Spanien Bundesland Nummer 17: Der Ballermann wird 50

Mitglieder der DJK Rehde am Strand von Arenal.
Mitglieder der DJK Rehde am Strand von Arenal.

Es gibt kaum einen Deutschen, der den Ballermann nicht zumindest vom Hörensagen kennt. Die Partymeile auf Mallorca wird nun 50. Angeblich. Jetzt steht die Playa vor einer umstrittenen Neugründung.

Unter den Deutschen, die jetzt im Mai die Playa de Palma genießen, scheint es unabhängig vom Jahrgang nur eine Meinung zu geben: Zu seinem (inoffiziellen) 50. Jubiläum ist der Ballermann nicht mehr das, was er mal war. „Vor Corona war schon geiler ohne die vielen Benimmregeln“, klagt etwa Dennis Bartels aus Rehde im Münsterland. Sein Reisekollege Tom, der nach eigenen Angaben an der Partymeile gezeugt wurde, verzieht das Gesicht: „Überall muss man sich benehmen, überall fliegt man heutzutage raus, wenn man sich nur kurz das T-Shirt hochzieht.“

Mit „34 Mann“ ist die Gruppe des Fußballvereins DJK Rehde angereist. Einer trägt eine schwarze Pferde-Maske, andere brüllen durch ein Megafon, eine Flasche in der Hand haben sie fast alle. „Ich sehe keine (Sangria)-Eimer mehr“, beschwert sich Yannick. Aber: „Wir lieben trotzdem Mallorca. Das ist unsere Insel. Das ist unser 17. Bundesland. Richtig geil. Prost!“

Erfinder aus Köln?

Doch wie ist der 4,5 Kilometer lange Strandabschnitt an der Südküste Mallorcas zum Sehnsuchtsort der Deutschen geworden? Um die Herkunft der Bezeichnung Ballermann ranken sich viele Legenden. Aber niemand behauptet mit mehr Nachdruck, „Erfinder“ des Ballermann zu sein, als die Mitglieder des Kölner Fußball-Thekenclubs FC Merowinger, die seit 1972 jedes Jahr am Strandlokal „Balneario 6“ Party machen.

Ex-Präsident Werner Dive, der von Anfang an dabei ist, lässt keine Zweifel aufkommen. „Klar haben wir das erfunden. Vorher war ja nichts!“, sagt der 77-Jährige. Auch in Interviews mit mallorquinischen Medien behauptet er seit Jahren, damals habe es an der Playa nicht einmal Bier gegeben. Deshalb sei man mit Kölsch-Fässern, aber auch mit Gulasch und Karnevalskluft angereist.

Balneario heißt Heilbad

Als sicher gilt, dass Ballermann eine Verballhornung des Wortes Balneario (Heilbad) ist. So heißen an der Playa die seit 1972 durchnummerierten Strandlokale, von denen es heute 15 gibt. Hoch her ging es schon in der Anfangszeit besonders am „Balneario 6“, wo sich nicht nur die Kölner jahrzehntelang gern „einen geballert“ haben. Seit 2017 heißt das Lokal aber „Beach Club Six“. Für viele Stammkunden natürlich ein Kulturschock.

Zurück in die 70er: Damals wurden für das feierwütige Publikum an der Playa immer mehr Discos und Kneipen eröffnet. Deutsche Schlagerstars wie Bernhard Brink, Costa Cordalis und Jürgen Drews entdeckten die Insel und wurden für Auftritte eingeflogen. Irgendwann begann Inselgastronom Juan Ferrer importiertes deutsches Fassbier auszuschenken; der Carrer de Miquel Pellisa wurde in „Bierstraße“ umbenannt.

Ballermann-Partys überall

Von da an gab es kein Halten mehr. Das inzwischen verbotene „Eimersaufen“ wurde zum Pflichtprogramm, der Ballermann wurde zum Kult. Es gibt inzwischen unzählige Dokus, Filme, Studien und Berichte über das Phänomen. Es gibt „Ballermann-Musikstars“ wie Mia Julia und Isi Glück, Ikke Hüftgold und Tim Toupet. Und nicht nur auf Mallorca, auch in Deutschland werden sogenannte Ballermann-Partys mit „Ballermann-Hits“ und „Ballermann-Feeling“ gefeiert. Der Hype ging so weit, dass 1993 zwei Bundestagsabgeordnete vorschlugen, Deutschland solle Mallorca für 50 Milliarden Mark kaufen.

Doch das Treiben an der Playa ist den Mallorquinern schon länger ein Dorn im Auge. 2013 gab es die ersten „Benimmregeln“. Drei Jahre später schlossen sich Hoteliers und Gastronomen zur Qualitätsinitiative Palma Beach zusammen; den Exzessen wurde endgültig der Kampf ansagt. „Für die Sauftouristen ist auf unserer Insel kein Platz mehr“, sagte jüngst der Sprecher der Balearen-Regierung, Iago Negueruela. Stattdessen sollen Naturliebhaber, Kultururlauber und Luxustouristen kommen.

Kein schöner Ort

„Nüchtern betrachtet ist der Ballermann kein schöner Ort. Gerade im Sommer. Die Sonne brennt, es riecht nach Erbrochenem und Reinigungsmitteln, das Meer ist eine warme Suppe aus Sonnencreme und wer weiß was noch“, schrieb jüngst die „Mallorca Zeitung“. Und sogar der „König von Mallorca“, Jürgen Drews, räumte vor einiger Zeit ein, er möge den Ballermann nicht und störe sich am „Gegröle und Gesaufe“.

Doch die Baller-Männer und -Frauen sind anderer Meinung. Wer sich am Strand umhört, hört fast nur Kritik an der Entwicklung: „Mittlerweile finde ich das ein bisschen streng“, „Überall Polizei“, „Die Leute benehmen sich hier alle gut“, ist zu hören. Einige, die jedes Jahr kommen, wie die Düsseldorferin Jeannette, erwägen wegen „der vielen Gesetze“ nicht mehr nach Mallorca zu reisen. Die meisten wollen der Insel aber treu bleiben. Dennis aus Rehde spricht Klartext: „Malle ist Malle und dat läuft immer!“

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