Zweibrücken Open-Air-Festival, Go-go-Girls und ’ne Schlammschlacht

An die kleine Kult-Diskothek „Sunset“ im Ernstweilertal, in der Ende der 70er Jahre musikalische Entwicklungshilfe geleistet wurde, erinnern sich nach über 30 Jahren immer noch viele ältere Semester beiderlei Geschlechts mit Wehmut. War sie doch für manche Jugendliche die zweite Heimat.

Viele Polizisten verkehrten ebenfalls im Sunset. Daher kam es nicht von ungefähr, dass es manchmal hieß: „Bleib heute dort weg, es gibt eine Razzia.“ Oder: „Hopp Jungs, fahrt vorsichtig nach Hause und passt auf, dass euch die Grünen nicht erwischen.“ Vor laufenden Polizeikontrollen wurde per CB-Funk gewarnt. Wer das richtige Werkzeug hatte, konnte durch das Öffnen der Schranke am Ende des Ernstweilertals aus der Sackgasse flüchten, so Georg „Atom“ Zott von der Prollrock-Band „Satanic Voices“ und der Gruppe „Gnadenlos“. Der Ex-Einöder Stefan Semler: „Auf der Sunset-Strecke wurde zu früher Stunde auch manches Auto geliefert. Einem Freund auf einem Zündapp-KS-80-Moped hat sich einmal eine Mauer am Ortseingang von Ernstweiler in den Weg gestellt.“ Die Blechgarage Richtung Hauptstraße sei öfter verformt worden. Mit der Folge, dass sich der Besitzer genervt schließlich eine Garage aus Stein mauerte. Eine enge Verbindung bestand zum Musik- und Kleinkunstpodium „Opossum“ an der Einöder Bahnhaltestelle. Es war von dem Sunset-Gründer und seinem Bruder Gerhard Schäfer ins Leben gerufen und von Jürgen Hartmann („Hadel“), der 1982 endgültig aus Mannheim westwärts zog, fünf Jahre betrieben worden. Am 20. und 21. Juli 1984 organisierten Schäfer und Hartmann gemeinsam ein zweitägiges Open-Air-Festival unter anderem mit dem Liedermacher Ralf Hunsicker, der Rockgruppe „Catherine Wheel“ und der Gruppe „Eichelhäher“. „Auf einer erhöhten Bühne tanzten Go-go-Girls oben ohne“, lacht die heutige Zweibrückerin Heike Stauter, ehemals Linn, für die das Sunset „das Paradies“ war. „Ein paar militante Frauenrechtlerinnen wollten den Höhepunkt verhindern – die Damenschlammschlacht mit den barbusigen Frauen.“ Im Gegensatz zu den „überfreiwilligen“ Feuerwehrleuten, die den Schlamm aus Torf und warmem Wasser aufbereiteten. „Bei der Stadt gab es damals ein riesengroßes Palaver“, weiß Hubert Wolf zu berichten. Er war vom Zweibrücker Ordnungsamt abkommandiert worden, die Freizügigkeit der Mädels zu kontrollieren. „Das Ende des urigen Sunset begann mit dem Umbau der viereckigen Theke in einen langen Ausschank“, ist Ursula Dietze, 51, überzeugt. Sie bediente neben Edeltraud Carty, 54, „ewig“ im Sunset und gehörte zum inneren Kreis. Dazu kam die Konkurrenz durch das „Opossum“ und die Kneipe „Zum Beislschmidt“ in Ernstweiler sowie die neuen großen Diskotheken wie „Marabu“ in Niederauerbach oder „Village“ in Homburg. Daher startete Wolfgang Schäfer am 19. Dezember 1984 um 19 Uhr neu mit dem Rock-Café Budokan, einer Hardrock- und Heavy-Metal-Kneipe, benannt nach der Kampfsporthalle Nippon Budokan in Tokio, der Bob Dylan und die US-Band Cheap Trick Live-Alben widmeten. Die Preise blieben zivil: Parkbräu-Pils 2,50 Mark, Schnapper (Whisky-Cola) und Hütchen (Weinbrand-Cola) zu je drei Mark. Auf das Rock-Café folgte das Oldie-Tanzcafé Rendezvous, eine Gay-Club-Disko, die auch gern Frauen besuchten, weil sie dort nicht von Männern angemacht wurden. Daniela Emser, damals in Bubenhausen wohnend, war am ersten Abend Türsteherin. „Jeder Gast erhielt von mir eine Rose“, schwelgt sie in Erinnerungen. Anfang September 1999 eröffnete letztlich „Alex“ mit den Gruppen „Ironic Rockproject“ und „Die Caprifischer“ die Kultur-Kneipe „Outer Limits“, die er mit dem Tod von Wolfgang Schäfer Ende November wieder zuschloss. Sein Freund: „Mit 54 Jahren gestorben an Krebs hat Wolfgang, der eigentlich Schauspieler werden wollte, mehr gelebt als mancher mit 80.“ Mit der Kult-Disko Sunset habe er vielen Zweibrücker Jugendlichen eine tolle Zeit – vielleicht die schönste ihres Lebens – beschert. Dazu passt auch Ilse Greif-Schacherers Erklärung: „Wir wollten einen Namen, der zu der abgeschiedenen Lage der Disko im Ernstweilertal passte, wo man nach Sonnenuntergang feiern und glücklich sein konnte.“ Die ersten Teile der Serie erschienen am 13. August, 15. August und am 5. September.

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