kann bei Atembeschwerden und Bronchitis helfen, andere Sorten hingegen führen mitunter zu allergischen Reaktionen.

Genaue Beschreibungen fehlen

Das Problem für die Behörden, die die Lebensmittelsicherheit in der Bundesrepublik kontrollieren: Genaue Beschreibungen, wie sie für heimische Pflanzen vorliegen, gibt es für viele asiatische, afrikanische oder südamerikanische Gewächse noch nicht. Sie eindeutig zu bestimmen, ist daher selbst für Fachleute schwierig. Die Namensgebung in den Ursprungsländern mache die Sache auch nicht immer einfacher, erklärt Nick und verweist auf Chia (Salvia hispanica), eine Salbeiart, die aus Mexiko und Zentralamerika stammt. Dort gebe es allerdings sechs Pflanzen, die Chia genannt werden, teilweise aber gar nicht miteinander verwandt sind, betont Peter Nick.

Pulverform erschwert die Bestimmung

Hinzu kommt: Wenn ein Produkt in Pulverform vorliegt, sei eine Bestimmung mit dem bloßen Auge oder unter dem Mikroskop ohnehin nicht mehr möglich – dann helfen nur noch DNA-Analysen. Die sind jedoch zeitaufwendig und teuer. „Welcher Händler lässt seine Ware denn gern mehrere Tage im Hafen stehen, bis geklärt ist, ob sein Produkt tatsächlich auch das deklarierte ist?“, fragt der Karlsruher Forscher.

Datenbank für Superfood-Erbgut

Ein Weg, diese Analysen zu verkürzen, sind genetische Fingerabdrücke, die auf den Erbgut-Barcodes von Superfood basieren. Peter Nick und sein Team haben begonnen, eine solche Datenbank anzulegen. Das funktioniert so ähnlich wie der Strichcode im Supermarkt: Jede Pflanze hat einen anderen Gen-Code, der sie eindeutig identifizierbar macht. Für das Verfahren nutzen die Wissenschaftler Genscheren – das sind Moleküle, die an bestimmten Stellen des Erbguts andocken und es an dieser Stelle zerschneiden. Bei jeder Art funktioniert nur die eine, zu ihrer DNA passende Genschere. Schnappt die Schere also zu, handelt es sich um eine ganz bestimmte Spezies und die Forscher wissen, welche Pflanze sie vor sich haben beziehungsweise – wenn die Schere nicht oder eine andere Schere zuschnappt – dass es sich um eine Fälschung handelt. Inzwischen enthält die Sammlung 7000 Barcodes. In einigen Ländern, etwa Großbritannien, gebe es bereits Standardtestverfahren, die auf Barcodes basieren, berichtet Peter Nick.

Gesunde Skepsis angebracht

Verbrauchern rät der Forscher zu einer gesunden Skepsis – und bei Händlern oder Herstellern nachzufragen, wenn einem etwas komisch vorkommt. Oder gleich auf heimische Produkte zu setzen. „Was Chia kann, kann Leinsamen auch – und der ist billiger und schwerer zu fälschen.“ Leider fehle es noch an Problembewusstsein: „Wir haben Firmen, bei denen wir falsche Superfoods gefunden haben, angeschrieben und darauf aufmerksam gemacht. Nicht immer bekamen wir darauf eine Antwort.“

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