Panorama Verrückt nach Hai Mary Lee

2012 verpassten Forscher dem Hai einen Sender, seitdem lässt sich nachverfolgen, wo im Atlantik er gerade unterwegs ist.
2012 verpassten Forscher dem Hai einen Sender, seitdem lässt sich nachverfolgen, wo im Atlantik er gerade unterwegs ist.

«New York.» In diesem Jahr wird die feine New Yorker Gesellschaft zur „Hai-Society“. Das liegt an einem 2000 Kilo schweren Tier, das vor der Küste von Long Island seine Kreise zieht.

Wenn in den Hundstagen des Juli und August die Straßen von Manhattan so stickig werden, dass jedes Cocktailkleid im Nu durchgeschwitzt ist, dann verlagert sich das soziale Leben der oberen Zehntausend hinaus nach Long Island. Hamptons heißt die Region am östlichen Ende der Insel, der Name ist abgeleitet von den luxuriösen Ferienorten wie Southampton oder Bridgehampton. Wer etwas auf sich hält, hat dort eine Sommerresidenz in Strandnähe, in denen am Wochenende die begehrtesten Partys der New Yorker Society stattfinden. Diesen Sommer haben die Hamptons einen neuen Star. Mary Lee heißt die Lady, über die jeder am Ostende von Long Island spricht; sie wiegt 2000 Kilo und ist knapp sechs Meter lang. Mary Lee ist ein großer Weißer Hai, und seit Meeresbiologen ihr vor fünf Jahren einen Sender verpasst haben, hat sie eine stetig wachsende Anhängerschaft. Auf Twitter folgen ihr 120.000 Menschen. Wann immer sie sich in die Nähe der Hamptons bewegt, gerät die Sommerklientel dort in helle Aufregung. Partys mit Mary-Lee-Thema sind Mode unter den Schönen und Reichen von New York. Ebenso Strandhandtücher und T-Shirts mit dem Hai. Ein Bäcker in Southampton bietet entsprechend gestaltete Torten an. Und das Wohlergehen von Mary Lees Kindern, die mutmaßlich rund 50 Kilometer vom Ostzipfel von Long Island entfernt aufwachsen, sind Gegenstand großer Fürsorge. Diese neu entdeckte Liebe zum Hai an den Stränden des Nordostens ist ein dramatischer Wandel im Verhältnis zu den große Raubtieren der Meere. Spätestens seit Steven Spielbergs „Der Weiße Hai“ 1975 genau an diesen Stränden gedreht wurde, galten die großen Raubtiere als Monster, vor denen man sich fürchtete. Ein Image, das Artenschützern und Meeresbiologen Sorge bereitete. So fiel die Population der großen Weißen Haie im Nordostatlantik in den Jahren 1986 bis 2000 um 79 Prozent. Dazu trug nicht zuletzt auch der schlechte Ruf bei. Rücksichtslose Jagd auf die Tiere und ihre begehrten Rückenflossen brachten die Art in Bedrängnis. Seither gibt es jedoch neue Schutzbestimmungen und verstärkte Anstrengungen, die Haie in dieser Gegend wieder anzusiedeln. Die Bemühungen hatten Erfolg: In den vergangenen Jahren tauchen immer mehr wieder an den Stränden der Bundesstaaten New York, New Jersey und Massachusetts auf. Um für die Zukunft das Verhältnis zwischen Mensch und Hai besser zu gestalten, haben die Meeresbiologen die Schutzbemühungen mit einer PR-Kampagne flankiert. So war die Forschergruppe Ocearch 2012 in einer TV-Dokumentation dabei zu sehen, wie sie die Haie mit Sendern versah, um ihre Bewegungen und ihr Brutverhalten zu studieren. In jenem Film lernte das US-Publikum auch Mary Lee kennen. Unmittelbar nach der Ausstrahlung bildete sich eine Fangemeinde, die auf der Website von Ocearch Mary Lee dabei folgte, wie sie Tausende von Meilen die Ostküste hoch und runter bis weit in die Karibik schwamm. Wann immer sie sich in die Nähe eines Ortes oder eines Strandes bewegte, versammelte man sich dort oder fuhr hinaus um sie zu begrüßen. In diesem Juli hat sie es allerdings noch nicht in die Nähe der Hamptons geschafft, zuletzt wurde ihr Signal im offenen Atlantik, hundert Meilen östlich von Delaware aufgenommen. Dafür wurde Ende Juni der Hai Hilton in der Nähe von Cape Cod gesichtet. Nun debattiert man in den Hamptons, ob Hilton und Mary Lee wohl ein gutes Paar abgeben würden, falls sie sich über den Weg schwimmen. Die kleinen Haie aus der Verbindung würde man dann selbstverständlich auch umgehend kollektiv adoptieren.

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