Zweibrücken Todsicher

Am Anfang ist man kurz irritiert. Beim Betreten des Theatersaals der Alten Feuerwache in Saarbrücken begegnet man maskierten Menschen, während eine Stimme über die Lautsprecher mit den Worten „Sehr geehrte Verstorbene“ grüßt. Wo ist man denn hier gelandet? Offenbar im Jenseits.

In der Theaterproduktion „Game Over“ des Berliner Theaterkollektivs „Prinzip Gonzo“, die am Freitag in der Alten Feuerwache in Saarbrücken Premiere feierte, findet sich der Zuschauer in einem etwas anderen Setting wieder. Nicht nur ist man verstorben, nein: Man ist auch noch aktiver Gestalter des Geschehens. Für die Besucher gilt es, auf dem sogenannten „großen Amt für jenseitige Analyse“ das eigene Nachleben zu regeln. Dabei hilft eine App auf einem Smartphone, das man zu Beginn bekommt. Die App trägt den Namen „Gaja“, wie die Stimme, die man über die Lautsprecher im Saal hört. Es ist die einzige Stimme, denn es gilt striktes Redeverbot – auch für die maskierten Helfer, die durch das Spiel führen. Für die 35 Teilnehmer beginnt das Prozedere mit der Auswahl eines von sieben möglichen Wegen in das Amt. So kann man sich zwischen der „Allee der vernachlässigten Beziehungen“ oder der „Promenade der unausgesprochenen Ängste“ entscheiden. Das Szenario mitbestimmen Drinnen sind Fragen zu beantworten – teilweise mit Multiple Choice, teilweise in Textform. Bei den nicht immer einfachen Fragen – darunter solche wie „Wie geht es Ihnen jetzt nach Ihrem Tod?“ – muss man sicher länger grübeln. Eine ehrliche Antwort ist aber ratsam: Man bestimmt damit den weiteren Verlauf des Spiels. Die Theatergäste sollen zudem verschiedene Aufgaben erfüllen, für die sie meist zu einer eigenen Station im Amt gehen müssen: Sie reichen vom Mischen eines Konservierungs-Elixiers bis zum Verfassen eines Sechs-Wort-Memoirs. Hat man das erledigt, muss man mit dem Smartphone einen QR-Code scannen. Basierend auf den Antworten versteht „Gaja“ schnell, welche Themen den Teilnehmer besonders bewegen und richtet danach den weiteren Verlauf aus. Diese gewollte Individualität der Verläufe macht „Game Over“ zu einer einzigartigen Erfahrung: Die Teilnehmer werden selbst zum Akteur und haben die Möglichkeit, durch eigenes Mitwirken das Szenario zu bestimmen. Das erhebt „Game Over“ über klassische Theatervorführungen, die die Handlung von der Bühne aus für den Zuschauer vorgeben. „Game Over“ ist ein packendes Game-Theater, das zum Nachdenken anregt. Das ist stellenweise fordernd und verlangt eine gewisse Offenheit. Belohnt wird es mit einem zugeschnittenen Spielverlauf und kreativen Aufgaben. Bemerkenswert ist die Technik: Das System mit dem Abscannen von QR-Codes ist praktisch; die in der App „Gaja“ vorgegebenen Instruktionen sind leicht verständlich und in deutscher und französischer Sprache vorhanden. Die Zweisprachigkeit erklärt sich daher, dass „Game Over“ als Teil einer auf zwei Projekte ausgelegten Kooperation namens „The End“ zwischen „Prinzip Gonzo“, dem Staatstheater Saarbrücken und dem Théâtre de la Manufacture in Nancy entstanden ist. Noch dieses Jahr soll „Game Over“ in Nancy aufgeführt werden. Quittung über den Spielverlauf Mit „Game Over“ ist „Prinzip Gonzo“ eine Produktion gelungen, die die Abgrenzung zwischen Bühne und Zuschauerraum verschwinden lässt. Am Ende bekommt man von besagtem Amt eine ausgedruckte Quittung, auf der der eigene Spielverlauf nachzuverfolgen ist. Durchgespielt hat man „Game Over“ damit aber bestimmt noch nicht. Bei einem weiteren Besuch dürfte das Geschehen einen anderen Verlauf nehmen. Das ist ziemlich sicher. Todsicher. Info Das Game-Theater-Projekt „Game Over“ wird noch an folgenden Terminen in der Alten Feuerwache in Saarbrücken aufgeführt: Donnerstag, 6. Juni; Dienstag, 18. Juni (jeweils um 19.30 sowie 21 Uhr); Donnerstag, 20. Juni (18 Uhr, 19.30 Uhr); Sonntag, 23. Juni (18 Uhr, 19.30 Uhr) und Dienstag 25. Juni (19.30 Uhr, 21 Uhr).

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