Wandern für Pfälzerwald-Fans Nordvogesen: Wanderung um die Wasenburg bei Niederbronn-les-Bains

Pure Gotik: die um 1260 erbaute Wasenburg, mit Goethe-Plakette (rechts über dem Portal).
Pure Gotik: die um 1260 erbaute Wasenburg, mit Goethe-Plakette (rechts über dem Portal).

Ein Ausflug zu einem Prachtstück gotischen Burgenbaus. Auf dieser Zehn-Kilometer-Strecke geht es außerdem zu gallo-römischen Resten, durch mysteriöse Waldstücke und in ein idyllisches Winzerdorf.

Wo weilte der Mann eigentlich nicht? Da quält man sich im Schweiße seines Angesichts den Weg zur Wasenburg hoch, nur um oben festzustellen, dass er, mal wieder, schon längst da war: Goethe. Wie man das sonst nur aus Städten wie Heidelberg & Co. kennt, prangt über der Eingangspforte zur abseits gelegenen Ruine bei Niederbronn-les-Bains in den Nordvogesen ein gusseisernes Schild, welches uns lehrt, dass Goethe, damals Jura-Student in Straßburg, der Wasenburg im Jahre 1770 einen Besuch abstattete.

Von der Wasenburg nach Oberbronn und zurück: Die Wanderung ist ca. 10 Kilometer lang.
Von der Wasenburg nach Oberbronn und zurück: Die Wanderung ist ca. 10 Kilometer lang.

In seinen Memoiren „Dichtung und Wahrheit“ erinnert sich der Dichter der Tour durchs Elsass und der „Ruinen eines deutschen, auf römische Reste gebauten Schlosses“. Die hier gefundenen antiken Fragmente interessierten den angehenden Klassiker besonders: „So verehrte ich auch, als wir die nahe gelegene Wasenburg bestiegen, eine gut erhaltene Inschrift, die dem Merkur ein dankbares Gelübd’ abstattet.“ Ansonsten bewunderte Goethe noch die Aussicht, die Burg selbst ist ihm keine weitere Zeile wert. Was schade ist. Denn aus Sicht des Burgenforschers ist sie die wahre Sehenswürdigkeit: ein Paradebeispiel für den Burgenbau der Gotik.

Massiver Schutz: Die Schildmauer der Wasenburg ist 3,70 Meter dick, 19.5 Meter breit und heute noch 22 Meter hoch.
Massiver Schutz: Die Schildmauer der Wasenburg ist 3,70 Meter dick, 19.5 Meter breit und heute noch 22 Meter hoch.

Die Wasenburg: ein gotisches Kleinod

Typologisch gehört die Wasenburg – wie die Ramburg in der Pfalz oder die unweit von Niederbronn gelegene Burg Neu-Windstein – zu den reinen Schildmauerburgen ohne Bergfried. Stilistisch zeigt die um 1260 errichtete Anlage sehr schön, wie gotische Bauzier Einzug in weltliche Wehr- und Wohnarchitektur hielt. Hinter eine massive, in Relation zum Rest frappierend wuchtig wirkende Schildmauer aus fein gearbeiteten, oft länglich-schmalen Buckelquadern duckt sich ein turmartiger Wohnbau, der auf der Südostseite großzügige Fensteröffnungen aufweist. Von singulärer Schönheit – es gibt nichts Vergleichbares hierzulande – ist das große, im 19. Jahrhundert leicht restaurierte Maßwerkfenster im Obergeschoss. Es besteht aus neun schlanken Lanzetten, über denen sieben Rosetten in ansteigender Größe gruppiert sind; das Ganze überwölbt ein Rundbogen in einer 4,50 Meter breiten Nische mit dreiseitiger Sitzbank.

Feinste Architektur: Wohnbau der Wasenburg mit Maßwerkfenster und filigranen Konsolen für die Balkendecke.
Feinste Architektur: Wohnbau der Wasenburg mit Maßwerkfenster und filigranen Konsolen für die Balkendecke.

Doch nicht allein das schmucke Panoramafenster kündet von feudalem Luxus: Auch die filigranen, unten zugespitzten Konsolen, die die Balkendecke trugen, oder der markante Heizungserker auf der Eingangsseite des Wohnbaus zeugen von gehobenem Lifestyle. Auffällig ist außerdem die durchgehende Verwendung von Quadern mit Zangenlöchern, was ebenfalls zur spezifischen Ästhetik der Anlage beiträgt.

Felskopf gegenüber der Wasenburg: In den hier vermauerten Resten eines Merkurtempels beten heute Eidechsen die Sonne an.
Felskopf gegenüber der Wasenburg: In den hier vermauerten Resten eines Merkurtempels beten heute Eidechsen die Sonne an.

So erscheint die Wasenburg architektonisch wie aus einem Guss. Zumal die Ruine vorzüglich erhalten ist. Was abhanden kam – Dächer, Aufbauten, aufgehendes Mauerwerk im Burghof und der Unterburg – kann man leicht im Kopf ergänzen: zum Bild einer kompakten trapezförmigen Anlage, sehr überschaubar in ihren Dimensionen und dennoch mit hoher Baukunst prunkend.

