Meinung Beim Thema Schwarz-Grün ist CDU-Chef Merz ein Realo

CDU-Chef Friedrich Merz strebt eine schwarz-grüne Koalition im Bund nicht an, hält sie aber für möglich.
CDU-Chef Friedrich Merz strebt eine schwarz-grüne Koalition im Bund nicht an, hält sie aber für möglich.

Merz hält eine schwarz-grüne Koalition für möglich. Der Taktiker will sich alle Optionen offenhalten.

Man muss Friedrich Merz gratulieren. Und zwar für seinen Realitätssinn. Niemand sollte glauben, der CDU-Chef sei lediglich ein Mann für ökonomische Fragestellungen. Natürlich weiß Merz, wie Macht funktioniert – spätestens seit 2002, als Angela Merkel ihn von der Spitze der Unionsfraktion verdrängte. Das schaffte Merkel nur, weil sie frühzeitig in den Reihen der Christdemokraten sondiert hatte.

Politik ist Organisation, wusste schon der zweimalige SPD-Chef Franz Müntefering. Wenn Merz also 20 Monate vor der regulär nächsten Bundestagswahl eine Debatte über Schwarz-Grün anstößt, mag das mit Blick auf viele Unwägbarkeiten viel zu früh sein. Aber dem CDU-Vorsitzenden und voraussichtlichen Kanzlerkandidaten der Union nützt der Aufschlag allemal. Denn seine Parteienfamilie soll sich rechtzeitig an den Gedanken gewöhnen, dass am Ende – also bei einem möglichen Wahlsieg der Union – nicht automatisch eine Wunschkoalition vor der Tür steht.

Ausschließeritis war noch nie sinnvoll

Es geht also um die gedankliche Vorbereitung auf den Fall, ein Bündnis eingehen zu müssen mit einer Partei oder mehreren Parteien, die man im Moment lieber zum Teufel wünscht.

Obwohl die Einlassung des CDU-Chefs durchaus banal ist, weil demokratische Parteien willens sein müssen, miteinander Koalitionen zu schließen, um Schlimmeres zu verhindern, eckt Merz mit seinen Überlegungen in den eigenen Reihen an. Dabei stuft der CDU-Vorsitzende die Option Schwarz-Grün als „keine besonders verlockende Aussicht“ ein und wünscht sich im Fall der Fälle lieber SPD oder FDP an seine Seite. Es ist wahlkampftaktisch klug von Merz, keine Option auszuschließen, weil sich das bei den Koalitionsverhandlungen auszahlt. Ausschließeritis war noch nie sinnvoll – außer im Fall der AfD.

Hubert Aiwanger lässt grüßen

Dennoch schäumt vor allem die Schwesterpartei CSU. Das ist besonders deshalb drollig, da es dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder nicht überzeugend gelingt, eine Koalition im konservativen Milieu zu führen, die ein Beispiel an Eintracht und Loyalität darstellen würde. Hubert Aiwanger lässt grüßen.

Den Grünen eine „Politik der ideologischen Bevormundung“ vorzuwerfen, wie dies CSU-Generalsekretär Martin Huber macht, folgt zwar dem populistischen Narrativ dieser Tage, dürfte sich aber bald abgenutzt haben. Hubers These lässt sich allenfalls mit dem ersten, bald korrigierten Entwurf des Habeck’schen Heizungsgesetzes begründen. Ohnehin ist nicht ausgeschlossen, dass Söder die Sache mit den Grünen in einer Woche ganz anders sieht.

CDU bald mit den Linken?

Schon zur nächsten Landtagswahl in Thüringen müsste die CDU auch die Frage klären, ob sie mit der Linkspartei ein Bündnis eingehen würde. Noch gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Dessen Berechtigung ist mit Blick auf die enorm erstarkte AfD längst abgelaufen.

Angesichts der in jüngster Zeit aus dem Boden schießenden neuen Parteien kann es aber auch sein, dass Merz als möglicher Wahlsieger im Bund eine ganz andere Rechnung aufmachen muss in Richtung eines bunten Mehrparteienbündnisses. Schon jetzt sitzen Vertreter von acht höchst unterschiedlichen Parteien im Bundestag. Nicht alle haben Fraktionsstatus, aber das kann sich ändern. Eine Regierungsbildung unter diesen Bedingungen wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik – und eine Qual für jeden Wahlgewinner. Man muss Kurt Beck recht geben, der im Gespräch mit der RHEINPFALZ jüngst prophezeite: „Wir werden uns noch danach sehnen, die guten alten Volksparteien gehabt zu haben.“

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