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Winterthur. Elisabeth Buser hat das Jodeln von einer Kongolesin gelernt. Inzwischen unterrichtet die Schweizerin selbst Migrantinnen im Ruf der Berge – und rührt damit ihre Landsleute zu Tränen.

Das Jodeln gehört zur Schweiz wie die Löcher im Käse. Was anfing als Ruf von Hirten und Gebirgsbewohnern, um weite Distanzen lauthals zu überbrücken, fand mit der Zeit als Liedform Eingang ins akustische Brauchtum der Alpen. So sehr, dass Flachlandtiroler dazu neigen, den Alpenländlern allgemein zu unterstellen, das Jodeln liege ihnen gar im Blut. Weit gefehlt. „Viele Schweizer jodeln nicht“, sagt Elisabeth Buser. Die 56-jährige aus Winterthur muss es wissen, schließlich weiht sie Migrantinnen in die Geheimnisse des montanen Rufens ein. Für ihre Bemühungen um die Integration von Zuwanderern wurde sie dieser Tage von der evangelikalen Akademie für Weltmission in Korntal bei Stuttgart mit einem Preis bedacht – und hat das Jodeln doch selbst erst von einer Frau aus Kongo gelernt. Sie hat das Pferd quasi vom Schwanz her aufgezäumt. Schon lange bietet Elisabeth Buser in ihrer Schweizer Heimat Handarbeitskurse für Migrantinnen an. „Damit sie ein bisschen Abwechslung in ihrem Alltag haben“, sagt sie. Denn dieser besteht ähnlich wie in Deutschland vor allem aus Warten. Bei ihren häuslichen Runden lernte die Schweizerin eine Kongolesin kennen, die sich bereits intensiv dem Jodeln gewidmet und Kurse belegt hatte, die gar in den örtlichen Traditionsverein eingetreten war, um im Jodelchor mitzumachen. Doch das klappte nicht so recht, weil einige Einheimische sich durch die afrikanische Jodlerin etwas befremdet fühlten. Andererseits entwickelte Buser, die Handarbeitsanleiterin, ein Faible für den Ruf der Heimat und ging nun ihrerseits bei der Kongolesin in die Jodellehre. „Ich habe mir gesagt: Das Jodeln macht so fröhlich, das möchte ich auch lernen“, sagt Buser. Gesagt, gejodelt. Die beiden legten los, Elisabeth Buser lernte schnell („Das kann jeder.“), weitere Frauen kamen hinzu, eine Indonesierin, eine Frau aus Kamerun, noch einige andere in wechselnder Besetzung. Die Jodelgruppe Nyota entstand, nach dem Kisuaheli-Wort für Stern. „Wir sind die jodelnden Sterne“, sagt Elisabeth Buser und lacht. Bei ihren Auftritten hätten die Schweizer unter den Zuhörern oft Tränen in den Augen – nicht etwa, weil die Darbietung schräg klinge, nein, Tränen der Rührung und der Freude. „Das ist schon sehr berührend, wenn da Menschen aus der Fremde die Kultur des Gastlandes mehr leben als viele Einheimische“, sagt Elisabeth Buser. Denn darauf, dass alles absolut stilecht abläuft, legt die sechsfache Mutter Wert. „Die Lieder, also die Textzeilen, werden auf Schweizerdeutsch gesungen“, sagt sie. Das setzt natürlich gewisse Sprachkenntnisse voraus, wenn auch nicht zu viele: „Wir müssen nicht perfekt sein. Wir wollen lediglich Freude haben.“ Die Schweizerin sieht sich als Brückenbauerin zwischen den Kulturen. Denn Vorbehalte gebe es nach wie vor: „Die sind eine ständige Herausforderung.“ Und das, obwohl nachweislich in den Bergländern der ganzen Welt in irgendeiner Form gejodelt wird, sogar im einstigen Wilden Westen, im afrikanischen Regenwald und auf den Kanarischen Inseln. „Das ist eine Art Urschrei, so befreiend“, schwärmt Elisabeth Buser. Und: „Jodeln kann man ohne Worte.“

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