Im Besitz der Herren von Lichtenberg

Umso mehr irritiert, dass die historische Überlieferung zu diesem gotischen Kleinod nicht bloß dürr, sondern von maximaler Banalität ist. 1272 taucht ein Friderich von Wazsenburg einmalig in einer Urkunde auf, vermutlich ein Burgvogt der sich nach der Burg benannte. Ab 1335 befand sich die Wasenburg nachweislich im Besitz der Herren von Lichtenberg, die die Anlage gern als Pfandobjekt einsetzten. 1474 war die Burg noch bewohnt, 1592 bereits verfallen. Das war’s! Für wen und zu welchem Zweck der architektonische Aufwand bei der Erbauung der Burg ursprünglich betrieben wurde – man weiß es nicht.

Mysterium: Woher rühren die Bearbeitungsspuren im sogenannten Jardin des Fées?
Mysterium: Woher rühren die Bearbeitungsspuren im sogenannten Jardin des Fées?

Merkurtempel und Feengarten

Die antiken Spolien, die Goethe „verehrte“, finden sich heute eingemauert in dem frei stehenden Felskopf gegenüber der Ruine. Die Reste eines provinzialrömischen Merkurtempels, der lange vor der Wasenburg auf dem Nordsporn des Reisbergs stand, dienen an schönen Tagen zahllosen Eidechsen als Liegeterrassen.

Typische Elsässer Fachwerkidylle: Winzerdorf Oberbronn.
Typische Elsässer Fachwerkidylle: Winzerdorf Oberbronn.

Wir überlassen die kleinen Reptilien ihrem antikischen Sonnenbad und brechen auf zum Garten der Feen. An der Nordwestflanke der Burg entlang, beim Halsgraben rechts den Berg hinauf und dann wahlweise der blauen Scheibe oder dem roten Rechteck folgend, gelangt man alsbald in ein mysteriöses Waldstück: in den Jardin des Fées. Trockenmauern und ein 70 Zentimeter langer, eine Kurve beschreibender Felskanal geben Rätsel auf. Sind es Spuren aus dem Jahr 1398, als Truppen des Straßburger Bischofs die Wasenburg kurzzeitig belagerten? Oder Reste eines Burggartens? Legenden führen die Relikte auf die „weißen Frauen“ der Kelten zurück – eben auf Feen.

Schutzhütte und Wachtfels: Ausblick vom Burghof der Wasenburg.
Schutzhütte und Wachtfels: Ausblick vom Burghof der Wasenburg.

Über den Buckelstein nach Oberbronn

Weiter geht’s: über den Rücken des 481 Meter hohen Reisbergs, auf naturbelassenem Weg durch schönen Mischwald, an den „Pierres à cupules“, den Napf-Felsen vorbei, deren Vertiefungen an Opferschalen erinnern. Bei der Wegspinne Kreuztannen folgen wird dem Chemin Forestier de Kreuztannen – bis zu einer halbverfallenen Bank. Ihr gegenüber zweigt links ein Pfad ab (grünes Kreuz), der über einen Treppenweg am zerklüfteten Felsmassiv Buckelstein hinunter nach Oberbronn führt. Dort gibt’s, weil man mit der nämlichen Pfälzer Gemeinde verpartnert ist, an zentraler Stelle eine Place d’Altleiningen. Ansonsten herrscht typische Elsässer Dorfidylle mit alten, in Ockerfarben bemalten Fachwerkhäusern und plätschernden Brunnen – pittoresk!

Napf-Felsen: die Pierres à cupules auf dem Reisberg.
Napf-Felsen: die Pierres à cupules auf dem Reisberg.

Wir spazieren durch die Rue Gelders in Richtung Nordosten, am Kloster der Schwestern vom Göttlichen Erlöser vorbei. An dessen Ende biegen wir links wieder in den Wald ein: Ein rotes Dreieck – beim Wandern in den Vogesen waltet, zumindest in Sachen Wegzeichen, strikte Geometrie – lotst uns durch Esskastanienwald zum Graebelsbrunnen und schließlich über den ehemaligen Köhlerplatz „Kohlhutte“ zurück zur Wasenburg. Deren gotische Brillanz ist nun in dramatisches Nachmittagslicht getaucht. Also wird noch einmal die Smartphone-Kamera gezückt ...

 

Schwefelgelbe Pracht: Ginster-Wiese im Wald auf dem Reisberg.
Schwefelgelbe Pracht: Ginster-Wiese im Wald auf dem Reisberg.

Wegweiser

Die Wasenburg liegt nordwestlich von Niederbronn-les-Bains in den Nordvogesen und ist frei zugänglich. Start: kleiner Parkplatz in der Allée du Roi de Rome (parallel zur D 1062); von dort folgt man dem roten Rechteck hinauf zur Burg. Die gesamte Wanderung nach Oberbronn und zurück ist 10 km lang. Einkehrmöglichkeiten in Oberbronn (zum Beispiel „Au Boeuf Noir“ gegenüber der Mairie, an der Ecke Rue Gelders/Rue Principale) und in Bad Niederbronn; alternativ: Rucksackverpflegung. Weitere interessante Ziele in der Nähe: die Burgruinen Alt- und Neu-Windstein, das Jaegerthal mit den Ruinen eines Eisenhammers des 17. Jahrhunderts (Ancienne Forge de Jaegerthal), Reichshoffen mit dem Schloss der Industriellen-Dynastie De Dietrich.

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